Normen
ABGB §1325
Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz §13 Z3
ABGB §1325
Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz §13 Z3
Spruch:
Unmittelbarer Anspruch eines Kindes auf Ersatz der Kosten auswärtiger Verpflegung, wenn es unfallsbedingt den ihm vom Vater im elterlichen Haushalt gewährten gesetzlichen Unterhalt nicht in Anspruch nehmen kann.
Entscheidung vom 12. Dezember 1968, 2 Ob 338/68.
I. Instanz: Landesgericht Klagenfurt; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz.
Text
Am 1. Dezember 1962 gegen 20 Uhr 15 wurde die damals 16jährige Klägerin als Fußgängerin auf der R.-Bundesstraße von einem entgegenkommenden PKW, dessen Lenker und Halter der Beklagte war, angefahren und schwer verletzt. Die aus diesem Anlaß gegen die Klägerin erstattete Strafanzeige wurde gemäß § 90 StPO. zurückgelegt. Gegen den Beklagten erging eine rechtskräftige Strafverfügung. Nach ihrem Inhalt hat der Beklagte durch Außerachtlassung der nötigen Vorsicht im Straßenverkehr die Klägerin mit seinem PKW gestreift und dadurch die Übertretung nach § 335 StG. begangen.
Unter Hinweis auf dieses Straferkenntnis begehrte die Klägerin die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 130.984.80 S sowie die Feststellung, daß ihr der Beklagte für alle Schäden aus dem gegenständlichen Verkehrsunfall ersatzpflichtig sei.
Der Beklagte bestritt nach Grund und Höhe, wendete insbesondere überwiegendes Selbstverschulden der Klägerin ein, weil sie nicht nur nicht das linke Straßenbankett in ihrer Gegenrichtung benützt habe, sondern gegen die Straßenmitte zu gegangen und überdies in hohem Maß unaufmerksam gewesen sei.
Das Erstgericht stellte die Ersatzpflicht des Beklagten für 50% aller unfallskausalen Schäden der Klägerin fest, sprach ihr 18.933.15 S samt stufenweisen Zinsen zu, wies das darüber hinausgehende Feststellungs- und Leistungsbegehren ab und verurteilte die Klägerin zum Ersatz von 70% der Verfahrenskosten an den Beklagten.
Die Berufung des Beklagten blieb erfolglos, die der Klägerin hatte nur insoweit Erfolg, als ihr - infolge Erhöhung des für Schmerzengeld zugesprochenen Betrages um 10.000 S - 28.933.15 S zuerkannt wurden und ihre Kostenersatzpflicht auf 50% herabgesetzt wurde.
Der Oberste Gerichtshof gab den Revisionen beider Parteien teilweise Folge.
Der Beklagte wurde für schuldig erkannt, der Klägerin 30.433.15 S samt 4% Zinsen aus 5433.15 S seit 8. Mai 1963 und aus 25.000 S seit 11. Februar 1965 binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen. Das Mehrbegehren wurde abgewiesen.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
In der Verschuldensfrage sind beide Revisionen nicht gerechtfertigt.
Die Rechtsrüge der Klägerin allein richtet sich 1. gegen die Abweisung ihres Anspruches gemäß § 1326 ABGB., 2. gegen die Abweisung eines Verpflegskostenanspruches, 3. gegen die teilweise Abweisung ihres Anspruches für Verdienstentgang.
Zu 1.
Die Klägerin begrundete diesen mit 10.000 S geltend gemachten Anspruch in der Klage mit dem Hinweis auf die infolge der Unfallsverletzungen eingetretenen Dauerfolgen (Beinverkürzung, O-Bein-Stellung, Narbe im Gesicht), durch die sie lebenslang verunstaltet sei.
