Spruch:
Amtshaftung bei Nichtstellung von Begleitscheingut infolge deliktischen Zusammenwirkens eines Zollbeamten und nichtbeamteter Täter
OGH 26. November 1970, 1 Ob 237/70 (OLG Innsbruck 2 R 82/70; LG Innsbruck 6 Cg 482/69)
Text
Über Auftrag des Schweizer Kaufmannes Heinrich P unternahm der Frächter Karl H mit einem LKW des P am 28. Mai 1960 eine Schmuggelfahrt, wobei er ein in einem Gasthaus in E für Heinrich P blanko unterschriebenes Begleitscheinformular der Klägerin (eines Speditionsunternehmens in L) benützte. Er stellte beim Zollamt E eine angeblich aus 100 Karton Zigaretten, drei Kartons Radios und sechs Rollen Blech bestehende Ladung zur Durchfuhrabfertigung. Auf diesem Zollamt wurde von Zollorganen mittels Zollbleies der amtliche Raumverschluß am Fahrzeug angelegt und die Sendung dem Empfangszollamt S an der österreichisch-schweizerischen Grenze angewiesen. Auf der Fahrt dorthin traf H mit P zusammen, beide öffneten den amtlichen Raumverschluß und entnahmen aus der Ladung Zigaretten in der Absicht, diese ohne Zollbehandlung in den freien Verkehr zu bringen. Hierauf setzte H die Fahrt fort und stellte die Ladung beim Empfangszollamt S zur Austrittsabfertigung. Diese nahm der Zollbeamte Johann K vor, der von P schon vorher zur Mitwirkung am Schmuggel gewonnen worden war. Obwohl er von der Teilentladung Kenntnis hatte, bestätigte er auf dem Begleitschein den ordnungsgemäßen Austritt des Begleitscheingutes, sodaß der LKW ins Ausland weiterfahren konnte. Heinrich P, Karl H und Johann K wurden wegen dieses Vorgehens rechtskräftig strafgerichtlich verurteilt.
Obwohl die Klägerin von den strafbaren Manipulationen der oben Genannten keine Kenntnis hatte, wurde ihr mit Bescheid des Zollamtes E vom 1. Dezember 1965 ein Zollersatz in der Höhe von 1.651.056 S vorgeschrieben. Berufung und Verwaltungsgerichtshofbeschwerde der Klägerin blieben erfolglos. Ihrem Ansuchen um Zollerlaß aus Billigkeitsgrunden wurde jedoch insoweit stattgegeben, als ihr nur mehr ein Betrag von 82.140 S zur Zahlung auferlegt blieb. Zur Begründung wurde ausgeführt, daß die Klägerin von der Haftung, hinsichtlich eines Betrages von 1.486.794 S an Zollersatzforderung zu entlassen gewesen sei, weil diese Forderung jene Ware betreffe, über die zwar vorschriftswidrig verfügt, die aber de facto doch wieder ins Ausland verbracht worden sei. Hinsichtlich des verbleibenden Betrages von 164.262 S sei sie zur Hälfte aus der Haftung zu entlassen, weil an der Machination neben den Personen, für deren Verschulden die Klägerin gemäß § 119 ZollG einzustehen habe, auch der Zollbeamte K beteiligt gewesen und das Verschulden jener Personen, für die die Klägerin zu haften habe, mindestens ebenso groß sei wie jenes des angestifteten Zollwachebeamten.
Mit der vorliegenden Amtshaftungsklage begehrte die Klägerin nun die Verurteilung der Republik Österreich zur Zahlung von 105.132.14 S mit der Begründung, daß ihr Johann K in Ausübung seines Amtes als Zollwachebeamter im gemeinsamen deliktischen Zusammenwirken mit Heinrich P und Karl H einen Schaden in Höhe der verbleibenden Zollbelastung von 82.140 S und der Kosten für Rechtsmittel und Rechtsbehelfen in der Höhe von 22.992.14 S zur Abwehr der vorgeschriebenen Zollersatzforderung von 1.651.056 S erforderlich waren, zugefügt habe, wofür die Republik Österreich als Rechtsträger im Sinn des § 1 Abs 1 AHG einzustehen habe.
