OGH 1Ob125/69

OGH1Ob125/6928.8.1969

SZ 42/117

Normen

ABGB §1189
ABGB §1211 ff
ABGB §1189
ABGB §1211 ff

 

Spruch:

Ein "Austritt" aus der ansonsten bestehenbleibenden Gesellschaft ist nur im Fall der Statuierung einer Nachschußpflicht oder sonst wichtiger Veränderungen (§ 834 ABGB.) durch die Gesellschaftermehrheit möglich.

Entscheidung vom 28. August 1969, 1 Ob 125/69.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Mit der am 2. Mai 1967 eingebrachten Klage belangte der Kläger Rudolf H. Fritz H., Josefine H. und Margarete S. zur ungeteilten Hand auf Bezahlung von 4.500.000 S samt 9.5% Zinsen seit 11. April 1967. Er brachte vor, daß seit dem Jahr 1921 die "W."-AG. bestanden habe, deren Aktionäre schließlich Robert H., Rudolf H., Fritz H. und Franz H. gewesen seien; jeder von ihnen habe 25% des Aktienkapitals besessen; im Jahr 1940 seien mit Rücksicht auf damals erlassene gesetzliche Bestimmungen die wirtschaftlichen Tätigkeiten der genannten Aktiengesellschaft in die Sparten Großhandel, Kleinhandel und Fischzucht aufgeteilt worden; der Aktiengesellschaft sei der Großhandel belassen worden; für den Kleinhandel sei die Fischhandelsgesellschaft H. & H. KG. gegrundet worden, während die Teichwirtschaft von Rudolf H. als "Rudolf H.'sche Teichwirtschaft" geführt worden sei; um das Beteiligungsverhältnis hinsichtlich aller Betriebssparten in alter Höhe aufrecht zu erhalten, hätten die vier Aktionäre der "W.-AG." überdies eine Gesellschaft bürgerlichen Rechtes geschaffen, unter deren vier Gesellschafter die gesamten Erträgnisse aller drei Unternehmungen nach gleichen Teilen geteilt worden seien; nach dem Tode des Robert H. im Jahr 1950 sei dessen Tochter Margarete S. als Kommanditistin in die Fischhandelsgesellschaft H. & H. eingetreten, habe den Anteil ihres Vaters an der Aktiengesellschaft übernommen und auch die Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit den übrigen Gesellschaftern fortgesetzt; im Jahr 1965 sei Franz H., der Vater des Klägers und Gatte der Josefine H., gestorben; als Erben seien der Kläger und Josefine H. je zur Hälfte berufen gewesen; der Gewinn aus der bürgerlichen Gesellschaft sei in der Folge an Rudolf H., Fritz H. und Margarete S. zu je einem Viertel, an Josefine H. und den Kläger zu je einem Achtel verteilt worden; aus der zwischen den Streitteilen bestehenden Gesellschaft bürgerlichen Rechtes sei der Kläger am 10. April 1967 ausgetreten; die Gesellschaft sei dadurch nicht aufgelöst worden, sie bestehe zwischen den übrigen Gesellschaftern weiter; deshalb komme keine Realteilung in Betracht, der Kläger sei vielmehr mit dem Wert seines Anteils abzufinden; da das Gesellschaftsvermögen, das sich aus dem Wert der Aktiengesellschaft, der Kommanditgesellschaft und der für alle geführten Teichwirtschaft zusammensetze, 36.000.000 S betrage, stehe dem Kläger als Abfindungsanspruch ein Achtel, d. s. 4.500.000 S zu.