Das Erstgericht stellte hiezu fest:
Die Narbe an der linken Gesichtsseite beginnt oberhalb der linken Augenbraue, zieht zu deren seitlichem Rand und verläuft bogenförmig über den Jochbogen links nach vorn zur Wange. Die Narbe ist S-förmig und etwa 11 cm lang. Sie ist nur mehr sehr zart und nur angedeutet im Bereich des Jochbogens sichtbar. Das linke Bein ist um knapp 1 cm verkürzt. Eine Verkürzung bis 1 cm gleicht der Körper funktionell aus. Beide Vorinstanzen waren der Ansicht, daß die äußere Erscheinung der Klägerin durch die angeführten Umstände nicht beeinträchtigt sei. Das Berufungsgericht fügte im Hinblick auf die Berufungsausführungen der Klägerin hinzu, daß eine Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit, die einen Berufswechsel zur Folge gehabt habe, nicht nach § 1326 ABGB. ersatzfähig und daß die Behauptung, die Klägerin hätte sich ohne diese Dauerfolgen besser verheiraten können, als unzulässige Neuerung unbeachtlich sei.
Die Revision macht gegen diese Erwägungen lediglich geltend, daß die Heiratsaussichten der Klägerin, die nach der Aktenlage während des Verfahrens in erster Instanz geheiratet hat, vermindert seien; durch ihre jetzige Ehe sei eine zweite Heirat nicht ausgeschlossen.
Die Frage, ob auch eine verheiratete Frau Ersatz für verminderte Heiratsaussichten begehren kann, kann unerörtert bleiben. Denn die Narbe im Gesicht ist kaum mehr sichtbar. Es ist auch nicht festgestellt, daß die Klägerin etwa hinkt. Es liegt daher eine nachteilige Veränderung der äußeren Erscheinung der Klägerin, die als Verunstaltung angesehen werden müßte, überhaupt nicht vor.
Der auf § 1326 ABGB. gestützte Teilanspruch wurde daher ohne Rechtsirrtum abgewiesen.
Zu 2.
Die Klägerin begehrte diesfalls 5170 S mit der Behauptung, sie habe sich in den Zeiten zwischen den stationären Krankenhausaufenthalten bei Rudolf P. in T. in Pflege und häuslicher Behandlung befunden.
Nach dem vom Erstgericht als erwiesen festgestellten Sachverhalt mußte die Klägerin während der Zeit der ambulatorischen Behandlung wiederholt mit dem Rettungswagen in das Landeskrankenhaus Klagenfurt gebracht werden. Wegen der großen Entfernung ihres Wohnortes verbrachte sie diese Zwischenzeiten - zusammen ungefähr drei bis vier Monate - im Haushalt ihres Schwagers P. in T. und erhielt dort die Verpflegung. P. vereinbarte mit dem Vater der Klägerin ein Entgelt für diese Leistungen, erhielt jedoch kein Bargeld, wohl aber Naturalien für die Verpflegung der Klägerin. Von dieser selbst hat er ein Entgelt weder verlangt noch erhalten. Die Klägerin war zu dieser Zeit noch nicht erwerbstätig, für ihren Unterhalt kamen ihre Eltern auf. Entgegen dem Inhalt einer vorliegenden Bestätigung des Rudolf P. über den Erhalt von 5170 S hat dieser als Zeuge zugegeben, für Unterkunft und Verpflegung der Klägerin weder von dieser noch von ihrem Vater ein Entgelt erhalten zu haben. Die Klägerin selbst hat, als Partei vernommen, ihre Behauptungen nicht bestätigt.
Diesfalls kann der Revision die teilweise Berechtigung nicht abgesprochen werden.
Die Klägerin ist es, die durch die rechtswidrige Handlung des Beklagten verletzt wurde. Es kann als im Sinn des § 269 ZPO. allgemeinkundige Tatsache bezeichnet werden, daß die Kosten ihrer Lebenshaltung im Haushalt des Schwagers höher waren, als sie im Haushalt der Eltern gewesen wären. Die Kosten aus einer Vermehrung der Bedürfnisse - die Bestimmung des § 13 Z. 3 EKHG. ist auch bei Schadenersatzansprüchen nach bürgerlichem Recht zu berücksichtigen - hat ihr der Beklagte zu ersetzen. Der Schwager der Klägerin hat diese nicht deshalb verpflegt, um den Beklagten zu entlasten.
Der Oberste Gerichtshof nimmt in Anwendung des § 273 ZPO. den Schaden der Klägerin mit 30 S täglich an. Dies ergibt für rund 100 Tage 3000 S. Nach ihrem Mitverschuldensanteil gebühren der Klägerin davon 1500 S.
Zu 3. ist die Rechtsrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt.
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