Die Beklagte beantragte Klagsabweisung und wendete ein, daß durch die Reduktion des vorgeschriebenen Zollersatzes auf 82.140 S die Haftung der Klägerin der Vorschrift des § 1304 ABGB entsprechend ohnehin schon auf jenes Ausmaß eingeschränkt worden sei, das dem Mitverschulden des Heinrich P und des Karl H entspreche, für welche sie als Begleitscheinnehmerin zu haften habe. Ein Anspruch auf Ersatz der Kosten stehe der Klägerin nicht zu, weil im Abgabeverfahren gemäß § 313 BAO ein Kostenersatz nicht stattfinde; darüber hinaus bestehe zwischen den Kosten, die durch die Einbringung des Stundungsansuchens und des Ansuchens um Zollerlaß entstanden seien, und der strafbaren Handlung des Johann K kein ursächlicher Zusammenhang.
Das Erstgericht hat das Klagebegehren abgewiesen. Die Begründung seiner Entscheidung läßt sich wie folgt zusammenfassen: Johann K habe bei der Kontrolle des von Karl H gesteuerten LKW als Organ der Beklagten in Vollziehung der Gesetze gehandelt.
Zwischen seinem schuldhaft pflichtwidrigen Verhalten und dem der Klägerin entstandenen Schaden bestehe auch ein ursächlicher Zusammenhang; Heinrich P und Karl H hätten die Teilentladung des Begleitscheingutes offentsichtlich nur deshalb unternommen, weil sie sich der Mithilfe des Johann K bei der Ausgangsabfertigung sicher gewesen seien. Ohne die durch das AHG geschaffene Rechtslage könnte die Klägerin von K auf Grund der sich aus § 1302 ABGB ergebenden Solidarhaftung den Ersatz des gesamten Schadens fordern und es sei nicht einzusehen, daß die Beklagte, die unter Ausschluß der Haftung des K für den von diesem der Klägerin in Vollziehung der Gesetze schuldhaft zugefügten Schaden einzustehen habe, in Bezug auf die Regelung des § 1302 ABGB bessergestellt sein sollte. Es sei aber in der Rechtslehre anerkannt, daß § 1313a ABGB auch dann zu gelten habe, wenn sich jemand zur Ausführung einer allgemeinen gesetzlichen Pflicht eines anderen bediene, sofern es sich um eine auf ein Rechtsgeschäft, auf das Gesetz oder auf eine erlittene Beschädigung gegrundete schuldrechtliche Verpflichtung gegenüber einer bestimmten Person und nicht bloß um eine im Interesse der Allgemeinheit auferlegte Verpflichtung handle. Weil diese Grundsätze auch auf die sich aus § 119 ZollG ergebende Verpflichtung des Begleitscheinnehmers gegenüber der Zollbehörde angewendet werden müßten, habe die Klägerin auch im Hinblick auf die Bestimmungen des § 1304 ABGB das Verschulden des Heinrich P und des Karl H, deren sie sich bei der Erfüllung der ihr gegenüber der Zollbehörde nach § 119 ZollG obliegenden Verpflichtung bedient habe, zu vertreten, sodaß eine Schadensteilung auch dann Platz greife, wenn der Klägerin an der Zufügung des ihr entstandenen Schadens selbst kein Verschulden angelastet werden könne. Daß mit der Übergabe des Begleitscheingutes und des Begleitscheines an Heinrich P bzw Karl H als Warenführer die Verpflichtung der Klägerin zur Stellung des Begleitscheingutes beim Empfangszollamt erloschen sei (§ 119 Abs 3 ZollG), sei nicht von entscheidender Bedeutung, da hiedurch ihre sie als Begleitscheinnehmerin treffende Verpflichtung, bei Nichtstellung des Begleitscheingutes für den entgangenen Zoll Ersatz zu leisten, nicht in Wegfall gekommen sei. Um diese sich aus § 119 Abs 1 ZollG ergebende Ersatzverpflichtung nicht wirksam werden zu lassen, hätte die Klägerin für die ordnungsgemäße Stellung des Begleitscheingutes beim Empfangszollamt durch ihren Warenführer sorgen müssen. Deshalb habe sie auch für die von Heinrich P und Karl H unter Verletzung des amtlichen Raumverschlusses vorsätzlich durchgeführte Teilentladung des Begleitscheingutes einzustehen. Weil sich aber die Klägerin und die Beklagte in der Rolle des Schädigers und des Beschädigten gegenüberstunden, müsse im Sinne des § 1304 ABGB eine Verschuldensteilung in dem Ausmaß vorgenommen werden, das dem von beiden Seiten zu vertretenden Mitverschulden entspreche; dies