Spruch:
Besteht kein Streit zwischen den Miteigentümern einer Sache darüber, ob eine bestimmte Verwaltungshandlung vorzunehmen ist, sondern nur, ob einzelne Teilhaber von der Bezahlung der dadurch entstandenen Kosten befreit sind, so ist diese Frage im Prozeßweg zu entscheiden
Entscheidung vom 31. März 1965, 7 Ob 83/65
I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien
Text
An den Anteilen der Liegenschaft EZ. 1924 der KG. A. für das Haus in der L.-Gasse 11 a besteht Wohnungseigentum. Den Antragstellern gehören hievon 1251/1960, ihren Gegnern 433/1960. Weitere Miteigentümer mit zusammen 276/1960 haben sich am Verfahren nicht beteiligt.
Im Haus befindet sich ein Personenaufzug. Die Antragsgegner nehmen für sich die Schlüssel hiezu nicht in Anspruch. Es besteht Einverständnis darüber, daß sie nicht die beim Betrieb des Aufzuges auflaufenden Stromkosten zu tragen haben, doch beschloß eine Versammlung der Miteigentümer mit Mehrheit, daß sie trotzdem für alle Erhaltungs- und Wartekosten aufzukommen hätten. Da sie sich weigerten, dies zu tun, stellten die Antragsteller das Begehren, daß "sämtliche bisher aufgelaufenen und in Zukunft auch durch die Instandhaltung und Inbetriebnahme des Hausaufzuges entstehenden Kosten von allen Miteigentümern nach dem Verhältnis ihrer Anteile zu bezahlen" seien. Die Antragsgegner bestreiten diese Verpflichtung, da der Aufzug ihnen nicht zugute komme.
Das Erstgericht trug den Antragsgegnern bei Exekution auf, die entsprechend ihren Anteilen auf sie entfallenden Erhaltungs- und Wartekosten für den Aufzug binnen 14 Tagen nach jeweiliger Fälligkeit zu bezahlen.
Die zweite Instanz hob diesen Beschluß aus Anlaß des Rekurses der Antragsgegner auf und wies den Antrag wegen sachlicher Unzuständigkeit zurück. Sie führte aus, daß die Angelegenheit im Streitverfahren zu entscheiden sei.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Antragsteller nicht Folge mit dem Beisatz, daß der Beschluß des Erstgerichtes mit dem vorangegangenen Verfahren als nichtig aufgehoben und das Begehren der Antragsteller wegen Unzulässigkeit des außerstreitigen Verfahrens zurückgewiesen wird.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Das Erstgericht hat sich mit der Frage, ob die Angelegenheit in das Außerstreitverfahren gehört, nicht weiter befaßt. Die Antragsteller meinen in ihrem Rechtsmittel, nur wenn eine alle Miteigentümer verpflichtende Vereinbarung vorliege, sei der Rechtsweg zulässig.
Aus §§ 1, 2 (2) Z. 1 AußStrG. ergibt sich, daß im außerstreitigen Verfahren nur zu verhandeln ist, wenn dies aus dem Gesetz hervorgeht. Privatrechtliche Streitigkeiten sind daher grundsätzlich im Prozeßweg zu entscheiden. Dies gilt im allgemeinen auch hinsichtlich der Ansprüche, die sich aus einem Miteigentumsverhältnis ergeben.
§ 835 ABGB. ordnet nun an, daß dort, wo bei Verwaltung einer gemeinsamen Sache eine verbindliche Willenseinigung nicht möglich ist, sei es, daß hinsichtlich einer wichtigen Veränderung keine Einstimmigkeit herrscht, sei es, daß in einer Angelegenheit der ordentlichen Verwaltung keine Mehrheit der Stimmen zu erzielen ist, mangels einer anderen Einigung der Richter zu entscheiden hat. Er ersetzt dann durch einen rechtsbegrundenden Beschluß die Zustimmung der Miteigentümer, die sich gegen die vorgeschlagene Maßnahme aussprechen. Dieser Akt der Rechtsfürsorge kann nur im Verfahren außer Streitsachen erfolgen. (Dies und nichts anderes ergibt sich aus den von den Antragstellern genannten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes JBl. 1947 S. 373 und JBl. 1951 S. 265).
Hier liegt aber keiner der beiden Fälle vor. Die laufende Erhaltung und Wartung des Aufzuges ist keine wichtige Veränderung. Sie gehört vielmehr zur ordentlichen Verwaltung. Es handelt sich hier auch gar nicht darum, ob gewisse Erhaltungsarbeiten vorzunehmen sind, sondern, wer die Kosten zu bezahlen hat. Hier hat der Richter nicht, wie im § 835 ABGB. vorausgesetzt, eine Zustimmungserklärung zu ersetzen, vielmehr außer entscheiden, ob der Anspruch auf Zahlung auch dann begrundet ist, wenn der Aufzug dem betreffenden Miteigentümer nicht zugute kommt. Besteht Meinungsverschiedenheit, ob eine bestimmte, den Aufzug betreffende Arbeit zu verrichten ist, dann entscheidet im allgemeinen die Mehrheit. Nur wenn es sich, soweit dies möglich ist, um eine wichtige Veränderung handeln sollte, würde § 835 ABGB. anzuwenden sein. Die Bestimmung des § 828 ABGB., auf die sich sowohl der Erstrichter als auch die Antragsteller berufen, enthält nichts darüber, unter welchen Voraussetzungen im streitigen oder im außerstreitigen Verfahren zu entscheiden ist.
Glaubt die Mehrheit der Eigentümer, daß die Minderheit sich zu Unrecht weigert, einer von ihr zulässig beschlossenen Maßnahme nachzukommen, so kann sie dies nur durch Klage erzwingen, da eine Bestimmung, nach der dies im außerstreitigen Verfahren zu geschehe hätte, nicht besteht.
Aus dem Gesagten ergibt sich, daß der Streit um die Bezahlung der genannten Kosten auf den Rechtsweg gehört, weshalb der angefochtene Beschluß mit dem genannten Beisatz zu bestätigen war.
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