Spruch:
Die Erhöhung des mit pflegschaftsbehördlich genehmigten Vergleich der Eltern festgesetzten Unterhaltsanspruches des Kindes ist auch ohne Änderung der Verhältnisse möglich
OGH 8. September 1970, 8 Ob 178/70 (LGZ Wien 43 R 747/69; BG Fünfhaus 2 P 63/69)
Text
Die Ehe der Eltern des Kindes ist geschieden. Anläßlich der Scheidung haben die Kindeseltern am 5. Dezember 1968 einen Vergleich geschlossen, der auch das Verhältnis zu dem aus der Ehe stammenden Kind Sieglinde Maria P zum Gegenstand hatte. Das Kind sollte in Pflege und Erziehung der Mutter verbleiben, der Vater sollte ab 1. Dezember 1968 einen monatlichen Unterhalt von 400 S, einschließlich der Kinderbeihilfe, zu Handen der Mutter bezahlen. Für ihre Person verzichtete die Mutter auf Unterhalt. Dieser Vergleich wurde hinsichtlich der mj Sieglinde vom Pflegschaftsgericht genehmigt. Im April 1969 stellte die Mutter beim Pflegschaftsgericht den Antrag, sie zur besonderen Sachwalterin für das Kind zu bestellen und den ehelichen Vater ab 1. Mai 1969 zu einem 15% seines jeweiligen Nettoeinkommens entsprechenden Unterhalt zuzüglich der Familienbeihilfe zu verhalten. Sie brachte vor, sie sei sich im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses nicht im klaren gewesen, wieviel sie für das Kind werde aufwenden müssen. Außerdem werde sie das Kind in Kürze in einen Kindergarten bringen müssen, wodurch zusätzliche Kosten aufliefen.
Das Erstgericht bestellte die Kindesmutter zur besonderen Sachwalterin für das Kind und verpflichtete den Vater zu einer Unterhaltsleistung für das Kind in Höhe von 500 S monatlich, zuzüglich der Familienbeihilfe und der Sonderzahlung hiezu.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters Folge. Es hob den Beschluß der ersten Instanz, der hinsichtlich eines Unterhaltsbetrages von 267 S monatlich, zuzüglich der Familienbeihilfe und der Sonderzahlung hiezu, unangefochten geblieben war, im übrigen, also hinsichtlich des Betrages von 233 S auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es war der Ansicht, eine Erhöhung des Unterhaltes komme nur bei entsprechender Änderung der Verhältnisse seit dem Vergleich vom 5. Dezember 1968, wie etwa im Falle einer Erhöhung des Einkommens des Vaters oder der Bedürfnisse des Kindes oder einer Geldentwertung, in Betracht. Falls nicht eine Erhöhung der Bedürfnisse des Kindes oder eine Geldentwertung eine andere Regelung erforderlich machten, sei der Unterhalt in ein solches Verhältnis zum derzeitigen Einkommen des Vaters zu setzen, das dem Verhältnis zur Zeit des Vergleiches entspreche. Es seien daher insbesondere Feststellungen über die Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Vaters zur Zeit des Vergleichsabschlusses erforderlich.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der zur besonderen Sachwalterin des mj Kindes bestellten ehelichen Mutter desselben Folge und änderte den Beschluß des Rekursgerichtes dahin ab, daß die erstinstanzliche Entscheidung wiederhergestellt wurde.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Zulässigkeit des Revisionsrekurses steht die Bestimmung des § 14 Abs 2 zweiter Fall AußStrG nicht entgegen. Denn hier handelt es sich nicht um eine Bemessungsfrage, sondern darum, ob - wie das Rekursgericht angenommen hat - eine von der vergleichsweisen Regelung vom 5. Dezember 1968 abweichende Unterhaltsfestsetzung nur bei entsprechender Änderung der Verhältnisse seit diesem Vergleich zulässig ist. Die Frage, inwieweit die Bemessung des gesetzlichen Unterhaltes von der Wirksamkeit oder der Auslegung einer vertraglichen Regelung abhängt, steht die Beurteilung des Obersten Gerichtshofes offen (JB 60 neu).