führe mit Rücksicht darauf, daß das Verschulden der Warenführer Heinrich P und Karl H dem Fehlverhalten des Johann K etwa gleichwertig sei, zu einer Schadensteilung im Verhältnis 50:50. Dieser Verschuldensteilung habe die Beklagte aber bereits Rechnung getragen, indem sie die Klägerin aus der sie nach § 119 Abs 1 ZollG treffenden Haftung zur Hälfte entlassen habe. Damit sie den sich für die Klägerin aus dem Verhalten des Johann K ergebenden Amtshaftungsanspruch bereits erfüllt. Der darüber hinaus geltend gemachte und ebenfalls auf den Tatbestand der Amtshaftung gegrundete Anspruch auf Ersatz der Kosten rechtsfreundlicher Vertretung im Rahmen der Abwehr der sich aus dem Bescheid des Zollamtes E vom 1. Dezember 1965 ergebenden Belastung sei schon deshalb nicht berechtigt, weil die Parteien die ihnen im Abgabeverfahren erwachsenen Kosten gemäß § 313 BAO selbst zu tragen hätten, der von der Klägerin bekämpfte Bescheid der Rechtslage entsprochen habe und dieser Akt der Vollziehung somit rechtmäßig gewesen sei.
Die Berufung der Klägerin, mit der nur unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht wurde, blieb erfolglos. Das Berufungsgericht teilte die Rechtsansicht des Erstgerichtes, vertrat jedoch die Auffassung, es wäre gar nicht notwendig gewesen, sich mit der Frage zu befassen, ob P und H im Sinne des § 1313a ABGB als Erfüllungsgehilfen der Klägerin zu gelten haben, denn die Haftung der Klägerin für deren Verhalten ergebe sich bereits aus den Bestimmungen des § 119 Abs 1 und 3 ZollG, nach welchen die Begleitscheinnehmer im Falle der Nichtstellung des Begleitscheingutes für die dadurch entfallenden Eingangsabgaben unabhängig davon zu haften habe, ob die Stellungspflicht auf einen anderen übergegangen sei oder nicht, wenngleich die Klägerin darüber hinaus auch im Sinne des § 1313a ABGB für das Verhalten ihrer mit der Stellung des Begleitscheingutes bevollmächtigten Warenführer P und H einzustehen habe. Die der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 6. März 1963, 1 Ob 22/63, zugrundeliegende Ansicht, es käme eine Haftung des Begleitscheinnehmers nach § 119 Abs 1 ZollG dann nicht in Frage, wenn für die Nichtstellung des Begleitscheingutes neben den Personen, denen es vom Begleitscheinnehmer anvertraut worden sei, auch noch ein Organ des Bundes mitgewirkt habe, sei vom Erstgericht mit Recht abgelehnt worden. Die vorsätzliche Mitwirkung des Zollorganes an der Abgabenhinterziehung könne zufolge der Bestimmungen des §§ 1301, 1302 ABGB, 1 AHG nur zu einer Mithaftung des Rechtsträgers der für das Organ einzustehen habe, nicht aber zu einer völligen Entlastung des Abgabenschuldners führen, denn es sei nicht einzusehen, warum in einem solchen Falle die Bestimmungen der §§ 1301, 1302 ABGB völlig außer acht gelassen werden müßten. Die Schadensteilung im Verhältnis von 50:50 sei nach den Umständen des Falles zu billigen. Das über diese gegenteilige Verschuldensteilung hinausgehende Begehren der Klägerin entbehre aber auch im Hinblick auf die Bestimmung des § 896 ABGB der Berechtigung. Gehe man nämlich davon aus, daß die Klägerin und die Beklagte gemäß §§ 1301, 1302 ABGB zur ungeteilten Hand für den Gesamtschaden zu haften haben, die Klägerin bisher aber ohnehin nur die Hälfte dieses Schadens ersetzt bzw getragen habe, dann könnte sie zufolge der Bestimmungen des § 896 ABGB von der Beklagten einen weiteren Ersatz nur dann verlangen, wenn hiefür ein besonderer Grund bestunde. Da jedoch die Schadenszufügung im gemeinsamen und vorsätzlichen Zusammenwirken ihrer Gehilfen P und H und des Amtsorgans K erfolgt sei und kein Grund bestehe, das für den Schaden ursächliche schuldhafte Verhalten ihrer Leute gegenüber jenem, das dem Zollbeamten K anzulasten und von der Beklagten zu tragen sei, geringer zu werten, sei kein Grund gegeben, der die Klägerin berechtigen würde, von der Beklagten mehr zu verlangen, als diese ihr durch den Erlaß der