Spruch:
Das Wissen oder Wissenkönnen eines Kollektivvertreters ist dem Machtgeber wie jenes eines Einzelvertreters anzurechnen
OGH 1. Juli 1970, 7 Ob 117/70 (OLG Wien 5 R 60/70; LGZ Wien 37 c Cg 141/69)
Text
Dem Rechtsstreit liegt folgender Sachverhalt zu Gründe:
Der Erstbeklagte Ing Franz G war Geschäftsführer und Gesellschafter der G & Co Goldwarenerzeugungsgesellschaft mit beschränkter Haftung, die ihren Standort in Wien 7, W-Straße 8 und in Wien 1, O-Ring 1 hat. Diese Gesellschaft befindet sich in Liquidation. Am 13. Juli 1967 meldete die drittbeklagte Partei, die G Kommanditgesellschaft, die ihren Standort in Wien 18, T-Gasse 23 hat, ihre Gewerbe an und wurde am 15. März 1968 registriert. Der Erstbeklagte ist Kommanditist, die Zweitbeklagte Komplementär dieser neuen Gesellschaft. Der Erstbeklagte brachte in die neue Gesellschaft aus der in Liquidation befindlichen Gesellschaft Maschinen ein, die zugunsten der Klägerin für eine Forderung von über 251.000 S, die ihr gegen die Firma G & Co Goldwarenerzeugungs-GmbH zusteht, am 22. Februar 1967 gepfändet worden waren. Als versucht wurde, am neuen Standort die Exekution zu vollziehen, wurde dies vom Betriebsleiter der Drittbeklagten, namens S, verhindert.
Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin die Verurteilung der drei Beklagten, den Vollzug der Exekution an den unter PZ 1 bis 20 im Pfändungsprotokoll verzeichneten Maschinen zu dulden. Die Beklagten wendeten im wesentlichen ein, auf den Maschinen bestunden vorgehende Pfandrechte zugunsten Dris. H und des Bankhauses F & Co. Diese beiden könnten jederzeit exszindieren, sodaß die Exekution der Klägerin ergebnislos wäre.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren, soweit es gegen die zweit- und drittbeklagte Partei gerichtet ist, statt und wies es gegenüber dem Erstbeklagten ab. Es führte aus, ein gutgläubiger Erwerb an den Maschinen liege auf Seite der drittbeklagten Partei nicht vor, weil der Erstbeklagte, der Einzelprokurist der Drittbeklagten sei, gewußt habe, daß die eingebrachten Maschinen für eine Forderung der klagenden Partei gepfändet worden seien. Die vorangehenden Pfandrechte stunden einem Exekutionsvollzug nicht entgegen. Da der Betriebsleiter der Drittbeklagten den Vollzug der Exekution gehindert habe, sei das Klagebegehren gegenüber dieser Partei und der Zweitbeklagten begrundet. Der Erstbeklagte sei dagegen nur Kommanditist und damit von der Geschäftsführung der Drittbeklagten ausgeschlossen.
Das Berufungsgericht gab der von der zweit- und drittbeklagten Partei erhobenen, gegen den stattgebenden Teil des Urteils gerichteten Berufung Folge und hob das Ersturteil in diesem Umfang unter Rechtskraftvorbehalt auf. Es führte im wesentlichen aus, die Bestimmungen des § 367 ABGB über den gutgläubigen Erwerb kämen nicht zur Anwendung, weil die gepfändeten Maschinen nicht von der Klägerin als Pfandgläubigerin der G & Co GmbH anvertraut worden seien. Es seien daher die Bestimmungen des § 366 HGB heranzuziehen. In dieser Richtung mangle es aber an Feststellungen. Aus der Tatsache, daß dem Erstbeklagten das Pfandrecht der Klägerin bekannt war, könne noch nicht auf die Schlechtgläubigkeit der Drittbeklagten beim Erwerb der Maschinen geschlossen werden. Ein solcher Schluß wäre nur dann gerechtfertigt, wenn der Erstbeklagte zur Zeit der Einbringung der Maschinen Geschäftsführer bzw Einzelprokurist der Drittbeklagten gewesen wäre, was aber nicht feststehe, da die Klägerin selbst behauptet habe, der Erstbeklagte sei erst seit 17. April 1968 Einzelprokurist der Drittbeklagten. Auch müsse geprüft werden, ob die sonstigen Voraussetzungen des § 366 Abs 2 HGB vorliegen, nämlich ob der Erstbeklagte Kaufmann ist und die Veräußerung der Maschinen im Betrieb seines Handelsgewerbes vorgenommen hat oder ob er die Maschinen etwa nur zum Gebrauch eingebracht hat, denn nur bei gutgläubigem Eigentumserwerb sei das Pfandrecht erloschen. Guter Glaube würde der Drittbeklagten allerdings nicht nur dann fehlen, wenn ihr der Bestand es Pfandrechtes bestimmt bekannt war, sondern auch dann, wenn ihre Unkenntnis auf grober Fahrlässigkeit beruhe.
