OGH 7Ob232/68

OGH7Ob232/6827.11.1968

SZ 41/164

Normen

JN §25
JN §25

 

Spruch:

Hat ein abgelehnter Richter vor rechtskräftiger Erledigung des Ablehnungsantrages die Endentscheidung gefällt, dann darf über ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung erst nach rechtskräftiger Erledigung des Ablehnungsantrages entschieden werden.

Entscheidung vom 27. November 1968, 7 Ob 232/68.

I. Instanz: Bezirksgericht Bad Aussee; II. Instanz: Kreisgericht Leoben.

Text

Am 13. August 1968 brachte Dr. Karl B., der Vater des mj. Karl B. einen Schriftsatz ein, mit dem er den Gerichtsvorsteher des Bezirksgerichtes OLGR. Dr. K. wegen Befangenheit ablehnte.

Der Erstrichter, eben der abgelehnte OLGR. Dr. K., verhielt mit Beschluß vom 16. Oktober 1968 - über den Ablehnungsantrag war in diesem Zeitpunkt noch nicht entschieden - den ehelichen Vater Dr. Karl B. zunächst zu einer Unterhaltsleistung von 1.300 S monatlich. Er behielt sich eine Entscheidung über das Mehrbegehren der Mutter des Mj. (weitere 400 S monatlich) vor. Er führte aus, daß sich der Vater des Mj. mit einer monatlichen Unterhaltsleistung von 1300 S einverstanden erklärt habe. Es sei nicht im Interesse des Kindes gelegen, die Entscheidung über die Unterhaltspflicht des Vaters des Mj. bis zur Erledigung des Ablehnungsantrages hinauszuschieben, es bestehe vielmehr gemäß § 25 JN. die Verpflichtung, zumindest für jenen Unterhaltsteilbetrag, über den kein Streit bestehe, einen Exekutionstitel zu schaffen.

Das Rekursgericht hob infolge Rekurses des Vaters des Mj. diesen Beschluß auf und trug dem Erstgericht auf, über den Unterhaltsanspruch erst nach rechtskräftiger Entscheidung über den Ablehnungsantrag vom 10. August 1968 zu entscheiden. Die Dringlichkeit für die Schaffung eines Exekutionstitels sei nicht gegeben, da die Mutter des Mj. zumindest zeitweilig eine Unterhaltsleistung des Vaters nicht wünschte, selbst berufstätig sei und offenbar über ein entsprechendes Einkommen verfüge, um für den Unterhalt des Kindes einstweilen sorgen zu können. Auch im Außerstreitverfahren sei die Entscheidung eines mit Erfolg abgelehnten Richters nichtig. Von dieser Nichtigkeit wäre auch der vom Erstrichter gefaßte Beschluß betroffen, wenn der gegen ihn gerichtete Ablehnungsantrag Erfolg hätte.

Der Oberste Gerichtshof gab dem vom Erstrichter, OLGR. Dr. K., gemäß § 15 (1) AußStrG. erhobenen Amtsrekurs Folge, hob den Aufhebungsbeschluß des Rekursgerichtes auf und trug dem Rekursgericht auf, über den Rekurs des Dr. Karl B. erst nach rechtskräftiger Erledigung des von diesem erhobenen Ablehnungsantrages zu entscheiden.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Rechtsansicht des Rekursgerichtes, daß der Erstrichter dadurch, daß er vor rechtskräftiger Erledigung des gegen ihn gerichteten Ablehnungsantrages den Vater des mj. Karl B. zu einer Unterhaltsleistung beschlußmäßig verpflichtete, die dem vom Vater anerkannten Teilbetrag entsprach, eine Endentscheidung im Sinne des § 25 JN. fällte, ist allerdings unbedenklich. In einem Pflegschaftsverfahren, das in der Regel während der ganzen Zeit der Minderjährigkeit oder der sonst beschränkten Geschäftsfähigkeit läuft, gibt es während dieses Zeitraumes keine das Verfahren abschließende Entscheidung wie das Urteil im Zivilprozeß. Trotzdem kann man hier von einer Endentscheidung im Sinne des § 25 JN. sprechen, weil über den Anspruch auf Unterhalt des Mj., wenn auch vorbehaltlich einer Änderung der Verhältnisse, endgültig entschieden wird. Der Erstrichter hat hiedurch gegen die Vorschrift dieser Gesetzesstelle erstoßen.

Die Verletzung dieser prozessualen Vorschrift rechtfertigt jedoch nicht die Aufhebung des vom Erstrichter gefaßten Beschlusses. Wird eine Entscheidung vor der rechtskräftigen Erledigung des Ablehnungsantrages gefällt, dann knüpft das Gesetz an den Erfolg des Ablehnungsantrages die Sanktion der Nichtigkeit. Bei der rechtskräftigen Abweisung des Ablehnungsantrages liegt jedoch höchstens ein Mangel des Verfahrens vor, der aber das Zustandekommen einer richtigen Entscheidung nicht verhindern konnte, daher im Rechtsmittelstadium nicht mehr zu berücksichtigen ist (vgl. Fasching, Komm. I S. 213). Die Berechtigung des vom Vater des Mj. gegen den Unterhaltsbemessungsbeschluß erhobenen Rekurses hängt demnach von der rechtskräftigen Entscheidung über den Ablehnungsantrag ab. Erst nach dieser Entscheidung kann darüber abgesprochen werden, ob der Beschluß über die Unterhaltsbemessung nichtig oder ob er materiell gerechtfertigt ist.

Die Richtigkeit dieser Rechtsansicht ergibt sich auch aus einem Vergleich mit § 477 (1) Z. 1 ZPO. Nach dieser Gesetzesstelle ist ein Urteil, an dem ein abgelehnter Richter teilnahm, dann als nichtig aufzuheben, wenn dessen Ablehnung als berechtigt erkannt worden ist. Man kann nicht sagen, es läge zwar keine Nichtigkeit, aber Mangelhaftigkeit des Verfahrens vor, weshalb der erstrichterliche Beschluß aufzuheben sei. Das Gesetz ordnet die Aufhebung wegen Nichtigkeit nur für den Fall an, daß der Ablehnung stattgegeben wird und läßt die angefochtene Entscheidung unberührt, wenn die Ablehnung erfolglos bleibt. Bis zur Entscheidung darüber ist die Wirksamkeit der Entscheidung in Schwebe. Diese Regelung wäre sinnlos, wenn es gestattet wäre, die Entscheidung, die der abgelehnte Richter gefällt hat, schon vorher wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens aufzuheben. Dies hätte dieselbe Folge wie die Aufhebung wegen Nichtigkeit. Das Rechtsmittelgericht hat daher auch in diesem Fall die rechtskräftige Entscheidung über den Ablehnungsantrag abzuwarten und sodann erst darüber zu erkennen, ob eine Nichtigkeit im Sinne des § 477 (1) Z. 1 ZPO. vorliegt.

Es war daher dem Amtsrekurs aus diesen Erwägungen Folge zu geben, ohne daß auf dessen Ausführungen eingegangen werden mußte.

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