halben Zollsatzschuld ohnehin schon geleistet habe. Es sei aber auch noch darauf zu verweisen, daß - wenn wie im gegenständlichen Fall eine Zollschuld entstanden sei - hinsichtlich der geltend gemachten Ersatzforderung ein Gesamtschuldverhältnis der Ersatzpflichtigen mit dem oder den Zollschuldnern bestehe. Da die Klägerin als Ersatzpflichtige mit dem wegen Verletzung seiner Amtspflichten zum Zollschuldner gewordenen Amtsorgan der Beklagten in keinem besonderen Rechtsverhältnis gestanden sei, komme hinsichtlich eines Regreßanspruches der Klägerin die Regel des § 896 erster Satz ABGB zum Tragen, wonach der Gesamtschuldner von seinen Mitschuldnern den Ersatz zu gleichen Teilen zu fordern habe. Da die Beklagte nur für das Verschulden einer der drei strafrechtlich verurteilten Zollschuldner einzutreten habe und der Klägerin bereits die Hälfte ihrer Schuld nachgelassen worden sei, erweise sich ihr weiterer gegen die Beklagte erhobener Regreßanspruch auch aus dieser Erwägung als unbegrundet. Die Klägerin könne aber auch den Ersatz ihrer Kosten nicht nur deshalb nicht begehren, weil im Abgabeverfahren die Parteien gemäß § 313 BAO die Kosten selbst zu tragen hätten und im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ein Ersatzanspruch nur in den hier nicht in Frage kommenden Fällen des § 46 VwGG bestehe, sondern auch deshalb nicht, weil ihre Rechtsmittel erfolglos geblieben seien. Daß der Kostenersatzanspruch mit Recht abgewiesen worden sei, ergebe sich auch daraus, daß ein solcher Ersatzanspruch kein selbständiges Dasein führe, sondern - von hier nicht in Frage kommenden Ausnahmsfällen abgesehen - das Schicksal des Hauptanspruches teile und daß die im § 2 Abs 2 AHG dem Geschädigten auferlegte Rettungspflicht nicht dazu führen dürfe, die in Erfüllung dieser Pflicht aufgewendeten Kosten außerhalb des Verfahrens, in dem sie entstanden seien, geltend zu machen. Das Ansuchen um Zollerlaß habe auch den Zweck verfolgt, von der Beklagten wegen des Mitverschuldens des Zollorgans eine entsprechende Mithaftung in Form eines Zollerlasses zu erreichen, sodaß die Beklagte (?) auch dafür von der Klägerin (?) im Rahmen der sie treffenden Amtshaftungspflicht keinen Kostenersatz beanspruchen könne.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers Folge und hob die Urteile der Untergerichte auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Bei der rechtlichen Beurteilung der gegenständlichen Streitsache ist davon auszugehen, daß mit der Übergabe des Begleitscheingutes und des Begleitscheines an Heinrich P bzw Karl H als Warenführer gemäß § 119 Abs 3 ZollG die Verpflichtung der Klägerin zur Stellung des Begleitscheingutes beim Empfangszollamt erloschen und nur ihre Verpflichtung, bei Nichtstellung des Begleitscheingutes für den entgangenen Zoll Ersatz zu leisten, aufrecht geblieben ist. Da dem Begriff der "Stellung" nur eine fristgerechte Vorführung des unveränderten Begleitscheingutes, gegebenenfalls mit unverletztem Zollverschluß, unter Vorlage des Begleitscheines entspricht, der Begleitscheinnehmer aber im Fall des § 119 Abs 3 ZollG das Begleitscheingut und den Begleitschein nicht mehr hat, könnte er auch - solange ihm der Warenführer nicht beides wieder zurückgestellt hat - einer Stellungspflicht gar nicht mehr nachkommen. Obgleich auf öffentlichrechtliche Schuldverhältnisse, wie Breustedt in JBl 1969, 653 ff ("Amtshaftung bei Nichtstellung von Begleitscheingut") hervorhebt, unter Umständen und insoweit das Gesetz nichts anderes anordnet, auch privatrechtliche Bestimmungen hilfsweise oder analog anwendbar sein können (VfSlg 129, 991 und 3909), erscheint deshalb eine Konstruktion, nach der der Warenführer Erfüllungsgehilfe des Begleitscheinnehmers bei dessen Stellungspflicht wäre (vgl Breustedt, Amtshaftung 653 ff), unhaltbar. Der Warenführer kann höchstens als Besorgungsgehilfe des Begleitscheinnehmers im Sinne des § 1315 ABGB angesehen werden.
