OGH 1Ob20/69

OGH1Ob20/696.2.1969

SZ 42/24

Normen

AußStrG §14 (2)
ZPO §502
AußStrG §14 (2)
ZPO §502

 

Spruch:

Der Vater kann von der Unterhaltspflicht nur befreit werden, wenn sein mj. Kind selbsterhaltungsfähig ist oder wegen eines ihm als Verschulden anzurechnenden Verhaltens wie ein Selbsterhaltungsfähiger zu behandeln ist. Als Repressalie gegen Erziehungsfehler der Mutter ist diese Maßnahme unzulässig.

Dabei handelt es sich nicht um eine Bemessungsfrage.

Entscheidung vom 6. Februar 1969, 1 Ob 20/69.

I. Instanz: Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.

Text

Der am 9. Juni 1949 geborene Gustav H. stammt aus der im Jahr 1948 geschlossenen und durch Urteil des Landesgerichtes für ZRS. Graz vom 14. Oktober 1953 geschiedenen Ehe des Ing. Gustav H. und der Rosa H. Er befindet sich seit jeher in Pflege und Erziehung der Mutter, der Vater erbringt für ihn Unterhaltsleistungen, die zuletzt mit 700 S monatlich bemessen wurden.

Der Mj. hatte wiederholt Schwierigkeiten in der Schule. Er besuchte nach der Volksschule in T. zunächst die Mittelschule in L., wurde jedoch durch Bescheid des Landesschulrates für Steiermark vom 21. März 1961 wieder in die Volksschule T. rückverwiesen. Die Mutter versuchte jedoch den weiteren Mittelschulbesuch des Mj. zu erzwingen, was schließlich sogar zur Inanspruchnahme von Gendarmerieassistenz führte, da sie das Kind immer wieder zum Besuch der Mittelschule veranlaßte. Der Akt mußte zeitweilig vom Jugendgericht Graz übernommen werden, das die Unterbringung des Mj. in einem Jugendfürsorgeheim beschloß. Von dieser Maßnahme konnte dann freilich Abstand genommen werden, da die Mutter einlenkte und den Mj. zunächst noch die 6. Volksschulklasse in T. besuchen ließ, bis sie ihn im Herbst 1961 in G. unterbrachte, von wo aus er zu Beginn des Schuljahres 1961/62 das Bundesrealgymnasium besuchte. Nachdem der Mj. mit Ende dieses Schuljahres in die 2. Klasse aufgestiegen war, bedurfte es in den beiden folgenden Jahren jeweils einer Wiederholungsprüfung, damit er nach dem Schuljahr 1962/63 in die dritte und nach dem Schuljahr 1963/64 in die vierte Klasse aufsteigen konnte. Ende des Schuljahres 1964/65 hatte er in fünf Fächern, nicht genügend", und zwar in Deutsch, Englisch, Latein, Mathematik und Physik, und mußte die 4. Klasse wiederholen. Ende des Schuljahres 1965/66 hatte er abermals in Deutsch, Latein und Mathematik "nicht genügend", mußte die Klasse demnach abermals wiederholen. Da er auch nach dem dritten Besuch der 4. Klasse Ende des Schuljahres 1966/67 in Latein und Mathematik "nicht genügend" hatte, wurde er gemäß Erlaß des Bundesministeriums für Unterricht vom 8. März 1960, MinVdgBl. Nr. 59/60, vom weiteren Mittelschulstudium verwiesen; von dieser Verweisung waren Sonderformen des Mittelschulstudiums (Aufbau- und Arbeitermittelschule) und Externistenprüfung ausgenommen. Daraufhin erwirkte die Mutter die Aufnahme des Mj. in das Bundes-Aufbaugymnasium in H. In dieser Schultype ist nachpositivem Abschluß von fünf Klassen die Ablegung der Reifeprüfung vorgesehen, die zum Hochschulstudium berechtigen würde.

Am 18. Juli 1967 stellte der Vater den in der Folge dann dahin präzisierten Antrag, ihn ab 1. Jänner 1968 von der Unterhaltspflicht zu befreien, was er im wesentlichen damit begrundete, daß der Mj. zum Besuch einer Mittelschule nicht befähigt sei, die Mutter ihn aber keiner für ihn passenden Berufsausbildung zuführe und eigensinnig darauf bestehe, daß er studiere und die Reifeprüfung ablege. Die Mutter hat vor Gericht trotz Belehrung erklärt, sie sei nicht gewillt, den Mj. einen Beruf lernen zu lassen, er solle studieren, sie habe jedwede andere Berufsbildung von vornherein ausgeschlossen. Der Mj. selbst wurde vom Erstgericht nach der Antragstellung nicht darüber befragt, wie er sich seine Berufsausbildung vorstelle und welche Wünsche und Neigungen er habe bzw. welche Fähigkeiten er sich zutraue.

Das Erstgericht gab dem Antrag des Vaters statt; die von der Mutter angestrebte Ausbildung sei verfehlt; unter diesen Umständen sei dem mit Recht empörten Vater eine weitere Unterhaltsleistung für den Mj. in Anbetracht dessen Alters nicht zumutbar.

Das Rekursgericht veranlaßte die Einholung eines Zeugnisses des Aufbaugymnasiums H. über das Ergebnis des Besuches der 1. Klasse im Schuljahr 1967/68. Danach waren die Leistungen des Mj. durchschnittlich, eine Stellungnahme, ob er das Studium mit der Matura werde abschließen können, erklärte die Direktion der genannten Schule noch nicht abgeben zu können.

