OGH 7Ob62/70

OGH7Ob62/7029.4.1970

SZ 43/85

Normen

AktG §152
AktG §153
AktG §152
AktG §153

 

Spruch:

Für das Verlangen auf Zuteilung neuer Aktien gem § 153 Abs 1 AktG besteht - anders als für die Zeichnung dieser Aktien - keine Formvorschrift

OGH 29. April 1970, 7 Ob 62/70 (OLG Wien 2 R 273/69; KG Krems/Donau 1 Cg 59/69)

Text

In der Hauptversammlung der erstbeklagten Aktiengesellschaft vom 26. Juni 1969 wurde die Erhöhung des Grundkapitals der Erstbeklagten um

1.5 Mill. S auf 4.5 Mill. S durch Ausgabe von 750 Stück neuer Inhaberaktien zum Nennbetrag von 2000 S beschlossen. Durch Verlautbarung in der Wiener Zeitung wurden die Aktionäre eingeladen, ihr Bezugsrecht auf die neuen Aktien zwecks Vermeidung des Ausschlusses in der Zeit vom 24. Juli 1969 bis 7. August 1969 durch Zeichnung eines ihrem Anteil am bisherigen Grundkapital entsprechenden Teiles der neuen Aktien in den Räumen der Gesellschaft auszuüben. Im Auftrag des Rechtsanwaltes Dr Oskar W als Vertreter des Klägers zeichnete Dkfm Franz D, Vorstandsmitglied der Erstbeklagten und Schwager des Klägers, am 7. August 1969 für den Kläger mit Zeichnungsschein 248 Stück Aktien zum Nominale von je 2000 S, wobei er den Zeichnungsschein mit seinem Namen für den Kläger mit einem auf die Vertretung hinweisenden Zusatz unterschrieb. Eine schriftliche Vollmacht wurde der Gesellschaft nicht vorgelegt. Der Zeichnungsschein langte noch am 7. August 1969 bei der Erstbeklagten ein.

Mit Beschluß vom 19. August 1969 teilte die Erstbeklagte 248 Stück der neuen Aktien der Zweitbeklagten zu, weil sie die Auffassung vertrat, daß der von Dkfm D unterfertigte Zeichnungsschein mangels Vorlage einer entsprechenden Vollmacht nicht rechtsgültig sei und der Kläger daher die Zeichnungsfrist versäumt habe. Die Durchführung der Kapitalerhöhung, und zwar in Ansehung der gegenständlichen 248 Stück Aktien unter Vorlage eines Zeichnungsscheines der Zweitbeklagten, wurde am 3. September 1969 ins Handelsregister eingetragen.

Mit seiner am 22. September 1969 beim Erstgericht überreichten Klage begehrte der Kläger unter anderem die Verurteilung der Erstbeklagten zur Zuteilung der gegenständlichen 248 Stück neuen Aktien an den Kläger, weil die von ihm durch einen Vertreter vorgenommene Zeichnung rechtsgültig erfolgt sei und die Erstbeklagte sich darüber gesetzwidrig hinweggesetzt habe. Gleichzeitig beantragte er zur Sicherung dieses Anspruches die einstweilige Verfügung, der Erstbeklagten für die Dauer des Rechtsstreites jede rechtsgeschäftliche Verfügung über die genannten Aktien zu verbieten, weil sein Anspruch bei Übergabe der Aktien an die Zweitbeklagte, welche für einen unbekannten Klienten einschreite, ernstlich gefährdet wäre.

Die beklagten Parteien sprachen sich gegen diesen Antrag aus.

Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung für den Fall des Erlages einer Sicherheitsleistung von 496.000S.

Das Rekursgericht wies den darauf gerichteten Antrag des Klägers ab.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Klägers als der gefährdeten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Mit Recht wendet sich der Kläger allerdings gegen die Auffassung des Rekursgerichtes, daß er schon infolge der Handelsregistereintragung vom 3. September 1969 keinen Erfüllungsanspruch geltend machen, sondern nur Schadenersatzansprüche wegen Nichterfüllung stellen könne. Die für diese Auffassung vom Rekursgericht herangezogene Belegstelle bei Gadow - Heinichen[2] (Fischer), Großkommentar zum Aktiengesetz II, Anm 21 zu § 153, hat ebenso wie die sonstigen auf die Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland abgestellten Lehrmeinungen ihre Grundlage in der Bestimmung des § 280 Abs 1 BGB, wonach auch bei einer vom Schuldner zu vertretenden nachträglichen Unmöglichkeit der Leistung der Gläubiger keinen Anspruch auf Erfüllung, sondern lediglich Schadenersatzansprüche wegen Nichterfüllung besitzt. Hingegen normiert die in Österreich geltende Bestimmung des § 1447 ABGB den Wegfall der Verbindlichkeit des Schuldners nur bei zufälliger (unverschuldeter) Unmöglichkeit der Leistung. Nach österreichischem Recht besteht daher die Verpflichtung des Schuldners zur Übergabe der geschuldeten Sache an den Gläubiger grundsätzlich ungeschmälert fort, falls er die Sache vertragswidrig an einen Dritten weitergibt. (Spruch 48 neu - SZ 30/33, JBl 1958, 471 u a). Die Handelsregistereintragung vom 3. September 1969 stunde daher hier einer Bewilligung der beantragten einstweiligen Verfügung nicht entgegen.

