OGH 8Ob220/70

OGH8Ob220/7020.10.1970

SZ 43/181

Normen

HGB §22 Abs1
HGB §22 Abs1

 

Spruch:

Andere Änderungen an der gemäß § 22 Abs 1 HGB fortgeführten Firma als die Beifügung des in dieser Gesetzesstelle bezeichneten Zusatzes sind unzulässig

OGH 20. Oktober 1970, 8 Ob 220/70 (OLG Wien 3 R 189/70; HG Wien 7 HRA 6022 a)

Text

Auf Grund einer Verfügung des Handelsgerichtes Wien vom 24. September 1957 ist in der Abteilung A des Handelsregisters die Firma "Austria- Edition Johanna S" mit dem Betriebsgegenstand Verlagsbuchhandel unter Ausschluß eines offenen Ladengeschäftes eingetragen. Mit Vertrag vom 11. Oktober 1962 verkaufte Johanna S ihr Verlagsunternehmen einschließlich der bestehenden Verlagsrechte an den Österreichischen Bundesverlag für Unterricht, Wissenschaft und Kunst, der im Handelsregister des Handelsgerichtes Wien unter HRA 14.397 eingetragen ist. Im P 5 des Kaufvertrages willigte Johanna S ein, daß der Käufer die bisherige Firma mit oder ohne Zusatz, gekürzt oder ungekürzt, fortführe. Auf Grund einer Verfügung des Handelsgerichtes Wien vom 6. Februar 1963 wurde dem Antrag des Österreichischen Bundesverlages für Unterricht, Wissenschaft und Kunst, im Handelsregister einzutragen, daß die protokollierte Firma "Austria-Edition Johanna S" auf ihn übergegangen ist, stattgegeben. Am 2. April 1970 beantragte der Österreichische Bundesverlag für Unterricht, Wissenschaft und Kunst, die Umänderung des Firmenwortlauts von "Austria-Edition Johanna S" in "Austria-Edition" in das Handelsregister einzutragen.

Das Erstgericht wies den Antrag ab. Nach § 22 Handelsgesetzbuch könne die Firma nach Veräußerung eines Unternehmens mit oder ohne Beifügung eines das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes fortgeführt werden; andere Änderungen seien nicht gestattet. Weder beim Firmenkern noch beim Firmenzusatz, die zusammen ein Ganzes bilden, dürften daher Teile wie Namen und dergleichen weggelassen werden. Nur unwesentliche Veränderungen seien zulässig. Die Weglassung der gesamten Namensbezeichnung "Johanna S" aus dem Firmenwortlaut könne aber keineswegs mehr als unwesentlich qualifiziert werden, da dem Namen im rechtlichen Verkehr ein deutlicher Unterscheidungswert zukomme.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung.

Der Oberste Gerichtshof wies den Revisionsrekurs des Österreichischen Bundesverlages für Unterricht, Wissenschaft und Kunst zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Zunächst sei erwähnt, daß der Österreichische Bundesverlag für Unterricht, Wissenschaft und Kunst nach § 1 Abs 1 des vom Bundesministerium für Unterricht auf Grund älterer, bis auf das Privilegium impressorium privativum der Kaiserin Maria Theresia vom 13. Juni 1772 und ein HfD vom 14. Oktober 1807 zurückgehenden Verfügungen erlassenen Statuts (Verordnungsblatt für den Dienstbereich des Bundesministeriums für Unterricht 1952/4) ein Fonds mit eigener Rechtspersönlichkeit ist, den gemäß § 11 Abs 3 ein vom Bundesminister für Unterricht berufener Direktor nach außen zu vertreten hat. Nach § 1 Abs 3 hat der Bundesverlag seinen Sitz in Wien und wird beim zuständigen Handelsgericht registriert. Er ist auch berechtigt, Zweigniederlassungen im In- und Ausland zu errichten. Gegen seine Parteifähigkeit und seine Berechtigung, in der vorliegenden Handelsregistersache aufzutreten, bestehen daher keine Bedenken.