Das Rekursgericht wies daraufhin den Antrag des Vaters, ihn von der Unterhaltspflicht zu befreien, mit der Begründung ab, daraus ergebe sich immerhin, daß ein erheblicher Leistungsanstieg eingetreten sei, der vielleicht auch dadurch mitverursacht wurde, daß der Mj. nunmehr weniger abgelenkt sei und in ruhigerer Atmosphäre dem Studium nachgehen könne; dies rechtfertige es, ihm ungeachtet seines Alters von über 19 Jahren nochmals eine Chance zu geben; es müsse aber darauf hingewiesen werden, daß abermalige erhebliche Mißerfolge den Mj. kaum mehr davor bewahren könnten, nach Einstellung der Alimentationsleistungen des Vaters ohne abgeschlossene mittlere Schulbildung und ohne spezielle Berufsausbildung ins Erwerbsleben eintreten zu müssen.

Dagegen liegt der Revisionsrekurs des Vaters vor, mit dem eine Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichtes angestrebt wird.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Vaters nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Mj. hat zwar am 15. Dezember 1966, als es sich um die vom Vater zunächst verweigerte Zustimmung zur Ausstellung eines Passes handelte, bei Gericht angegeben, er möchte gerne Arzt oder Geistlicher werden, hat aber seit seinem Scheitern im Bundesrealgymnasium mit Ende des Schuljahres 1966/67 selbst keinen Berufswahlwunsch vorgetragen. Es muß daher davon ausgegangen werden, daß er selbst mit dem Besuch des Aufbaugymnasiums in H., den die gemäß § 142 ABGB. erziehungsberechtigte Mutter wünscht, einverstanden ist. Ein nach § 148 ABGB. zu beurteilender Fall, in dem ein Revisionsrekurs jedenfalls nach Maßgabe der Bestimmungen des Außerstreitgesetzes zulässig wäre, liegt sohin entgegen der Meinung des Rechtsmittelwerbers nicht vor.

Dessenungeachtet ist der Revisionsrekurs des Vaters als zulässig anzusehen. Es geht im vorliegenden Fall nicht darum, ob der Mj. selbsterhaltungsfähig ist oder wegen eines ihm als Verschulden anzurechnenden Verhaltens wie ein Selbsterhaltungsfähiger zu behandeln ist, zumal ihm die Nachgiebigkeit gegenüber dem Wunsch der erziehungsberechtigten Mutter, ihn unter allen Umständen studieren zu lassen, nicht als Verschulden angerechnet werden kann. Es geht vielmehr darum, ob der Vater das von ihm und vom Erstgericht für verfehlt gehaltene Studium des Mj. mit der Repressalie der Alimentationseinstellung beantworten kann. Dies ist keine Bemessungsfrage im Sinn des Jud. 60 neu = SZ XXVII 177, weshalb die Rechtsmittelausschlußbestimmung des § 14 (2) AußStrG. nicht zum Tragen kommt.

Die Zulässigkeit einer derartigen Repressalie, die sich gegen den dem Wunsch der erziehungsberechtigten Mutter nachkommenden Mj., nicht aber gegen die für sein Studium verantwortliche Erziehungsberechtigte richten würde, ist zu verneinen. Der Vater könnte von der Alimentationspflicht nur dann befreit werden, wenn der Mj. selbsterhaltungsfähig wäre oder im schon aufgezeigten Sinn wie ein Selbsterhaltungsfähiger behandelt werden müßte. Die Voraussetzungen einer solchen Entscheidung wurden vom Vater nicht einmal behauptet. Es ist richtig, daß diesem das Recht zusteht, gegen ein die Fähigkeiten seines Sohnes übersteigendes und daher dessen wohlverstandene Interessen gefährdendes Mittelschulstudium aufzutreten (EF-Slg. 621), der richtige Weg hiezu ist aber der eines Antrages, ihm die Erziehungsbefugnisse zu übertragen (§ 142 ABGB.) oder wenigstens jene der Mutter zu beschränken, wenn schon nicht abzuerkennen, wofür die Bestimmungen des Jugendwohlfahrtsgesetzes einerseits, jene des § 178 ABGB. (in analoger Anwendung) die Handhaben bieten können (vgl. dazu die bei Kapfer[28] zu § 178 ABGB. unter Nr. 12 und in der EF-Slg. unter Nr. 601 angeführten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes). Auf diese Weise könnte erreicht werden, daß der Mj. einer seinen Fähigkeiten entsprechenden Ausbildung für das Erwerbsleben zugeführt wird. Anträge in dieser Richtung hat der Vater bisher nicht gestellt, sein Vorbringen kann auch nicht in diesem Sinn gedeutet werden.

Es soll nicht übersehen werden, daß der Pflegschaftsrichter zum Wohl des mj. Kindes auch von Amts wegen einschreiten kann und gegebenenfalls einschreiten muß. Da nach der Aktenlage anzunehmen ist, daß der Mj. derzeit die 2. Klasse des Aufbaugymnasiums in H. besucht und in einem solchen Fall zweckmäßigerweise das Ende des Schuljahres abzuwarten ist, ist derzeit noch nichts zu unternehmen. Das Erstgericht wird sich aber unabhängig von einer Antragstellung des Vaters mit Rücksicht auf die bisherigen Verfahrensergebnisse rechtzeitig, also spätestens mit Ende des Schuljahres über allenfalls zu ergreifende Maßnahmen in der aufgezeigten Richtung schlüssig werden und sie notfalls auch mit dem gebotenen Nachdruck (§ 12 (1) AußStrG.) durchsetzen müssen.

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