Nach Auffassung des Obersten Gerichtshofes ist jedoch der vom Kläger behauptete Anspruch auf Zuteilung von 248 Stück neuer Aktien gegenüber der Erstbeklagten aus nachstehenden Gründen nicht als bescheinigt anzusehen:

Wie bereits das Erstgericht zutreffend ausführte, kann das dem Aktionär gemäß § 153 Abs 1 AktG eingeräumte Recht auf Zuteilung eines seinem bisherigen Grundkapital entsprechenden Teiles der neuen Aktien formlos durch eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung ausgeübt werden (Losert - Schiemer - Stadler, Manz-Sonderausgabe des AG. Anm. 3 zu § 153, Gadow - Heinichen[2] II 44. Godin - Wilhelmi, Kommentar zum AktG[3] 1055, Schlegelberger - Quassowski, Kommentar zum AktG[3] 739). Für dieses formlose Verlangen war in Ansehung des hier einschreitenden Vertreters die Einhaltung einer besonderen Formvorschrift nicht nötig, ferner schadete es angesichts des dargestellten Rechtscharakters einer einseitigen Erklärung auch nichts, daß der in Vertretung des Klägers handelnde Dkfm Franz D gleichzeitig Vorstandsmitglied der Erstbeklagten ist (vgl. Gschnitzer, Allgemeiner Teil, 228 u a).

Für die Zeichnung der neuen Aktien sieht hingegen die Bestimmung des § 152 AktG ausdrücklich eine schriftliche Erklärung vor, jede nicht dieser Form entsprechende Zeichnungserklärung wäre nichtig (ebenso Gadow - Heinichen[2] I, 181 und II, 40, Godin - Wilhelmi[3] 1047 u a). Auch die Abgabe der schriftlichen Zeichnungserklärung kann grundsätzlich durch einen Vertreter erfolgen (Gadow - Heinichen[2] I 179 u a), doch wäre es verfehlt, für den österreichischen Rechtsbereich die Auffassung der deutschen Lehre und Rechtsprechung (Gadow - Heinichen[2] I 179, Godin - Wilhelmi[3] 1047, RG 63, 97 u a) zu übernehmen, daß diese Vollmacht keiner Form bedürfe. Auch diese Auffassung beruht nämlich auf der positiven Gesetzesbestimmung des § 167 Abs 2 BGB, wonach für die Vollmachtserteilung die Einhaltung der für das abzuschließende Geschäft vorgeschriebene Form nicht erforderlich ist.

In Österreich fehlt eine derartige Bestimmung. Lehre und Rechtsprechung (Stanzl in Klang[2] IV/1, 806, Gschnitzer, Allg Teil 232, Ehrenzweig I/1[2] 272/73, Hupka. Die Vollmacht 116/118, Spruch 250, SZ 10/303, SZ 14/58, SZ 15/29, SZ 22/25, SZ 36/9 u a) vertreten hiezu übereinstimmend die Ansicht, daß der jeweilige Zweck der für das Ausführungsgeschäft bestehenden Formvorschrift dafür entscheidend ist, ob auch die Vollmacht der gleichen Form bedarf. Dient die Formvorschrift lediglich dazu, die Tatsache des Geschäftsabschlusses, bzw den Inhalt der getroffenen Vereinbarung in klarer Weise festzustellen, so bedarf die Vollmacht nicht der für das Ausführungsgeschäft vorgeschriebenen Form; soll hingegen durch die Formvorschrift die Authentizität des Parteiwillens oder die Ernstlichkeit des Dispositionswillens außer Zweifel gesetzt werden, so muß die Formvorschrift auch auf die Vollmacht ausgedehnt werden, falls für eine Partei ein Vertreter einschreitet (ebenso insbesondere Hupka und Stanzl aaO).

