Spruch:
Zum Verhältnis von Rekurs und Widerspruch gegen eine einstweilige Verfügung.
Entscheidung vom 9. Februar 1955, 7 Ob 57/55.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:
Oberlandesgericht Graz.
Text
Zur Geschäftszahl 13 Cg 379/54 des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz erhob die klagende und gefährdete Partei gegen die beklagte Partei und Antragsgegnerin die Klage zur Abwehr von Eigentumsangriffen und Wiederherstellung des vorigen Zustandes hinsichtlich einer im gemeinsamen Eigentum der Streitteile stehenden Liegenschaft in Graz und des darauf befindlichen Betriebes.
Am 23. Dezember 1954 wurde über Antrag der klagenden Partei die einstweilige Verfügung erlassen, daß zur Sicherung ihres Anspruches der Antragsgegnerin verboten wurde, den gegenwärtigen Zustand am Gatterfundament in der großen Sägehalle der gegenständlichen Realität weiter zu ändern, und insbesondere verboten wurde, das neue Sägegatter in der Sägehalle aufzumontieren. Ferner wurde gemäß § 391 EO. verfügt, daß durch gerichtliche Hinterlegung eines Betrages von 25.000 S die Vollziehung der bewilligten Verfügung gehemmt und der Gegner der gefährdeten Partei zum Antrag auf Aufhebung der bereits vollzogenen Verfügung berechtigt werde.
Gegen die Festsetzung des Befreiungsbetrages erhob die gefährdete Partei Rekurs. Die Antragsgegnerin erhob gegen die einstweilige Verfügung Widerspruch. Mit dem Beschluß vom 31. Dezember 1954 wurde die einstweilige Verfügung in ihrem vollen Umfange bestätigt. Dieser Beschluß ist rechtskräftig.
Das Rekursgericht gab mit dem angefochtenen Beschluß dem Rekurs der gefährdeten Partei Folge und eliminierte den Ausspruch über den Befreiungsbetrag.
Der Oberste Gerichtshof stellte den Beschluß der ersten Instanz wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Was zunächst die verfahrensrechtliche Frage betrifft, welche Bedeutung dem Umstande zukommt, daß vor der Entscheidung über den Rekurs die Entscheidung über den Widerspruch erging und in Rechtskraft erwuchs, so pflichtet der Oberste Gerichtshof der Rechtsansicht des Rekursgerichtes bei, daß dies im vorliegenden Fall die Möglichkeit und Notwendigkeit, über den Rekurs zu entscheiden, nicht aufhob.
Dabei ist davon auszugehen, daß der Rekurs und der Widerspruch von verschiedenen Parteien erhoben wurden und auch verschiedene Angriffsziele hatten. Der Widerspruch der Gegnerin der gefährdeten Partei konnte sich nicht gegen die Zubilligung des Befreiungsbetrages als solchen richten, weil diese Verfügung zu ihren Gunsten getroffen wurde. Die Höhe wurde von ihr nicht angefochten. Durch den Widerspruch wird die einstweilige Verfügung nicht an sich schon außer Kraft gesetzt. Die über den Widerspruch ergehende Entscheidung stellt auch nicht eine gegenüber der einstweiligen Verfügung gänzlich neue und von ihr unabhängige Entscheidung dar; vielmehr kann damit über die einstweilige Verfügung nur im Rahmen der Anfechtungspunkte neu entschieden werden. Da im vorliegenden Fall die Festsetzung des Befreiungsbetrages vom Widerspruch nicht betroffen war, wurde mit der über ihn ergehenden Entscheidung auch keine neue Entscheidung über den Befreiungsbetrag getroffen. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß in die Entscheidung über den Widerspruch der volle Wortlaut der einstweiligen Verfügung und somit auch der Ausspruch über den Befreiungsbetrag wieder aufgenommen wurde. Dies war überflüssig und kann auch keine rechtlichen Wirkungen haben. Die Entscheidung über den Widerspruch hätte sich auf den Ausspruch beschränken können, daß die einstweilige Verfügung an sich bestätigt, jedoch von der Leistung einer Sicherheit von 20.000 S durch die gefährdete Partei abhängig gemacht werde. Insoweit sind also die Ausführungen im Revisionsrekurs verfehlt.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)