Die Beklagten wendeten im wesentlichen ein, es sei hinsichtlich der Aktiengesellschaft und der Kommanditgesellschaft vereinbart worden, daß die vier Aktionäre weiterhin zu gleichen Anteilen an den Erträgnissen der drei Unternehmungen beteiligt sein sollten; die Teichwirtschaft stehe im Alleineigentum des Rudolf H., werde von diesem aber für Rechnung der Aktionäre geführt; eine alle Unternehmen umfassende Erwerbsgesellschaft nach bürgerlichem Recht liege nicht vor, weil eine Verbindung der drei Unternehmungen nicht erfolgt sei; es bestunden auch keine wechselseitigen Bezugsrechte und Bezugspflichten; die Aktionäre der Aktiengesellschaft hätten auch nie die Absicht gehabt, eine derartige Gesellschaft zu grunden; der Kläger seinerseits habe stets nur Gewinne aus der Beteiligung an den einzelnen Unternehmen beansprucht; es stehe ihm nur das Recht zu, sein Aktienpaket zu verkaufen, seine Beteiligung an der Kommanditgesellschaft nach den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages zu kundigen und hinsichtlich der Beteiligung an der Teichwirtschaft die Auflösung der diesbezüglichen Erwerbsgesellschaft und die Auszahlung seines diesbezüglichen Anteils gemäß § 1215 ABGB. durchzusetzen, hingegen habe er keinen Anspruch auf eine Quote am Schätzwert der drei Unternehmen; aber selbst wenn die vom Kläger behauptete Erwerbsgesellschaft bestunde, wäre das Klagebegehren verfehlt, weil das Vermögen einer solchen Gesellschaft, das nur in Beteiligungen an den drei Unternehmen bestehen könne, durch die Kündigung des Klägers weggefallen sei; die Beklagten hätten nicht den Willen, eine solche Gesellschaft, falls sie bestanden haben sollte, fortzusetzen, überdies sei der Austritt des Klägers zu dem von ihm gewählten Zeitpunkt nach den Bestimmungen des Vertrages über die Kommanditgesellschaft unzulässig; danach könnte er die Bezahlung seines Ausscheidungsguthabens auch nur in Raten begehren.

Der Erstrichter wies das Klagebegehren in Ansehung der erstbeklagten Partei, des Zweit- und der Viertbeklagten ab. Die Begründung seines Urteils läßt sich wie folgt zusammenfassen: Robert H., Franz H., Rudolf H. und Fritz H. hätten je 25% des Aktienkapitals der "W."-AG. besessen, die schon seit 1921 bestanden habe; diese Aktiengesellschaft habe den Groß- und Kleinhandel mit Fischen und anderen Waren und zudem eine Teichwirtschaft (Fischzucht) betrieben; das Gesetz über die Berufsbereinigung sei der Anlaß dafür gewesen, daß die genannten Aktionäre im Jahr 1940 eine Aufspaltung des Unternehmens in der Form vorzunehmen, daß die "W."-AG. nur mehr den Großhandel betrieben habe, für den Kleinhandel die Fischhandelsgesellschaft H. & H. gegrundet und die Teichwirtschaft von Rudolf H. im eigenen Namen, aber für Rechnung aller vier genannten Personen betrieben worden sei; Bezüge, die der Aktiengesellschaft aus Beteiligungen zugestanden seien, seien so verteilt worden, daß jeder der Aktionäre ein Viertel erhielt; die Auszahlungen seien nicht im Weg der Gewinnverteilung der Aktiengesellschaft erfolgt, sondern unmittelbar an die vier beteiligten Personen; bei der Teichwirtschaft eingetretene Verluste seien von den Gesellschaftern anläßlich der Jahresabrechnung unmittelbar ausgeglichen worden; Steuern und Abgaben der einzelnen Gesellschafter seien während des Jahres von den einzelnen Unternehmensbuchhaltungen bezahlt und diese Zahlungen bei der Gewinnermittlung bei den einzelnen Unternehmungen berücksichtigt worden; zwischen den einzelnen Unternehmen hätten keine ausschließlichen Bezugsrechte oder Bezugspflichten bestanden;

Gewinne und Verluste seien untereinander nicht ausgeglichen worden;

