Normen
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §334
Arbeitsgerichtsgesetz §1 Abs2
JN §45 Abs1
Reichsversicherungsordnung §903
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §334
Arbeitsgerichtsgesetz §1 Abs2
JN §45 Abs1
Reichsversicherungsordnung §903
Spruch:
Keine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte für Regreßansprüche der Sozialversicherungsträger nach §§ 903 RVO., 334 ASVG. Die Rechtsmittelbeschränkung des § 45 Abs. 1 JN. gilt nicht für die Frage der Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes.
Entscheidung vom 3. Jänner 1958, 2 Ob 638/57.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Nach dem Prozeßvorbringen der klagenden Partei ereignete sich am 22. Dezember 1955 in einem Eisenwerk bei der Auswechslung eines Kranes ein Unfall, bei dem drei Arbeiter dieses Eisenwerkes verletzt wurden. Die klagende Sozialversicherungsanstalt anerkannte als Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung diese Unfälle als Arbeitsunfälle und erbrachte in diesem Zusammenhang auf Grund der Sozialversicherungsbestimmungen Leistungen im bisherigen Ausmaß von 9649 S 43 g. Die Klägerin behauptet, daß die drei Beklagten als dem Unternehmer im Sinne des § 899 RVO. (jetzt § 333 Abs. 4 ASVG.) Gleichgestellte anzusehen seien, und nimmt die Beklagten nach § 903 RVO. (jetzt § 334 ASVG.) auf Grund des dargelegten Sachverhaltes in Anspruch.
Das Erstgericht erklärte sich von Amts wegen für unzuständig und sprach aus, daß das Arbeitsgericht zuständig sei; die Klage werde daher wegen Unzuständigkeit des angerufenen Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien zurückgewiesen und das bisherige Verfahren werde als nichtig erklärt.
Dem Rekurs der klagenden Partei gab das Rekursgericht Folge, hob den erstinstanzlichen Beschluß auf und trug dem Erstgericht auf, unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund das Verfahren fortzusetzen.
Der Oberste Gerichtshof gab den Revisionsrekursen der beklagten Parteien nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die Revisionsrekurse sind zulässig. Der Beschluß der zweiten Instanz bedeutet nämlich eine Abänderung des erstgerichtlichen Beschlusses in der Frage der Arbeitsgerichtsbarkeit bzw. Zuständigkeit des angerufenen Gerichtshofes. Difforme Entscheidungen der Vorinstanzen unterliegen aber in der Regel der Überprüfung in dritter Instanz. Die Anfechtbarkeit des Beschlusses des Rekursgerichtes wird auch nicht durch die Vorschrift des § 45 Abs. 1 JN. ausgeschlossen. Denn wenn auch zufolge des Spruches Nr. 265 vom 21. November 1916 (Punkt 2) in Ansehung der die Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes bejahenden Entscheidungen in der bezogenen Gesetzesstelle der Rekurs ausgeschlossen wird, gleichviel ob dieselben von der ersten oder von der zweiten Instanz ergangen sind, wird doch vorliegendenfalls der Beschluß des Rekursgerichtes über die sachliche Zuständigkeit des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien nicht deshalb bekämpft, weil nach der Auffassung der Beschwerdeführer die Zuständigkeit eines anderen Gerichtshofes oder eines Bezirksgerichtes begrundet wäre, sondern deswegen, weil das Arbeitsgericht für diese Rechtssache zuständig sei. In dieser Hinsicht ist aber der Vorschrift des § 45 Abs. 1 JN. eine Rechtsmittelbeschränkung, die ja nicht weit auszulegen ist, nicht zu entnehmen.
Die also zulässigen Revisionsrekurse sind aber gemäß den folgenden Ausführungen nicht begrundet.