Die Zollersatzpflicht, die - ungeachtet des Überganges der Stellungspflicht auf den Warenführer - den Begleitscheinnehmer, sofern der Warenführer kein öffentliches Verkehrsunternehmen ist (§ 119 Abs 3 letzter Satz ZollG), weiter belastet und bei "Nichtstellung" durch den Warenführer wirksam wird, besteht unabhängig von jedem Verschulden des Begleitscheinnehmers (vgl Reeger - Stoll, Kommentar zur Bundesabgabenordnung unter Anm 15 zu § 3 BAO). Wenn der Verwaltungsgerichtshof in diesem Belang bereits wiederholt von einer "weitgehenden Erfolgshaftung" gesprochen hat (vgl dazu die bei Klecatsky - Kobzina zu § 119 ZollG unter Nr 3 angeführte Judikatur), können dagegen auch unter Berücksichtigung der Bestimmungen des § 7 Abs 4 ZollG - ungeachtet der Kritik Breustedts Amtshaftung, 653 ff - keine Bedenken aufkommen.
Welche Konsequenzen sich ergeben könnten, wenn sich der Begleitscheinnehmer einer geradezu untüchtigen oder wissentlich einer gefährlichen Person (§ 1315 ABGB) als Warenführer bedient haben sollte, braucht diesmal nicht erörtert zu werden, weil Behauptungen in dieser Richtung von der Beklagten nicht aufgestellt wurden und auch im Verfahren keine Anhaltspunkte hiefür hervorgekommen sind.
Daraus ergibt sich für den vorliegenden Fall, daß zwar einerseits durch das Zusammenwirken des H, des P und des K andererseits zufolge des vorsätzlichen deliktischen Zusammenwirkens des Karl H und Heinrich P mit Johann K zunächst der Beklagten ein Schaden durch Entgang der Zollgebühren entstanden ist, ohne daß dabei aber ein Verschulden der Klägerin selbst unterlaufen wäre oder sie für das Verschulden des H und des P zu haften hätte, daß aber durch das Zusammenwirken des H, des P und des K andererseits auch die Haftung der Klägerin gemäß § 119 Abs 3 ZollG für den Zollersatz ausgelöst wurde, wobei aber die Haftung der Beklagten für das Verschulden ihres Organs K Platz greift.
Unterstellt man nun, es gäbe das AHG nicht, hätten H, P und K der Klägerin für den ihr vorsätzlich zugefügten Schaden (Zollersatz) gemäß § 1302 2. Satz ABGB solidarisch zu haften, d h die Klägerin könnte - wie schon das Erstgericht zutreffend ausgeführt hat - den ganzen ihr zugefügten Schaden nach Belieben von einem jeden der drei Übeltäter ersetzt verlangen. Die durch das AHG geschaffene Rechtslage ist nun zunächst dadurch charakterisiert, daß K selbst als Organ des Rechtsträgers im Sinne des § 1 Abs 1 AHG zur Schadensgutmachung nicht herangezogen werden kann, wohl aber an seiner Stelle die Beklagte, von der die Klägerin nach der selben Gesetzesstelle und unter Bedachtnahme auf obige Ausführungen mangels eines ihr unterlaufenen oder von ihr nach §§ 1313a, 1315 ABGB zu vertretenden Verschuldens an und für sich berechtigt wäre, den ganzen Schaden ersetzt zu verlangen. Die Haftung der Beklagten reicht also, wie der Oberste Gerichtshof schon in seiner Entscheidung vom 6. März 1963, 1 Ob 22/63, erkannt hat, ihrem Wesen nach bis zur vollen Höhe des der Klägerin entstandenen Schadens. Daß mehrere Solidarschuldner im Innenverhältnis die Schadenersatzleistung quotenmäßig zu tragen haben (§ 896 ABGB), kann dem Anspruch des Geschädigten auf vollen Schadenersatz gegen jeden einzelnen der Solidarschuldner an und für sich keinen Abbruch tun.