die Geschäftsführung der einzelnen Unternehmen sei verschiedenen Gesellschaftern zugeteilt worden, die - außer bei wichtigen Entscheidungen - die Zustimmung der übrigen nicht einzuholen gehabt hätten; daraus ergebe sich, daß zwischen den beteiligten Personen stillschweigend ein Vertrag geschlossen worden sei, der in den Grundzügen den im Entwurf eines "Syndikatsvertrages" angeführten Zwecken entsprochen habe; die Streitteile bzw. deren Rechtsvorgänger hätten ihre Mühe und ihre Sachen zu gemeinsamem Nutzen vereinigt; es sei also eine Gesellschaft bürgerlichen Rechtes begrundet worden, allerdings hätten die Gesellschafter keine Anteile zu einem Hauptstamm eingebracht; daher könne dem Kläger auch kein Anspruch auf Zivilteilung eines Hauptstammes und somit auf Auszahlung eines Geldbetrages zustehen; wollte man die Auffassung vertreten, es seien als Hauptstamm die Anteile an der Aktiengesellschaft, an der Kommanditgesellschaft und am Vermögen der Teichwirtschaft anzusehen, so seien diese Anteile doch nicht zu einem gemeinsamen Vermögen zusammengelegt worden, mangels eines solchen könne keine Wertquote berechnet und dem Kläger zuerkannt werden; selbst unter der Annahme, es sei Miteigentum der Gesellschafter am Hauptstamm entstanden, sei für den Kläger nichts gewonnen, weil sein Austritt aus der Gesellschaft nicht die Wirkung gehabt habe, daß sein Anteil den übrigen Gesellschaftern zugewachsen sei; die Aufkündigung des Klägers habe nicht einmal bezüglich des Fischzuchtbetriebes den Austritt aus der Gesellschaft bewirken können; zwar hätten die Beklagten in diesem Umfang dem Austritt des Klägers zugestimmt, doch verlange der Kläger den Austritt nicht nur in diesem Umfang; daraus ergebe sich die Abweisung des Zahlungsbegehrens.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es führte aus, daß der Kläger keine überzeugenden Argumente gegen die Auffassung des Erstrichters, es fehle der vom Kläger behaupteten Erwerbsgesellschaft der Hauptstamm, habe vorbringen können; im übrigen ergeben sich schon nach dem Vorbringen des Klägers Zweifel, ob es sich bei der von ihm behaupteten Gemeinschaft zwischen den Streitteilen um eine "Gesellschaft zu einem gemeinschaftlichen Erwerb" im Sinn der §§ 1175 ff. ABGB. handelt, im Gegensatz zu den Gemeinschaften, deren Zweck sich im gemeinsamen Eigentum, im gemeinsamen "Haben" erschöpfe, sei die Erwerbsgesellschaft bürgerlichen Rechtes durch den Willen der Teilhaber zum gemeinsamen Wirken und Wirtschaften gekennzeichnet; eine Rechtsgemeinschaft, deren Zweck sich auf die Verwaltung gemeinsamer Vermögenswerte beschränkt, bilde keine "Erwerbsgesellschaft"; der Kläger habe selbst vorgebracht, es seien die Erträgnisse zwischen den Gemeinschaftern zu gleichen Teilen geteilt worden; bestehe der Zweck einer Gemeinschaft nur darin, Erträgnisse zusammenzulegen und zwischen den Gemeinschaftern zu verteilen, bilde dies nach der Lehre Wahles keine Erwerbsgesellschaft; aber selbst wenn man eine bürgerliche Erwerbsgesellschaft annehmen wollte, die aber keinesfalls durch die drei Unternehmen gebildet würde, könnte der Kläger keine Abfindung in Form einer Quote des Gesamtwertes der drei Unternehmen begehren, weil eine solche Gesellschaft nicht die drei Unternehmen zu ihrem "Hauptstamm" hätte; es sei vom Kläger gar nicht behauptet worden, daß das Vermögen der drei Unternehmen einer solchen Erwerbsgesellschaft übertragen worden wäre und in welcher Weise dies geschehen sei; er habe auch gar nicht behauptet, daß der hinsichtlich der "W."