OGH 5Ob202/67

OGH5Ob202/6715.11.1967

SZ 40/146

Normen

KO §31 (1) Z2
KO §31 (1) Z2

 

Spruch:

Daß die Anfechtung nicht befriedigungstauglich sei, hat der Anfechtungsgegner zu beweisen.

Der Anfechtungskläger ist beweispflichtig für die Umstände, die den Schluß rechtfertigen, daß dem Gegner die Zahlungsunfähigkeit bekannt sein mußte.

Entscheidung vom 15. November 1967, 5 Ob 202/67.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Unbestritten ist, daß die Firma X. am 8. November 1965 an das Finanzamt eine Zahlung von 175.258.90 S für ihre Steuerschulden leistete, und daß mit Wirkung vom 8. Februar 1966 über das Vermögen der genannten Firma der Konkurs eröffnet wurde.

Mit der vorliegenden Klage focht der Masseverwalter im Konkurs der Firma X. die oben angeführte Zahlung bis zur Höhe von 84.961.92S gemäß § 31 (1) Z. 2 KO. mit der Behauptung an, daß den Organen des Finanzamtes die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin zur Zeit der Zahlung bekannt gewesen sei. Durch die Befriedigung sei eine Benachteiligung eines Konkursgläubigers erster Klasse mit einer anerkannten Forderung von 74.961.92 S und ferner eine Schmälerung der Masse um 10.000 S eingetreten.

Die beklagte Republik Österreich bestritt die Behauptung über ihre Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit und wendete ein, daß die geschuldete und schließlich bezahlte Steuerforderung durch Fahrnispfandrechte, die sechs Monate vor Konkurseröffnung begrundet und daher nicht mehr anfechtbar seien, hinreichend abgesichert gewesen sei, sodaß die beklagte Partei jedenfalls als Absonderungsgläubigerin sich zumindest bis zum Betrage der Klagsforderung aus diesen Fahrnissen hätte befriedigen können.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Die Firma X. hatte bis Mitte 1963 beim zuständigen Finanzamt Steuerschulden in der Höhe von etwas über 60.000 S. Sie stiegen dann sprunghaft an, erreichten Ende 1963 sogar die Millionengrenze und bewegten sich in den Jahren 1964 und 1965 in der Größenordnung um 300.000 S- 400.000 S. Am 16. November 1965 verringerte sich die Steuerschuld infolge einer Gutschrift von 250.000 S auf 174.656.78

S.

Am 23. Oktober 1963 nahm das Finanzamt für die damals bestehende Steuerschuld von 961.910.84 S eine Fahrnispfändung von neun Maschinen durch Aufnahme im Pfändungsprotokoll vor. Diese Maschinen waren bis zum 8. November 1965 in der Gewahrsame der Firma X. und hatten am 4. November 1965 einen Verkehrswert von 100.000 S.

Am 3. November 1965 veräußerte die Firma X. alle ihre Fahrnisse und ihre Mietrechte an Geschäftsräumlichkeiten an Martin K. um den Betrag von 200.000 S. Da der Käufer die Maschinen unbelastet von Pfandrechten erwerben wollte, wurden Verhandlungen mit dem Finanzamt gepflogen. Hiebei kam zur Sprache, daß für das Jahr 1964 noch keine Steuererklärung abgegeben worden war, sodaß für dieses Jahr nur eine auf Einschätzung beruhende Vorauszahlung vorgeschrieben war. Nach Vorlage der Bilanzen ergab sich, daß das Jahr 1964 ohne Gewinn abschloß, weshalb bei der endgültigen Steuerbemessung die vorgeschriebene Vorauszahlung von 250.000 S gestrichen wurde. Es handelte sich dabei nicht um einen Nachlaß aus Billigkeitsgrunden, sondern es wurde einem Rechtsanspruch der Abgabenschuldnerin stattgegeben. Bei den Verhandlungen über die Feststellung der endgültigen Steuerschuld der Firma X. kam man überein, daß der Käufer einen Teil des Kaufpreises direkt für Rechnung der Firma X. beim Finanzamt einzahlen sollte; dies geschah auch am 8. November 1965.

