Spruch:
Der Wohnungseigentümer hat mangels einer anderslautenden Vereinbarung im Verhältnis seiner Miteigentumsanteile zum Erhaltungsaufwand beizutragen; über ein diesbezügliches Feststellungsbegehren hat der Streitrichter zu entscheiden.
Entscheidung vom 17. September 1969, 5 Ob 180/69.
I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Nach der unbestrittenen Behauptung der Kläger sind diese zu 1280/90.154 und 1430/90.154 und der Beklagte zu 27.107/90.154 Anteilen Miteigentümer einer Liegenschaft, auf der das Haus W., I.- Straße 11, errichtet ist. Mit den Miteigentumsanteilen der Kläger sowie mit einem Teil der Miteigentumsanteile des Beklagten ist das Wohnungseigentum an bestimmten Wohnungen dieses Hauses verbunden. In der vorliegenden Klage behaupten die Kläger, daß der Außenanstrich der Fenster- und Balkontüren dieses Hauses erneuerungsbedürftig geworden sei. Der Hausverwalter habe einen Kostenvoranschlag eingeholt, wonach die Behebung dieser Schäden voraussichtlich 66.078 S kosten werde. Es handle sich hiebei um Aufwendungen für die Liegenschaft als Ganzes, die gemäß § 8 (1) WEG. von sämtlichen Miteigentümern im Verhältnis ihrer Anteile zu tragen seien. Der Beklagte sei jedoch nur bereit, insoweit zu diesen Kosten beizutragen, als mit seinen Miteigentumsanteilen Wohnungseigentum verbunden sei. Die Kläger hätten daher ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung, daß der Beklagte als Miteigentümer dieser Liegenschaft nach dem Verhältnis seiner Anteile - und zwar auch, soweit mit diesen kein Wohnungseigentum verbunden sei - die Aufwendungen für die angeführte Reparatur zu tragen habe. Sie beantragen daher, die Verpflichtung des Beklagten in diesem Sinne mit Urteil auszusprechen.
Der Beklagte erhob die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges, weil es sich um eine Angelegenheit der Verwaltung des gemeinschaftlichen Hauses handle; über die Frage der Zulässigkeit und der Finanzierung der vorgesehenen Reparaturarbeiten habe daher der Außerstreitrichter zu entscheiden. Darüber hinaus bestritt der Beklagte das Feststellungsinteresse der Kläger, weil noch nicht sicher sei, ob die von den Klägern erwähnten Instandhaltungsarbeiten überhaupt durchgeführt würden. Jedenfalls habe der Beklagte und mit ihm die Mehrheit der Miteigentümer dem Hausverwalter die Durchführung der Arbeiten auf Kosten der Liegenschaftseigentümer verboten. Das Klagebegehren sei auch verfehlt, weil es nicht die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder Rechtes zum Gegenstand habe. Die Liegenschaft stehe im Miteigentum von mehr als zwanzig Personen. Da die Kläger nur etwa ein Dreißigstel der Anteile verkörperten und auch der Beklagte nur einen Bruchteil der Liegenschaft besitze, könnten die Kläger mit der vorliegenden Klage überhaupt nichts erreichen. Wohl aber stehe ihnen eine Leistungsklage offen, wenn sie nach Bezahlung der Reparaturarbeiten Rückforderungsansprüche an den Beklagten stellen wollten. Der Beklagte sei keineswegs verpflichtet, nach dem Verhältnis seiner Miteigentumsanteile, mit denen kein Wohnungseigentum verbunden ist, zur Erhaltung der Wohnungen des gemeinschaftlichen Hauses beizutragen. Diese Miteigentumsanteile des Beklagten bezögen sich auf den "Gebäudealtbestand", d. s. das Parterre des Hauses mit Geschäftslokalen und das Souterrain. Im übrigen sei das Haus nur ab dem ersten Stockwerk aus Mitteln des Wohnhauswiederaufbaufonds aufgebaut worden. Mangels einer Vereinbarung sämtlicher Miteigentümer seien die Wohnungseigentümer nicht verpflichtet, zur Erhaltung des "Gebäudealtbestandes" beizutragen; ebensowenig könne aber der Beklagte als Miteigentümer des Gebäudealtbestandes zur Instandhaltung der oberen Stockwerke herangezogen werden. Nur soweit er auch Wohnungseigentümer sei, treffe ihn eine solche Verpflichtung.
Das Erstgericht verwarf mit einem in sein Urteil aufgenommenen Beschluß die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges und erkannte im Sinne des Klagebegehrens.