Die eben erwähnte, von Breustedt, Amtshaftung, 653 ff, eingehend kritisierte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes bedarf allerdings einer Ergänzung unter einem Blickpunkt, der seinerzeit vermutlich deshalb nicht im Vordergrund der Erwägungen stand, weil es sich damals nur um ein Feststellungsbegehren bezüglich der Amtshaftung der beklagten Partei für das deliktische Mitverschulden eines ihrer Organe handelte. Wie der Oberste Gerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, ist die Ersatzpflicht des Rechtsträgers nach § 1 Abs 1 AHG subsidiärer Natur, denn der Anspruch gegen ihn besteht nicht, wenn der Geschädigte den Schaden durch Rechtsmittel oder durch Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof hätte abwenden können (§ 2 Abs 2 AHG). Das AHG hat also in seinem Anwendungsbereich noch eine weitere Änderung der Rechtslage gebracht. Während der Geschädigte sonst - wie schon hervorgehoben wurde - im Falle des § 1302, 2. Satz ABGB den ganzen Schaden nach Belieben von jedem einzelnen Schädiger ersetzt verlangen kann, kann er zufolge der Subsidiarität der Amtshaftung auf dieser Befugnis nicht ohne weiteres bestehen, sondern nur dann, wenn er den Schaden nicht im Sinne des § 2 Abs 2 AHG abwenden konnte. Der Oberste Gerichtshof hat in einhelliger und langjähriger Rechtsprechung ausgesprochen, daß die Bestimmung des § 2 Abs 2 AHG nur eine Spezifikation des § 1304 ABGB darstellt, der schon für den allgemeinen Zivilrechtsbereich eine Sorgfalts- und Rettungspflicht des Geschädigten statuiert (ZVR 1963/151, EvBl 1966/305, JBl 1968, 374, KJ 1968, 42 u a zuletzt etwa 1 Ob 170/70). Eine allfällige Verletzung derselben ist aber - gleichfalls nach ständiger Judikatur, von der abzugehen kein Anlaß besteht - nur bedeutsam, wenn ein Verschulden auf Seite des Geschädigten unterlaufen ist; Lehre und Rechtsprechung stellen dabei stets auf die Zumutbarkeit unterlassener Schritte ab.
Daß die Klägerin dadurch, daß sie den Bescheid des Zollamtes E vom 15. Oktober 1968 mit dem das Ansuchen um Zollersatzermäßigung aus Billigkeitsgrunden erledigt wurde, trotz formell bestehender Rechtsmittelmöglichkeit nach der Aktenlage rechtskräftig werden ließ, gegen die Rettungspflicht des § 2 Abs 2 AHG verstoßen hätte, hat die Beklagte nicht behauptet. Darauf braucht auch nicht weiter eingegangen zu werden, weil nach den festgestellten Umständen des vorliegenden Falles, dem Inhalt des Bescheides vom 15. Oktober 1968 und der bei Reeger - Stoll, BAO, unter Anm 6 zu § 236 BAO sowie bei Klecatsky - Kobzina zu § 183 ZollG angeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes jedes weitere diesbezügliche Bemühen der Klägerin praktisch aussichtslos gewesen wäre.
Unter die Bestimmung des § 2 Abs 2 AHG fällt, obgleich dies Wort nicht ausdrücklich erwähnt wird, unter Umständen aber auch die Beschreitung des Rechtsweges gegen Dritte, selbstverständlich auch dies unter Berücksichtigung des Kriteriums der Zumutbarkeit (vgl auch hiezu EvBl 1966/305, JBl 1968, 374 u a).
