Spruch:
Neben dem Widerspruch ist gleichzeitig auch ein Rekurs des Gegners der gefährdeten Partei gegen die einstweilige Verfügung zulässig. Wird zuerst über den Widerspruch entschieden - und zwar im Sinne einer Abweisung dieses Rechtsbehelfs - und diese Entscheidung vom Gegner der gefährdeten Partei nicht bekämpft, dann ist nunmehr über seinen Rekurs zu entscheiden
OGH 28. April 1970, 4 Ob 319/70 (OLG Wien 3 R 38/70; HG Wien 11 Cg 1082/69)
Text
Die klagende Partei behauptete, der Beklagte habe im Oktober und November 1969 in den vielgelesenen Tageszeitungen Express und Kurier durch häufige Anzeigen folgenden Inhaltes geworben:
"Reifen + Batterien, 20% auf runderneuerte Reifen, Garantie; VW 216 S, Opel 218 S, Fiat 204 S, Cortina 202 S, Puch 500 176 S, Batterien:
24% unter Listenpreisen bei Altbatterienret.; VW 338 S, Opel 398 S, Peugeot 614 S. Ing E".
Die klagende Partei verband mit der Unterlassungsklage den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, in der dem Beklagten für die Dauer des Rechtsstreites beim Betrieb seines Autozubehör- und Autoreifeneinzelhandelsgeschäftes an Letztverbraucher die Ankündigung eines 3% übersteigenden Barzahlungsnachlasses für Autobatterien im Tausch gegen alte auch wertlose Autobatterien, sowie für Autoreifen gegen Vorlage von von ihm verteilten Einkaufskarten verboten werden soll. Ohne Vernehmung des Gegners erließ das Erstgericht die beantragte einstweilige Verfügung. Bezüglich der Autobatterien begrundete es seine Entscheidung u a damit, die Entgegennahme von Altbatterien auch ohne Wert bedeute im Einzelfall eine variable Rabattgewährung, die deshalb allein schon die Möglichkeit der Überschreitung des zulässigen Rabattausmaßes eröffne.
Gegen diese einstweilige Verfügung erhob der Beklagte und Gegner der gefährdeten Partei Widerspruch und Rekurs insoweit, als ihm verboten wurde, beim Betrieb seines Autozubehör- und Autoreifeneinzelhandelsgeschäftes an Letztverbraucher die Gewährung eines 3% übersteigenden Barzahlungsnachlasses für Autobatterien im Tausch gegen alte auch wertlose Autobatterien anzukundigen. In beiden Eingaben brachte er vor, einen Nachlaß von nur 4% für eine Autobatterie zu gewähren. Im Widerspruch führte er aus, er erhalte für eine zurückgenommene Altbatterie mehr als der 4%ige Preisnachlaß ausmache. Im Rekurs behauptete er die Mangelhaftigkeit des Verfahrens, weil das Erstgericht den Wert des Altmateriales der zurückzunehmenden Autobatterie nicht ermittelt habe.
Das Erstgericht verhandelte vor Vorlage des Rekurses über den Widerspruch und gab diesem mit rechtskräftigem Beschluß vom 12. Jänner 1970 nicht Folge. Es begrundete diesen Beschluß im wesentlichen damit, daß selbst unter Zugrundelegung des vom Beklagten erzielten Erlöses für eine alte VW-Batterie von 31.85 S der Nachlaß für eine in seiner Preisliste mit brutto 447 S angeführte neue VW-Batterie 77.15 S betrage und daher weit über dem zulässigen Rabatt von 3% liege. Diese Rabattgewährung werde in unzulässiger Höhe und nur einem bestimmten Personenkreis, nämlich jenen Käufern, welche Altbatterien hingeben, angekundigt. Er sei deshalb gesetzlich nicht zulässig.
Den nunmehr in Vorlage gebrachten Rekurs wies das Rekursgericht als unzulässig zurück, weil nach rechtskräftiger Entscheidung über den Widerspruch das Rekursgericht nur dann sachlich entscheiden könne, wenn Widerspruch und Rekurs von verschiedenen Parteien erhoben worden seien und verschiedene Angriffsziele hätten (SZ 28/39). Davon könne hier keine Rede sein. Rekurs und Widerspruch würden nicht nur von derselben Partei erhoben, sie hätten auch das gleiche Angriffsziel. Das Rekursgericht könne zufolge der Rechtskraft der Entscheidung über den Widerspruch auf die Rekursausführungen nicht mehr eingehen.