-AG. hiefür nötige Beschluß der Hauptversammlung (§§ 237, 238 AktG. 1965) gefaßt worden wäre; der Erstrichter habe freilich die in diesem Belang in Betracht kommenden Tatsachenfragen mit den Parteien nicht näher erörtert, doch begrunde dies keinen Verfahrensmangel, weil die Klage selbst für den Fall, daß zwischen den Streitteilen eine andere, keinesfalls aus dem Vermögen der drei Unternehmen bestehende Erwerbsgesellschaft bestunde, keinen Erfolg haben könne und zwar aus nachstehenden Erwägungen: der Kläger habe das von ihm behauptete Gesellschaftsverhältnis mit Schreiben vom 10. April 1967 aufgekundigt, wobei er aber nicht die Auflösung der Gesellschaft bewirken wollte, sondern sein Ausscheiden unter Fortbestand der Gesellschaft unter den übrigen Gesellschaftern; der Austritt eines Gesellschafters sei aber, weil er den Fortbestand der Gesellschaft gefährde, dem Gesellschafter von der Rechtsordnung nicht willkürlich eingeräumt; er sei nach der Lehre Ehrenzweigs und Gschnitzers nur in zwei Fällen zugelassen, und zwar a) bei Entstehen einer Nachschußpflicht (§ 1189 ABGB.) und b) wenn die Mehrheit gegen den Willen des betreffenden Gesellschafters wichtige Veränderungen beschlossen habe (§ 834 ABGB.); der davon abweichenden Lehrmeinung Wahles in Klang[2], der die Auffassung vertrete, der Austritt sei dem Gesellschafter ohne weiteres möglich, könne nicht gefolgt werden; da der Kläger die aufgezeigten Voraussetzungen eines Austrittes gar nicht behauptet habe, fehle seinem Zahlungsbegehren schon deshalb die Grundlage.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Was in rechtlicher Beziehung zunächst das Zahlungsbegehren des Klägers betrifft, läuft der von ihm vertretene Standpunkt darauf hinaus, der Gesellschafter einer Erwerbsgesellschaft nach bürgerlichem Recht könne seine Vertragspartner jederzeit nach Belieben, ohne daß irgendwie für die Gesellschaft wichtige Gründe geltend gemacht werden müßten, dazu verhalten, ihm seinen Anteil am Hauptstamm abzukaufen. Das Berufungsgericht hat dies - gestützt auf die Lehre Ehrenzweigs (System[2] II/1 S. 551) und Gschnitzers (Schuldrecht, Besonderer Teil, S. 117) unter Ablehnung der Auffassung Wahles (Klang[2] V S. 666 f.) - zutreffend als zu weitgehend und gesellschaftsgefährdend abgelehnt. Das Gesetz selbst unterscheidet - ungeachtet der Marginalrubrik zu § 1205 ABGB. - mit hinlänglicher Deutlichkeit zwischen dem "Austritt" aus der zwischen den übrigen Gesellschaftern bestehenbleibenden Gesellschaft (§ 1180 ABGB.) und der "Aufkündigung des Gesellschaftsvertrages" als solchen, die die Auflösung der Gesellschaft zur Folge hat (§ 1211 f. ABGB.). Darauf verweist auch Gschnitzer (a. a. O. S. 118) bei Erörterung der Gründe, die zur Auflösung der Gesellschaft führen. Auch der Oberste Gerichtshof ist daher der Ansicht, daß ein Austritt aus der ansonsten bestehenbleibenden Gesellschaft nur im Fall der Statuierung einer Nachschußpflicht (§ 1189 ABGB.) oder sonst wichtiger Veränderungen (§ 834 ABGB.) durch die Gesellschaftermehrheit zulässig und möglich ist. Aus der in der Revision zitierten, unveröffentlichten Entscheidung vom 17. Jänner 1968, 6 Ob 11/68, ist nichts Gegenteiliges zu gewinnen, da es sich damals gar nicht um den Fall eines "Austrittes" aus einer zwischen den übrigen Gesellschaftern fortbestehenden Gesellschaft, sondern um den einer Aufkündigung mit Auflösungseffekt handelte. Da der Kläger weder anläßlich seiner Austrittserklärung noch rechtzeitig im vorliegenden Prozeß wichtige Gründe geltend gemacht hat, die im aufgezeigten Sinn seinen Austritt rechtfertigen hätten können, konnte das Berufungsgericht die Abweisung des Zahlungsbegehrens bestätigen, ohne die Frage des Zustandekommens der vom Kläger behaupteten, alle einzelnen Unternehmen umspannenden Erwerbsgesellschaft nach bürgerlichem Recht abschließend klären zu müssen.

Stichworte