Es erhellt sohin, daß der Anspruch der Klägerin - im Gegensatz zur Annahme der Untergerichte - gegenüber der Beklagten sei es zur Gänze oder zum Teil, davon abhängig sein wird, ob und mit welchem Erfolg sie versucht hat, den Schaden primär bei Heinrich P und Karl H hereinzubringen, bzw ob es ihr als Verschulden im dargelegten Sinn anzulasten ist, etwa die Klagsführung gegen diese Personen unterlassen zu haben. Diese Frage wäre von den Untergerichten, da der Ersatzanspruch unter den Voraussetzungen des § 2 Abs 2 AHG nicht besteht, von Amts wegen gemäß § 182 ZPO mit den Parteien zu erörtern gewesen. Aus dem Zusammenhalt der Bestimmungen der §§ 1, 2 Abs 2 AHG und der §§ 1298 und 1304 ABGB ergibt sich, daß die Klägerin die Last des Beweises trifft, die allfällige Unterlassung der Klagsführung und Einbringlichmachung des Schadens gegenüber Heinrich P und Karl H sei ihr nach den besonderen Umständen des Falles nicht als Verschulden anzulasten (vgl auch hiezu 1 Ob 241/67).
Schließlich kann auch der Meinung der Untergerichte, daß die Kosten, die der Klägerin durch Erhebung von Rechtsmitteln und Rechtsbehelfen gegen den Bescheid des Zollamtes E vom 1. Dezember 1965 entstanden sind, keinen Schaden im Sinne des § 1 AHG, darstellen, nicht ohne weiteres gefolgt werden. Die Meinung, daß solche Kosten überhaupt nicht als Schaden im Sinne dieser Gesetzesstelle anzusehen seien, wurde zwar von Loebenstein - Kaniak - allerdings ohne nähere Begründung - vertreten (Komm z AHG 69, 76), vom Obersten Gerichtshof aber unter Bedachtnahme auf Lehre und Rechtsprechung schon in der Entscheidung SZ 34/34 abgelehnt. Er hält hieran auch diesmal fest, denn es kann wohl nicht bezweifelt werden, daß ein Prozeßkosten- oder Rechtsmittelaufwand eine Verminderung des Vermögens des Aufwendenden, also einen Schaden im Rechtssinn, darstellt. Die Vertreter der Ansicht, daß die Prozeßkosten nicht Gegenstand eines Schadenersatzanspruches sein könnten, folgern dies aus der besonderen rechtlichen Natur des Prozeßkostenanspruches, der in den Verfahrensgesetzen seine Grundlage hat, zum Teil auch aus der Rechtskraftwirkung der Prozeßkostenentscheidung. Diese Erwägungen haben Berechtigung, soweit es sich unmittelbar um das Verhältnis zwischen den Verfahrensparteien handelt, treffen aber nicht auf das Verhältnis zwischen einer Partei und einem schuldtragenden Dritten zu. In diesem Verhältnis beruht der Anspruch nicht mehr auf den öffentlich-rechtlichen Verfahrensvorschriften, sondern auf den Normen des Schadenersatzes. Es kann nun keinem Zweifel unterliegen, daß der Klägerin die von ihr geltend gemachten Kosten durch das schuldhafte Zusammenwirken von Heinrich P, Karl H und Johann K, also Dritter, entstanden sind und daher grundsätzlich von diesen als Rettungsaufwand aus dem Titel des Schadenersatzes zu tragen wären. Auch die beklagte Partei kann sich ihrer Haftung für das Verschulden ihres Organs K in diesem Belang nicht grundsätzlich entziehen. Es muß dabei jedoch zwischen den Kosten für Rechtsmittel und Rechtsbehelfe unterschieden werden, die zweckmäßig waren, und solchen, die als zwecklos angesehen werden müßten (vgl dazu Wolff in Klang[2] VI 59 und auch SZ 34/34). Auch in dieser Richtung wird das Erstgericht den Sachverhalt mit den Parteien an Hand der einzelnen Rechtsmittel sonstigen Eingaben, Bescheide und sonstigen Erledigungen zu erörtern und die erforderlichen Feststellungen zu treffen haben.
Aus obigen Ausführungen ergibt sich daher die Notwendigkeit, die Urteile der Unterinstanzen aufzuheben und die Rechtssache an das Gericht erster Instanz zurückzuverweisen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)