Das Berufungsgericht hob in Stattgebung der Berufung des Beklagten das Urteil der ersten Instanz sowie das gesamte Verfahren als nichtig auf und wies die Klage zurück. Es war der Meinung, daß für die vorliegende Sache der Rechtsweg nicht zulässig sei. Aus der Klage sei zu erkennen, daß die Kläger die Feststellung eines Aufteilungsschlüssels für Lasten der gemeinschaftlichen Liegenschaft anstrebten. Hiebei handle es sich um eine Frage der ordentlichen Verwaltung der gemeinschaftlichen Sache. Diese Frage werde von der Mehrheit der Stimmen nach dem Verhältnis der Anteile der Teilhaber und, wenn ein Verwalter bestellt sei, von diesem entschieden. Mangels anderer Vereinbarung könne die Aufteilung der Lasten nur im Verhältnis der grundbücherlichen Anteile der Teilhaber erfolgen. Ein anderer Aufteilungsschlüssel könne nur durch den Außerstreitrichter angeordnet werden, weil es sich hiebei um eine Rechtsgestaltung handle, durch die eine Maßnahme der Mehrheit oder des Verwalters ersetzt werden solle.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Kläger Folge, hob den Beschluß des Berufungsgerichts auf und trug dem Berufungsgericht auf, über die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der ersten Instanz unter Abstandnahme von dem gebrauchten Nichtigkeitsgrund zu entscheiden.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Wie bereits in der Entscheidung 7 Ob 83/65 = MietSlg. XVII Nr. 18, von der abzugehen kein Anlaß besteht, ausgeführt wurde, ergibt sich aus §§ 1, 2 (1) Z. 1 AußStrG., daß im Außerstreitverfahren nur zu verhandeln ist, wenn dies aus dem Gesetz hervorgeht. Privatrechtliche Streitigkeiten sind daher grundsätzlich im Prozeßweg zu entscheiden. Dies gilt im allgemeinen auch hinsichtlich der Ansprüche, die sich aus dem Miteigentum ergeben. § 835 ABGB. ordnet nun an, daß dort, wo bei Verwaltung einer gemeinsamen Sache eine verbindliche Willenseinigung nicht möglich ist - sei es daß hinsichtlich einer wichtigen Veränderung keine Einstimmigkeit herrscht, sei es, daß in einer Angelegenheit der ordentlichen Verwaltung keine Mehrheit der Stimmen zu erzielen ist -, mangels einer anderen Einigung der Richter zu entscheiden hat. Er ersetzt dann durch einen rechtsbegrundenden Beschluß die Zustimmung der Miteigentümer, die sich gegen die vorgeschlagene Maßnahme aussprachen. Dieser Akt der Rechtsfürsorge kann nur um Verfahren außer Streitsachen erfolgen (ebenso JBl. 1947 S. 373 und JBl. 1951 S. 265). Hier liegt aber keiner dieser beiden Fälle vor. Die Anordnung gewisser Instandhaltungsarbeiten an der gemeinschaftlichen Sache ist ohne Zweifel eine Maßnahme der ordentlichen Verwaltung. Die Kläger, deren Vorbringen zusammen mit dem Inhalt ihres Begehrens allein für die Frage entscheidend ist, ob über ihr Begehren im Außerstreitverfahren oder im Prozeß zu entscheiden ist (MietSlg. 17.055, 17.735, 17.736 u. v. a.), behaupteten nun keineswegs, daß hinsichtlich der Anordnung der von ihnen erwähnten Instandhaltungsarbeiten keine Mehrheit der Stimmen zu erzielen sei; ihr Begehren geht auch nicht dahin, diese mangelnde Mehrheit durch Richterspruch zu ersetzen. Vielmehr gehen die Kläger davon aus, daß diese Arbeiten jedenfalls durchzuführen seien; es herrsche lediglich Streit darüber, ob der Beklagte im Verhältnis seiner Miteigentumsanteile an der gemeinschaftlichen Liegenschaft zu den Erhaltungsauslagen des darauf errichteten Hauses beizutragen habe. Die Entscheidung dieser durch § 8 (1) WEG. geregelten Frage hat aber entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes mit der ordentlichen Verwaltung des Hauses nichts zu tun. Wenn sich die Miteigentümer über die Aufteilung der Erhaltungsauslagen nicht im vorhinein geeinigt haben - in welchem Fall es sich also um Ansprüche auf Zuhaltung einer Vereinbarung handeln würde, worüber nur der Streitrichter entscheiden könnte -, könnte weder ein Mehrheitsbeschluß noch der Außerstreitrichter eine Verpflichtung der Minderheit zur Zahlung dieser Kosten begrunden. Daraus folgt aber, daß der Streit über die Aufteilung dieser Auslagen auf den Rechtsweg gehört (vgl. die oben angeführte Entscheidung 7 Ob 83/65 = MietSlg. 17.712). Ob das Begehren der Kläger sachlich begrundet ist, steht jetzt noch nicht zur Entscheidung.
Das Berufungsgericht wird daher über die Berufung des Beklagten unter Abstandnahme von dem gebrauchten Nichtigkeitsgrund neuerlich zu entscheiden haben.
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