OGH 2Ob26/70

OGH2Ob26/705.2.1970

SZ 43/33

Normen

Arbeitsgerichtsgesetz §1 Abs1 Z2
Arbeitsgerichtsgesetz §1 Abs1 Z2

 

Spruch:

Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes bei Ansprüchen gegen einen Mitbediensteten wegen Unfalles auf einer Fahrt in dessen PKW zu gemeinsamer auswärtiger Arbeit

OGH 5. Februar 1970, 2 Ob 26/70 (OLG Graz 2 R 130/69; LGZ Graz 18 Cg 98/68)

Text

Der Kläger verlangt 75.400 S, weil er als Insasse des vom Beklagten gelenkten und diesem gehörigen PKW am 11. Mai 1965 bei einem Unfall während der Fahrt zwischen F und G verletzt worden sei. Der Beklagte habe den Unfall verschuldet. Er sei deswegen auch strafgerichtlich verurteilt worden. Weiters begehrt der Kläger die Feststellung der Ersatzpflicht des Beklagten für künftige Schäden.

Der Beklagte bestritt die Haftung für die Unfallsfolgen, weil ihm der Haftungsausschluß nach § 333 ASVG zustatten komme.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte fest, daß der Kläger etwa seit 1956 an der Musikschule F als Lehrer für Klavier und Akkordeon tätig war. Der Beklagte war Leiter dieser Schule; er war der dienstliche Vorgesetzte des Klägers. Der Kläger gab aber nicht nur in F, sondern auch in P Unterricht. Zwischen den Volksmusikschulen F und G bestand eine Arbeitsgemeinschaft; es wurden Lehrkräfte und Schüler nach Bedarf ausgetauscht. Der Unfall ereignete sich während einer Fahrt von F nach G zu einer Probe für ein im Rahmen dieser Arbeitsgemeinschaft geplantes Konzert. Es war schon vorher bei einer Konferenz besprochen worden, daß der Kläger zu dieser Probe am 11. Mai 1965 aus Zweckmäßigkeitsgrunden im (privaten) PKW des Beklagten mitfahren solle. Einen Auftrag, diese Fahrgelegenheit zu benützen, hatte er nicht; er hätte auch mit der Bahn fahren können. Das Erstgericht verneinte den Haftungsausschluß des Beklagten nach § 333 ASVG. Der Unfall habe sich nicht bei der Teilnahme des Klägers am allgemeinen Verkehr ereignet, weil er nicht ein öffentliches Verkehrsmittel, sondern ein Privatfahrzeug seines Dienstvorgesetzten benützt habe. Der Beklagte sei grundsätzlich dem Unternehmer gleichgestellt gewesen, er habe aber zur Unfallszeit keine für die Gleichstellung charakteristische Tätigkeit ausgeübt. Mit der Frage der Zuständigkeit befaßte sich das Erstgericht nicht.

Auf Berufung des Beklagten wies das Berufungsgericht das Klagebegehren ab. Es bejahte den Haftungsausschluß nach § 333 ASVG; es war der Ansicht, daß dafür genüge, daß der Beklagte die Fahrt im Rahmen seines betrieblichen Wirkungskreises unternommen habe. Die Frage nach der Zuständigkeit der Arbeitsgerichte wurde in den Gründen des Berufungsurteils verneint, weil es sich nur um einen Unfall auf dem Weg zur Arbeitsstätte handle; für Ansprüche aus solchen Unfällen sei die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte nicht gegeben.

Der Oberste Gerichtshof hob aus Anlaß der Revision der klagenden Partei die Urteile der Untergerichte und das vorangegangene Verfahren als nichtig auf und wies die Klage wegen Unzuständigkeit der ordentlichen Gerichte zurück; sachlich zuständig sei das Arbeitsgericht.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Beklagte hat in der Revisionsbeantwortung beantragt, von Amts wegen die Zuständigkeit zu prüfen und die Klage wegen Unzuständigkeit der ordentlichen Gerichte zurückzuweisen, jedenfalls der Revision nicht Folge zu geben.

Die Entscheidungen der Untergerichte und das vorangegangene Verfahren sind nichtig, weil für die Rechtssache die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte gegeben ist.

Diese Zuständigkeit ist gemäß §§ 42 Abs 1 JN, 240, 477 Abs 1 Z 3 ZPO in jeder Lage des Verfahrens wahrzunehmen (RZ 1963, 33). Die Bestimmung des § 45 JN ist nicht anwendbar (SZ 31/2 u a). Die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte ist u a gegeben für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Beschäftigten aus unerlaubten Handlungen, soweit diese mit dem Arbeitsverhältnis im Zusammenhang stehen (§ 1 Abs 1 Z 2 ArbGG). Der Kläger und der Beklagte waren beim selben Dienstgeber beschäftigt. Der Kläger leitet seinen Anspruch aus dem Verschulden des Beklagten am Unfall, somit aus einer unerlaubten Handlung, ab. Diese stand nach den Feststellungen mit dem Arbeitsverhältnis in einem inneren, sachlichen und nicht bloß äußerlichen, zufälligen Zusammenhang. Der Kläger hat nicht ein für den öffentlichen Verkehr bestimmtes Verkehrsmittel, sondern ein vom Mitbediensteten beigestelltes Fahrzeug benützt. Der Sachverhalt ist wesentlich von dem verschieden, welcher der Entscheidung 4 Ob 39/59 (Arb 7028 = JBl 1960, 26) zu Gründe lag. Aus der dort ausgesprochenen Ansicht, daß aus dem Vorliegen eines Wegunfalles im Sinne des ASVG allein noch nicht die Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes abgeleitet werden könne, ist für den vorliegenden Fall nichts gewonnen. Wenn auch der Kläger zur Mitbenützung des Fahrzeuges des Beklagten nicht verpflichtet war, so wurde diese doch vorher besprochen und für die Erledigung der gemeinsamen Tätigkeit, nämlich die Teilnahme an der Orchesterprobe, als zweckmäßig angesehen. Diese gemeinsame Arbeit bot Anlaß zur Begehung der unerlaubten Handlung, nämlich zur Herbeiführung des Unfalles während der Fahrt zu dieser Probe. Damit ist der Zusammenhang zwischen der unerlaubten Handlung und dem Arbeitsverhältnis bereits so, daß er die Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes i S der angeführten Gesetzesstelle begrundet (SZ 39/97).

Die Entscheidungen der Untergerichte und das vorangegangene Verfahren sind daher nichtig. Sie waren aufzuheben und die Klage zurückzuweisen; es war auch die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte zur Entscheidung auszusprechen (§ 5 ArbGG).

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