OGH 8Ob215/70

OGH8Ob215/7013.10.1970

SZ 43/174

Normen

ABGB §1042
Verordnung über die Einführung fürsorgerechtlicher Vorschriften im Lande Österreich §17 Abs2
Fürsorgepflichtverordnung §25 Abs2
ABGB §1042
Verordnung über die Einführung fürsorgerechtlicher Vorschriften im Lande Österreich §17 Abs2
Fürsorgepflichtverordnung §25 Abs2

 

Spruch:

Auch auf den Rückersatz erschlichener Fürsorgeleistungen finden § 25 Abs 2 FürspflV und § 17 Abs 2 FürsEV Anwendung

OGH 13. Oktober 1970, 8 Ob 215/70 (OLG Linz 4 R 75/70; LG Linz 3 Cg 260/68)

Text

Der klagende Bezirksfürsorgeverband hat in der Zeit vom 1. Jänner 1965 bis 30. November 1968 dem Erstbeklagten, der ebenso wie seine Ehegattin, die Zweitbeklagte, blind ist, Fürsorgeleistungen in Höhe von insgesamt 95.944 S erbracht. Er begehrt die Rückzahlung dieses Betrages von den Beklagten. Er stützt diesen Anspruch darauf, daß die Zweitbeklagte während des ganzen Zeitraumes dieser Fürsorgeleistungen auf Grund eines Leibrentenvertrages von ihrem Bruder Wilhelm K monatlich 2000 S erhalten habe, was der klagenden Partei verschwiegen worden sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es hielt die Voraussetzungen für den geltend gemachten Rückersatzanspruch für gegeben. Den Einwand der Beklagten, der klagenden Partei fehle die Parteifähigkeit, erachtete das Erstgericht nicht für gerechtfertigt.

Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten wegen Nichtigkeit, die darauf gestützt worden war, daß der Klägerin die Parteifähigkeit mangle, verworfen. Die Parteifähigkeit der Bezirksfürsorgeverbände werde von der herrschenden Rechtsprechung (SZ 31/154, VwSlg NF 3935 u a) bejaht. An dem Weiterbestand der Ortsgemeindeverbände, zu denen auch die Bezirksfürsorgeverbände zu zählen seien, sei auch durch die oö GdO 1965 LGBl 45 nichts geändert worden. Der Bezirksfürsorgeverband werde durch den Bezirkshauptmann vertreten, der im vorliegenden Fall die dem Klagevertreter erteilte Vollmacht gefertigt habe. Wenn als klagende Partei in der Klage die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land, Bezirksfürsorgeverband, angeführt werde, so handle es sich dabei nur um eine unrichtige Parteibezeichnung, die bei Fehlen eines entsprechenden Antrages von Amts wegen richtigzustellen sei.

Im übrigen gab das Berufungsgericht der Berufung der Beklagten Folge. Es hob das Urteil der ersten Instanz unter Rechtskraftvorbehalt auf. Das Erstgericht sei zu Unrecht nicht auf die Einwendung der Beklagten eingegangen, sie verfügten nicht über hinreichendes Vermögen oder Einkommen, um die erhaltenen Fürsorgebeträge zurückzahlen zu können, zumal sie zufolge ihrer Erblindung für jeden Handgriff fremde Hilfe benötigten. In diesem Belange bedürfe es im Hinblick auf die Bestimmungen des § 25 Abs 2 der FürspflV und des § 17 Abs 2 FürsEV ergänzender Erörterungen und Feststellungen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der klagenden Partei gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Was zunächst die Bezeichnung der klagenden Partei und deren Parteifähigkeit anlangt, so kommt, wie schon das Berufungsgericht zutreffend hervorgehoben hat, als klagende Partei nicht etwa die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land als Verwaltungsbehörde in Betracht. Eine solche Parteibezeichnung war auch in der Klage gar nicht beabsichtigt, wie der Zusatz "Bezirksfürsorgeverband" eindeutig zeigt. Bezirksfürsorgeverbände als Ortsgemeindeverbände sind aber, wie schon das Berufungsgericht unter Hinweis auf die herrschende Rechtsprechung zutreffend ausgeführt hat, parteifähig. Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, daß sich daran auch durch die oö GdO 1965 nichts geändert hat. Beizupflichten ist auch der Ansicht des Berufungsgerichtes, daß der Bezirksfürsorgeverband vom Bezirkshauptmann vertreten werde, welchem Erfordernis im vorliegenden Fall entsprochen worden sei. Die Parteibezeichnung der klagenden Partei konnte daher richtiggestellt werden.

Die klagende Partei versucht darzutun, daß es der vom Berufungsgericht für erforderlich gehaltenen Erörterung und Feststellung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Beklagten nicht bedürfe. Sie meint, die Bestimmungen der §§ 25 ff FürspflV, die lediglich Spezialnormen im Rahmen des § 1042 ABGB seien, kämen im vorliegenden Fall nicht uneingeschränkt zur Anwendung. Eine Bedachtnahme auf die wirtschaftliche Lage des Rückersatzpflichtigen komme nur dann in Betracht, wenn - wie dies in der Regel der Fall sei - der Rückersatz deshalb beansprucht werde, weil der Befürsorgte nachträglich zu Vermögen gekommen sei. Im vorliegenden Fall seien aber die Fürsorgeleistungen durch unwahre Angaben erschlichen worden. Die Klage sei daher ihrer rechtlichen Natur nach auch eine Schadenersatzklage. Im Rahmen des Schadenersatzes könne aber auf die wirtschaftliche Lage des Ersatzpflichtigen nicht Bedacht genommen werden.

Der Rückersatz von Leistungen, die, wie im vorliegenden Fall, auf Grund der FürspflV erbracht wurden, vom Unterstützten, dessen Ehegatten und Erben ist in den Bestimmungen der §§ 25 und 25 a FürspflV geregelt. Diese Regelung der auf einem durch die Unterstützung begrundeten Schuldverhältnis beruhenden Ersatzpflicht ist erschöpfend (vgl Fleischmann - Jaeger - Jehle. Die öffentliche Fürsorge[4], 502). Aus der Bestimmung des § 1042 ABGB, die nur ergänzende Funktion hat und grundsätzlich dann nicht in Betracht kommt, wenn die Vermögensverschiebung zwischen dem Verkürzten und dem Bereicherten einen anderen ausreichenden Rechtsgrund findet oder sonst durch das Gesetz gerechtfertigt oder geregelt ist (vgl EvBl 1966/444 und die dort angeführte weitere Judikatur und Literatur), kann nichts für den Standpunkt der klagenden Partei abgeleitet werden.

Nach dem Sinn und Zweck der Bestimmungen des § 25 Abs 2 FürspflV und des § 17 Abs 2 FürsEV, nämlich zu verhindern, daß die Durchführung des Rückersatzes zu einer Hilfsbedürftigkeit, bzw zu einer neuerlichen Hilfsbedürftigkeit des Ersatzpflichtigen führt (vgl EvBl 1959/176 u a), kommt aber auch die Heranziehung schadenersatzrechtlicher Gesichtspunkte nicht in Betracht. Denn den angeführten, ganz allgemein gehaltenen Bestimmungen kann nicht entnommen werden, daß der Gesetzgeber einen Unterschied zwischen berechtigterweise bezogenen und erschlichenen Fürsorgeleistungen machen wollte. Die vom Berufungsgericht angeordnete Verfahrensergänzung ist daher keineswegs entbehrlich.

Dem Rekurs war demnach der Erfolg zu versagen.

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