Wer ein bestehendes Handelsgeschäft erwirbt, darf gemäß § 22 Abs 1 HGB mit ausdrücklicher Einwilligung des Veräußerers für das Geschäft die bisherige Firma mit oder ohne Beifügung eines das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes fortführen. Mit dieser Bestimmung wurde der sonst geltende Grundsatz der Firmenwahrheit, nach dem die Firma eines Einzelkaufmannes seinem Namen gleichen und bei einer Handelsgesellschaft der Rechtsform entsprechen muß (Würdinger in Groß-Komm HGB[3] Anm 2 vor § 17 HGB I 274 f), für "abgeleitete" Firmen unterbrochen, was zur Folge hat, daß aus der Firma nicht auf den gegenwärtigen Inhaber geschlossen werden kann; es läßt sich dann nicht einmal sagen, ob hinter einer Einzelfirma noch ein Einzelkaufmann und nicht eine Gesellschaft, hinter einer Gesellschaftsfirma noch eine Gesellschaft und nicht ein Einzelkaufmann steht (Würdinger HGB[3] Anm 24 zu § 22 HGB, 330). Die Ausnahmebestimmung des § 22 HGB will die Vernichtung des in der Firma steckenden Wertes im Falle der Veräußerung des Unternehmens hintanhalten und verhindern, daß die Kundschaft und Lieferanten, die infolge der Änderung der Firma das alte Unternehmen nicht mehr zu erkennen vermögen, sich verlaufen und dem Unternehmer gewährte Kredite eine Schmälerung erleiden (Wahle in Rsp 1930/442 f). Der Erwerber darf die bisherige Firma fortführen, muß es aber nicht. Es bleibt ihm also unbenommen, falls nicht sein Vertrag mit dem bisherigen Inhaber andere Bestimmungen enthält, für das übernommene Unternehmen eine neue Firma zu wählen und zum Handelsregister anzumelden. Das kann er auch dann noch wenn er zunächst eine abgeleitete Firma geführt hat (Würdinger HGB[3] Anm 39 zu § 22 HGB, 339). In diesen Fällen muß die neue Firma allerdings den Rechtsgrundsätzen für neue Firmen, also insbesondere dem Rechtsgrund der Firmenwahrheit, entsprechen (Schlegelberger - Hildebrandt[3], Anm 17 zu § 22 HGB, 179). Entschließt oder verpflichtet der Erwerber sich hingegen, die bisherige Firma weiterzuführen, darf er ihrem Wortlaut nur einen das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatz beifügen; andere Änderungen sind hingegen nicht gestattet, die Firma muß vielmehr grundsätzlich unverändert bleiben; insbesondere dürfen Änderungen im Firmenkern nicht herbeigeführt werden. Das Gesetz will nämlich zwar eingeführte Firmen erhalten, setzt dabei aber voraus, daß sie unverändert fortbestehen, da sie sonst keine eingeführten Firmen mehr sind (Würdinger HGB[3] Anm 41 zu § 22 HGB, 340, Schlegelberger - Hildebrandt Anm 18 zu § 22 HGB, 179f). Zum "Firmenkern", dem notwendigen Element der Firma (Hämmerle, Handelsrecht[2], § 29 III A, 140, Würdinger HGB[3] Anm 3 zu § 18 HGB, 295) gehört nun aber sowohl der Familienname als auch der ausgeschriebene Vorname eines Einzelkaufmannes (§ 18 HGB). Bei Fortführung der Firma dürfen diese also nicht weggelassen werden. Noch weniger ist es aber gestattet, eine bereits unter einer bestimmten Bezeichnung fortgeführte Firma späterhin - von Unwesentlichkeiten abgesehen (Schlegelberger - Hildebrandt Anm 2 zu § 31 HGB, 214) - zu ändern, ohne gleichzeitig wieder voll der Firmenwahrheit zu entsprechen (vgl hiezu auch Rsp 1930/442, SZ 10249; Wahle Rsp 1930/442, Krieger - Lenz, Firma und Handelsregister, 128, Anm 3 zu § 31 HGB).

Im vorliegenden Falle will der Österreichische Bundesverlag für Unterricht, Wissenschaft und Kunst, der bereits durch Jahre die abgeleitete Firma unter der früheren Bezeichnung "Austria-Edition Johanna S" geführt hat, die Firma in "Austria-Edition" abändern. Er will also einen Firmennamen eintragen lassen, der keinen Hinweis auf die Unternehmensform, aber auch nicht darauf gibt, daß das Unternehmen in seinem Eigentum steht. Er will damit keineswegs, wie er es im Revisionsrekurs behauptet, den Zustand der Firmenwahrheit wieder herstellen.

Unter diesen Umständen kann nicht gesagt werden, daß die Entscheidungen der Untergerichte offenbar dem Gesetze widersprächen. Eine offenbare Gesetzwidrigkeit liegt nämlich nur vor, wenn die zur Beurteilung gestellte Frage im Gesetz so klar gelöst wäre, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann, und trotzdem eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wurde (SZ 39/103 u v a). Ebensowenig kann gesagt werden, daß die Entscheidungen der Untergerichte etwa mit den Grundprinzipien des Rechtes im Widerspruch stunden (SZ 23/289 u a). Das Gesetz läßt sich vielmehr durchaus logisch im Sinne der Untergerichte auslegen. Daß allein der Österreichische Bundesverlag für Unterricht, Wissenschaft und Kunst durch eine besondere Gesetzesbestimmung berechtigt wäre, ein Unternehmen unter einer reinen Sachfirma ohne Hinweis auf seine Organisationsform und seinen wahren Eigentümer unter Mißachtung der gesetzlichen Ausnahmeregelung des § 22 HGB zu führen, wird nicht einmal behauptet.

Da der Revisionsrekurs somit keine offenbare Gesetzesverletzung durch die Untergerichte darlegen kann, ist er als unzulässig zurückzuweisen.

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