Die Beschwerdeführer bekämpfen die Entscheidung des Rekursgerichtes lediglich wegen unrichtiger Auslegung des § 356 ASVG., wobei sie geltend machen, daß durch diese Gesetzesstelle die Arbeitsgerichtsbarkeit keineswegs ausgeschlossen werden sollte. Im Sinne dieser Ausführungen der Revisionsrekurswerber ist nun tatsächlich der Spruch Nr. 49 neu (JBl. 1957 S. 627) ergangen, im Gegensatz zu der vom Rekursgericht bezogenen Entscheidung des OGH. JBl. 1956 S. 449 sowie ZVR. 1957 S. 116. Für den Standpunkt der Beschwerdeführer ist aber damit vorliegendenfalls nichts gewonnen. Denn die Klägerin hat in diesem Prozeß nicht Ansprüche als Rechtsnachfolgerin der verletzten Arbeiter gegen die drei Beklagten als die dem Unternehmer nach dem Klagevorbringen gemäß § 899 RVO. (jetzt § 333 Abs. 4 ASVG.) Gleichgestellten geltend gemacht; die Klägerin hat ja selbst darauf verwiesen, daß die Beklagten insoweit begünstigt seien, als Schadenersatzansprüche seitens der Dienstnehmer gegen sie aus diesem Arbeitsunfall überhaupt nicht erhoben werden könnten; Gegenstand dieses Prozesses sind vielmehr die sogenannten Rückgriffsansprüche des Sozialversicherungsträgers gegen die dem Unternehmer nach § 899 RVO. (jetzt § 338 Abs. 4 ASVG.) Gleichgestellten gemäß der Regelung des § 903 RVO. (§ 334 ASVG.). Dieser Rückgriffsanspruch steht dem Sozialversicherungsträger kraft eigenen Rechtes zu; er ist nicht wie der Anspruch des § 1542 RVO. (§ 332 ASVG.) erst im Wege der cessio legis auf den Träger der Sozialversicherung übergegangen (dementsprechend kann im Falle des § 903 RVO. bzw. § 334 ASVG. auch nicht das mitwirkende Verschulden des Verletzten dem Sozialversicherungsträger gegenüber mit Erfolg eingewendet werden; vgl. Geigel, Der Haftpflichtprozeß, 9. Aufl. S. 287, sowie § 334 Abs. 2 ASVG.). Daß es sich bei dem Anspruch nach § 334 ASVG. um einen originären Anspruch des Sozialversicherungsträgers handelt, hat auch der Bericht des Ausschusses für soziale Verwaltung zum ASVG. festgehalten; in dieser Hinsicht ist auf Gehrmann - Rudolph - Teschner, ASVG., S. 528, zu verweisen. Zutreffend ist im Rekurse der Klägerin gegen den erstinstanzlichen Beschluß auf die Natur des im vorliegenden Prozesse geltend gemachten Anspruches hingewiesen worden. Diesen Umstand haben die Revisionsrekurswerber völlig außer Betracht gelassen und sich nur mit der Auslegung des § 356 ASVG. auseinandergesetzt. Die Frage der Arbeitsgerichtsbarkeit kann aber von vorneherein nur dort aufgeworfen werden, wo ein Anknüpfungspunkt in den Zuständigkeitsvorschriften des ArbGerG. gegeben ist. Im Falle von Ansprüchen der Sozialversicherungsträger kann also die Arbeitsgerichtsbarkeit nur im Falle des Überganges von Schadenersatzansprüchen des beschädigten Versicherten auf den Sozialversicherungsträger (§ 1542 RVO. bzw. § 332 ASVG.) nach Maßgabe der etwa im einzelnen Fall gegebenen Einschränkung der Schadenersatzpflicht gegenüber dem Dienstnehmer (vgl. § 333 ASVG.) in Betracht kommen. Demgemäß weisen auch Gehrmann - Rudolph - Teschner a. a. O. in Anm. 2 zu § 356 ASVG. (S. 563) bei der Erörterung der Frage der Arbeitsgerichtsbarkeit bloß auf die Bestimmungen der §§ 332 und 333 ASVG., nicht auf § 334 ASVG. hin. Auch der Spruch Nr. 49 neu hatte ebenso wie die Entscheidung 2 Ob 287/56 einen Anspruch aus der Legalzession nach § 1542 RVO. bzw. § 332 ASVG. zum Gegenstand.
Bei der gegebenen Aktenlage erübrigt sich die nähere Erörterung der in den Revisionsrekursen aufgeworfenen Frage nach der Auslegung des § 356 ASVG. Denn auch wenn § 356 ASVG. gemäß dem Spruche Nr. 49 neu nicht als Sondervorschrift angesehen wird, für deren Geltungsbereich die Arbeitsgerichtsbarkeit ausgeschlossen ist, kommt die Arbeitsgerichtsbarkeit im vorliegenden Prozesse deswegen nicht in Betracht, weil keinerlei Anknüpfungspunkt aus dem ArbGerG. gegeben ist. Die Klägerin macht ja nicht, wie ausgeführt, Ansprüche als Rechtsnachfolgerin gemäß § 1 Abs. 2 ArbGerG. der in § 1 Abs. 1 bzw. § 2 Abs. 1 ArbGerG. genannten Beschäftigten geltend, sondern einen Anspruch nach § 903 RVO. bzw. § 334 ASVG. Die Ansicht der Revisionsrekurswerber ergäbe nichts anderes als die Ausdehnung der Arbeitsgerichtsbarkeit auf einen derartigen Anspruch des Sozialversicherungsträgers nach § 903 RVO. bzw. § 334 ASVG., die aber der Vorschrift des § 356 ASVG. auch auf der Grundlage des oberwähnten Spruches Nr. 49 neu nicht entnommen werden kann.
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