Infolge Rekurses des Beklagten und Gegners der gefährdeten Partei hob der Oberste Gerichtshof den angefochtenen Beschluß auf und trug dem Rekursgericht auf, unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund über den Rekurs gegen die vom Erstgericht erlassene einstweilige Verfügung zu entscheiden.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Gegner der gefährdeten Partei kann, falls er nicht bereits vor der Beschlußfassung einvernommen wurde, Widerspruch erheben (§ 397 Abs 1 EO). Dann ist über die Statthaftigkeit und Angemessenheit der bewilligten Verfügung mündlich zu verhandeln und durch Beschluß zu entscheiden (§ 398 Abs 1 EO). Wenn Widerspruch möglich ist, kann auch vom Widerspruchswerber Rekurs erhoben werden. Dies ist ein von der herrschenden Lehre und der Rechtsprechung anerkannter Grundsatz (Neumann - Lichtblau[3] II 1262, Pollak, System[2], 1053 (gegenteilig Sprung, Konkurrenz von Rechtsbehelfen, 101, seine Auffassung, es könne nur entweder Rekurs oder Widerspruch erhoben werden, wurde aber vom Obersten Gerichtshof im ähnlich gelagerten Fall der Rechtsbehelfe bei ausländischen Exekutionstiteln - § 83f EO - mit der Entscheidung EvBl 1968/242 abgelehnt); SprR 213 = GlUNF 6310). Wenn Widerspruch und Rekurs gegen die erlassene Verfügung erhoben werden, dann empfiehlt es sich, daß zuerst der Rekurs vorgelegt wird und erst nach dessen Erledigung über den Widerspruch entschieden wird, weil durch die Erledigung des Rekurses der Widerspruch häufig bedeutungslos wird (1 Ob 528/50 u a, Neumann - Lichtblau II 1262). Im vorliegenden Fall entschied das Erstgericht jedoch zuerst über den Widerspruch und legte dann den Rekurs vor. Mit Widerspruch wurde die einstweilige Verfügung insofern angefochten, als durch sie dem Gegner der gefährdeten Partei verboten wurde, beim Betrieb seines Autozubehör- und Autoreifeneinzelhandelsgeschäfts an Letztverbraucher die Gewährung eines 3% übersteigenden Barzahlungsnachlasses für Autobatterien in Tausch gegen alte auch wertlose Autobatterien anzukundigen. Im gleichen Umfange bekämpfte der Gegner der gefährdeten Partei die einstweilige Verfügung mittels Rekurs. Auch das angestrebte Ziel der beiden Rechtsmittel, nämlich die Beseitigung der einstweiligen Verfügung im Umfang der Anfechtung ist dasselbe.
Im Gegensatz zum Rekurs als einem einseitigen, keine Verteidigung des Gegners zulassenden Rechtsmittel sieht der Widerspruch zum Zwecke der Erörterung der gegen die einstweilige Verfügung vorgebrachten Einwendungen eine kontradiktorische Verhandlung vor. Das Erstgericht hat nun nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung dem Widerspruch keine Folge gegeben. Dieser Beschluß ist unangefochten geblieben. Trotzdem besteht aber weiterhin ein Rechtsschutzbedürfnis des Gegners der gefährdeten Partei an einer Überprüfung des mit Rekurs bekämpften Beschlusses des Erstgerichtes, demzufolge ein Unterlassungsanspruch der gefährdeten Partei im Zeitpunkt der Erlassung der einstweiligen Verfügung bescheinigt war, durch das Rekursgericht. Denn im Widerspruchsverfahren konnte nur das Erstgericht neuerlich unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Widerspruchsverfahrens über die Bewilligung der einstweiligen Verfügung entscheiden. Es muß nun dem Gegner der gefährdeten Partei überlassen bleiben, ob er es für zweckmäßig hält, gegen die Abweisung des Widerspruchs Rekurs zu erheben oder, etwa weil das Widerspruchsverfahren keine wesentliche Änderung der Entscheidungsgrundlagen brachte, den schon erhobenen Rekurs aufrecht zu erhalten. Dadurch, daß dem Widerspruch rechtskräftig keine Folge gegeben wurde, ist weder eine neue Entscheidung anstelle der ersten im Rekurs angefochtenen getreten noch ist diese endgültig rechtskräftig geworden, weil ja das neben dem Widerspruch zulässige Rechtsmittel des Rekurses sachlich noch unerledigt blieb. Darin, daß es der Gegner der gefährdeten Partei unterließ, die über den Widerspruch ergangene Entscheidung mit Rekurs zu bekämpfen, kann keineswegs ein Verzicht auf die Erledigung des schon vorher erhobenen Rekurses erblickt werden. Diese Auffassung steht auch nicht im Widerspruch zur Entscheidung SZ 28/39, weil auch dort trotz der vor Erledigung des Rekurses ergangenen Entscheidung über den Widerspruch das Rechtsmittel des Rekurses für zulässig erklärt wurde.
Das Rekursgericht wird daher über den Rekurs des Gegners der gefährdeten Partei zu entscheiden haben.
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