Der Oberste Gerichtshof hob den von der klagenden Partei angefochtenen Beschluß des Berufungsgerichtes auf und trug dem Berufungsgericht die Entscheidung in der Sache auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Gemäß § 367 ABGB erwirbt derjenige Eigentum, der eine bewegliche Sache redlich von einem zu diesem Verkehr befugten Gewerbsmann oder gegen Entgelt von jemandem an sich gebracht hat, dem sie der Eigentümer selbst zum Gebrauch, zur Verwahrung oder in was immer für einer anderen Absicht anvertraut hat. Der Gewerbsmann muß zu diesem Verkehr befugt sein. Wer anläßlich der Liquidierung eines Unternehmens dessen Einrichtung erwirbt, kann sich also, wenn der Veräußerer zum Handel mit solchen Gegenständen nicht befugt war, auf § 367 ABGB nicht berufen (SZ 10/144). Der Fall des Anvertrauens kommt hier, wie bereits das Berufungsgericht ausgeführt hat, nicht in Betracht, weil es sich darum handelt, ob die Gegenstände pfandfrei erworben wurden und sie nicht von der Pfandgläubigerin der Veräußerin anvertraut worden waren.
Nach § 366 HGB muß die Veräußerung im Betrieb des Handelsgewerbes eines Kaufmannes erfolgen. Das Pfandrecht eines Dritten erlischt in diesem Fall, wenn der Erwerber gutgläubig war, die Sache sei lastenfrei. Der gute Glaube wird hier allerdings nur durch grobe Fahrlässigkeit ausgeschlossen. Im Unterschied zu § 367 ABGB braucht der Kaufmann nach § 366 HGB nicht die Berechtigung zum Gewerbebetrieb haben, es ist damit also auch die Veräußerung von Waren gedeckt, mit denen der Veräußerer nicht gewerbsmäßig Handel betreibt. Es muß sich aber um eine Veräußerung im Betrieb des Handelsgewerbes handeln. Es genügt, wenn die Veräußerung auf Seite des Veräußerers ein Handelsgeschäft ist. Da auch Liquidationsgeschäfte Handelsgeschäfte sind und die Veräußerung der Maschinen im Zuge der Liquidierung der alten Gesellschaft erfolgte, wird diese Voraussetzung des § 366 HGB - falls hier überhaupt eine Veräußerung erfolgte - im vorliegenden Fall gegeben (SZ 28/171). Wurden aber die Maschinen nur zum Gebrauch eingebracht, dann ist, wie bereits das Berufungsgericht ausgeführt hat, das Pfandrecht keinesfalls erloschen.
Die wesentliche Voraussetzung für die Anwendbarkeit der §§ 367 ABGB und 366 HGB ist aber die Gutgläubigkeit desjenigen, der eine Sache entgeltlich erwirbt. Was nun die Gutgläubigkeit der Erwerberin der Maschinen, also der Drittbeklagten anlangt, ist diese von der Gutgläubigkeit der persönlich haftenden Gesellschafter und der geschäftsführungsbefugten Personen abhängig, wobei allerdings der Zeitpunkt der Erwerbung der Maschinen maßgebend ist. Wie aus dem Handelsregisterakt ersichtlich ist, hat die Kommanditgesellschaft am 1. Juli 1967 begonnen. Vertretungsbefugt war die persönlich haftende Gesellschafterin Maria Magdalena G. Gleichzeitig wurde Ing Franz G und Dipl-Kfm Gert L die Gesamtprokura erteilt, mit dem Recht, die Firma gemeinsam zu vertreten. Der Erstbeklagte war also schon bei Gründung der Gesellschaft deren Prokurist, wenn auch nicht allein. Jeder Gesamtprokurist ist befugt, die Gesellschaft passiv zu vertreten. Allgemein gilt der Satz, daß mit Wirkung gegenüber dem Vertretenen auch bloß an einen Gesamtvertreter Willenserklärungen abgegeben und Zustellungen behändigt werden können. Damit stimmt aber überein, daß das Wissen oder Wissenkönnen eines Kollektivvertreters dem Machtgeber wie jenes eines Einzelvertreters anzurechnen ist. Die Schlechtgläubigkeit des Erstbeklagten als Prokurist der Drittbeklagten bei Einbringung der Maschinen über deren Belastung mit Pfandrechten bedingt daher auch die Schlechtgläubigkeit der Drittbeklagten. Da die Schlechtgläubigkeit des Erstbeklagten feststeht, bedarf es keiner weiteren Beweisaufnahmen, sondern ist die Sache im Sinne einer Bestätigung des Ersturteils spruchreif. Die Zweitbeklagte haftet als Komplementär für die Verbindlichkeit der Drittbeklagten persönlich, das Klagebegehren ist daher auch ihr gegenüber berechtigt.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)