Der Revisionsrekurs ist begrundet.
Der Ansicht des Rekursgerichtes, der Unterhalt sei, soweit nicht etwa eine Erhöhung der Bedürfnisse des Kindes oder eine Geldentwertung eine andere Regelung erforderlich machten, in ein solches Verhältnis zum Einkommen des Vaters zu setzen, das dem Verhältnis im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses entspreche, kann nicht beigepflichtet werden. Die vom Rekursgericht angenommene Festlegung des Verhältnisses des Unterhaltes des Kindes zum Einkommen des Vaters durch die zwischen den Eltern anläßlich der Scheidung getroffene Vereinbarung hätte zur Voraussetzung, daß diese Vereinbarung, soweit sie das Kind betrifft, für letzteres schlechthin verbindlich wäre. Dies ist nicht der Fall. Vermag eine solche Vereinbarung das Pflegschaftsgericht nicht einmal insoweit zu binden, als es sich um die Erziehung und Pflege und um das Besuchsrecht handelt (vgl SZ 20/55, Klang[2] I/2 53 FN 16), so muß dies umsomehr hinsichtlich des Unterhaltsanspruches des Kindes gelten. Die Mutter konnte den Unterhaltsanspruch des Kindes nicht dadurch schmälern, daß sie sich dem Vater gegenüber mit einem niedrigeren Betrag als dem begnügte, der dem Kind unter den gegebenen Verhältnissen zustand. Dies würde einen Eingriff in die Rechte des Kindes bedeuten. Daran ändert auch nichts, daß das Pflegschaftsgericht der Vereinbarung der Eltern, soweit sie das Kind betraf, die Zustimmung erteilte. Dadurch wurde nicht der Unterhaltsanspruch des Kindes, dessen Grundlagen, soweit es sich um die Leistungsfähigkeit des Vaters handelte, gar nicht näher geprüft wurden, in einer das Kind und das Pflegschaftsgericht bindenden Weise geregelt. Wenn das Pflegschaftsgericht nunmehr über Antrag des durch einen besonderen Sachwalter vertretenen Kindes dessen Unterhalt unter Bedachtnahme auf die Bedürfnisse des Kindes und die Leistungsfähigkeit des Vaters festsetzt, so muß es dabei nicht von dem zur Zeit des Abschlusses des Übereinkommens zwischen den Kindeseltern bestandenen Verhältnis zwischen dem Einkommen des Vaters und dem Unterhalt des Kindes ausgehen.
Der Unterhaltsfestsetzung durch das Erstgericht liegt ein Einkommen des Vaters von 3700 S monatlich zugrunde. Der Vater, der derzeit sonst für niemand zu sorgen hat, hat in seinem Rekurs gegen den erstgerichtlichen Beschluß diese Feststellung des Erstgerichtes über die Höhe seines Einkommens nicht bekämpft. Er hat im wesentlichen nur geltend gemacht, daß er monatlich 1000 S für die Rückzahlung eines zur Beschaffung der Ehewohnung aufgenommenen Kredites verwenden müsse und daß im übrigen das erst eineinhalb Jahre alte Kind eines höheren als des von ihm angebotenen Unterhaltes gar nicht bedürfe.
Der vom Erstgericht festgesetzte Unterhalt kann aber insbesondere im Hinblick auf den Umstand, daß die Mutter gezwungen ist, einem Erwerbe nachzugehen, was erfahrungsgemäß mit höheren Aufwendungen für die Pflege des Kindes verbunden ist, nicht als überhöht angesehen werden. Er steht auch in einem angemessenen Verhältnis zum Einkommen des Vaters.
Es war daher in Abänderung des angefochtenen Beschlusses die Unterhaltsfestsetzung der ersten Instanz wieder herzustellen.
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