Die Zeichnungserklärung gemäß § 152 AktG dient der Feststellung der Ernstlichkeit des Parteiwillens, weil eine Zuteilung von Aktien nicht an eine Person erfolgen kann, von der nicht einwandfrei feststeht, daß sie die Aktien auch wirklich beansprucht (vgl. Godin - Wilhelmi[3] 1046 u a). Falls daher eine Zeichnungserklärung im Sinn des § 152 AktG durch einen Vertreter abgegeben wird, so ist zu ihrer Wirksamkeit das Vorliegen einer schriftlichen Vollmacht erforderlich.

Die grundsätzlich formlose Erklärung, das Bezugsrecht gemäß § 153 Abs 1 AktG auszuüben, begrundet die Verpflichtung zur Ausstellung einer dem § 152 AktG entsprechenden, also formgerechten schriftlichen Zeichnungserklärung (Gadow - Heinichen[2] II 44, Schlegelberger - Quassowski[3] 739). Wenn daraus auch nicht abzuleiten ist, daß jede Bezugsrechtsausübung erst mit der Vorlage einer schriftlichen Zeichnungserklärung wirksam wird (in diesem Sinne Ritter, Komm zum AktG[2] 490, dessen Ansicht jedoch mit Rücksicht auf die dargelegte Formlosigkeit des Verlangens gemäß § 153 Abs 1 AktG abzulehnen ist), so können doch das Recht auf die Zuteilung einerseits und die Verpflichtung zu einer wirksamen Zeichnung der neuen Aktien andererseits nicht auseinanderfallen (ebenso Schlegelberger - Quassowski[3] 741). Daraus ergibt sich jedenfalls, daß ein Aktionär trotz fristgerechter (formloser) Ausübung seines Bezugsrechtes im Sinn des § 153 Abs 1 AktG sein Recht auf Zuteilung neuer Aktien verliert, falls er einer etwaigen befristeten Aufforderung der Gesellschaft, eine entsprechende (formgebundene) Zeichnungserklärung im Sinn des § 152 AktG abzugeben, bis zu der nach fruchtlosem Fristablauf ergehenden Entscheidung der Gesellschaft über die Zuteilung nicht nachkommt (vgl. Godin - Wilhelmi[3] 1056 u a).

Im vorliegenden Fall hatte die Erstbeklagte die Einladung zur Ausübung des Bezugsrechtes mit der Aufforderung verbunden, innerhalb der gesetzten Frist auch die Zeichnung gemäß § 152 AktG vorzunehmen ( ... "durch Zeichnung" ... laut Verlautbarung in der Wiener Zeitung). An diese von der Gesellschaft für die Ausübung des Bezugsrechtes der Aktionäre festgesetzten Bedingung (deren Unzulässigkeit gar nicht behauptet wurde), war der Kläger bei Ausübung seines Bezugsrechtes gebunden) ebenso Schlegelberger - Quassowski[3] 740).

Wie bereits ausgeführt wurde, hätte die hier vorgenommene Zeichnungserklärung zu ihrer Wirksamkeit einer schriftlichen Vollmacht des für den Kläger einschreitenden Vertreters bedurft. Angesichts der bereits durch die Verlautbarung in der Wiener Zeitung erfolgten Aufforderung der Erstbeklagten war im Gegensatz zur Meinung des Erstgerichtes eine weitere Aufforderung entbehrlich, außerdem wurde vom Kläger nicht einmal behauptet, daß bis zur Entscheidung der Erstbeklagten über die Aktienzuteilung am 19. August 1969 die nach obigen Ausführungen erforderliche schriftliche Vollmacht vorgelegt oder wenigstens die Handlungsweise des Dkfm D vom Kläger gegenüber der Erstbeklagten schriftlich genehmigt worden wäre (damit erübrigt sich auch die Erörterung über eine allfällige Sanierbarkeit der erfolgten Zeichnungserklärung bis zum 19. August 1969).

Im vorliegenden Fall ist also davon auszugehen, daß die von der erstbeklagten Aktiengesellschaft in ihrer Verlautbarung in der Wiener Zeitung zur Bedingung der Bezugsrechtsausübung gemachte Zeichnungserklärung zur Zeit der Entscheidung über die Aktienzuteilung am 19. August 1969 vom Kläger nicht rechtswirksam abgegeben worden war, was nach den vorstehenden Ausführungen rechtlich dem völligen Unterlassen einer Zeichnungserklärung gleichzuhalten ist. Demzufolge war die Behandlung der gegenständlichen Aktien als "frei" und ihre Zuteilung an die Zweitbeklagte nicht rechtswidrig. Damit ist jedoch der vom Kläger erhobene Anspruch auf Zuteilung dieser Aktien nicht als bescheinigt anzusehen.

Da somit das Rekursgericht den Antrag des Klägers auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Ergebnis zutreffend abgewiesen hat, war dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

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