Im März 1965, als ein Schuldsaldo der Firma X. gegenüber dem Finanzamt in der Höhe von 347.601.06 S bestand, führte dieses Amt Exekution durch Pfändung der Mietrechte und des Gewerbes und durch Zwangsverwaltung des Gewerbes. Die Sektion Gewerbe der Handelskammer äußerte sich dahin, daß in absehbarer Zeit kaum Erträgnisse in der Höhe der betriebenen Forderung zu erwarten seien. Der in Aussicht genommene Zwangsverwalter meinte, daß es in Anbetracht der Kosten der Zwangsverwaltung und mit Rücksicht auf den derzeitigen Umsatz Jahre dauern würde, bis zur Deckung der Forderung nennenswerte Erträgnisse frei würden. Eine solche Zwangsverwaltung auf unabsehbare Zeit hielt er nicht für richtig und lehnte deshalb eine Übernahme der Stelle eines Zwangsverwalters ab. Die Äußerung wurde dem Finanzamt am 24. September 1965 schriftlich zur Kenntnis gebracht. Am 8. November 1965 beantragte das Finanzamt die Einstellung der Exekution gemäß § 39 (1) Z. 6 EO. wegen Teilzahlung, ohne dies näher zu begrunden. Aus der Formulierung "Teilzahlung" kann aber nicht auf die Höhe des bestehenden Abgabenrückstandes geschlossen werden.

Auf Grund dieses Sachverhaltes nahm das Prozeßgericht erster Instanz an, daß den Organen des Finanzamtes am 8. November 1965 von der Zahlungsunfähigkeit der Firma X. nichts bekannt gewesen sei. Im vorliegenden Fall sei auch zu verneinen, daß die Finanzbeamten die Zahlungsunfähigkeit hätten kennen müssen; denn außer der eigenen Steuerforderung sei ihnen keine andere betriebene Forderung gegen die Firma X. bekannt gewesen. Die klagende Partei habe daher den ihr obliegenden Nachweis des schlechten Glaubens der Organe der beklagten Partei nicht erbringen können. Aber selbst dann, wenn dieser Nachweis erbracht worden wäre, wäre das Klagebegehren abzuweisen gewesen, weil das für die Steuerschuld begrundete Fahrnispfandrecht nicht anfechtbar gewesen wäre und sich die beklagte Partei bis zum voraussichtlich erzielbaren Schätzwert von 100.000 S hätte abgesondert befriedigen können, somit wohl nicht für ihre ganze Steuerforderung in der Höhe von 174.656.78 S, aber doch mit einem höheren Betrag als dem der Klagsforderung. Insoweit die beklagte Partei eine Zahlung bis zur Höhe der Klagsforderung am 8. November 1965 erhalten habe, wäre also auch dann kein Anfechtungstatbestand nach § 31 (1) Z. 2 KO. gegeben, wenn Schlechtgläubigkeit erwiesen wäre.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei Folge, hob das erstgerichtliche Urteil unter Rechtskraftvorbehalt gemäß § 519 Z. 3 ZPO. auf und verwies die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Der beklagten Partei bzw. ihren Organen hätte im Zeitpunkte der anfechtbaren Rechtshandlung, das ist am 8. November 1965, die Zahlungsunfähigkeit der Firma X. bekannt sein müssen, wie ihr bzw. ihren Organen auch die Gläubigermehrheit bekannt gewesen sei. Es seien daher grundsätzlich die gesetzlichen Voraussetzungen zur Anfechtung der Zahlung der Firma X. an die beklagte Partei im Sinne des § 31 (1) Z. 2 KO. gegeben gewesen. Nun hätte die beklagte Partei auf Grund ihrer außerhalb der Frist des § 31 (4) KO. erworbenen Pfandrechte für ihre Forderung im Konkurs die Stellung eines Absonderungsgläubigers gehabt. Dies hätte bedeutet, daß sich die beklagte Partei aus den von ihr gepfändeten Fahrnissen der Gemeinschuldnerin hätte befriedigen können.

Die Sache sei aber noch nicht spruchreif gewesen, weil das Erstgericht - ausgehend von seiner vom Berufungsgericht nicht gebilligten Rechtsansicht - nicht geprüft habe, inwieweit eine Benachteiligung anderer - sei es mit der beklagten Partei gleichrangiger, sei es dieser Partei gegenüber bevorrechteter Gläubiger - durch die angefochtene Rechtshandlung ziffernmäßig tatsächlich eingetreten sei. In diesem Umfang sei das Verfahren ergänzungsbedürftig und es sei daher mit einer Urteilsaufhebung in diesem Umfange gemäß § 496 (1) Z. 2 und 3 ZPO. vorzugehen gewesen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem dagegen erhobenen Rekurs der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Zu einer Anfechtung nach § 31 (1) Z. 2 KO. ist nur erforderlich, daß dem Anfechtungsgegner im Zeitpunkt seiner Befriedigung oder Sicherstellung die objektive Tatsache der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners bekannt war oder bekannt sein mußte, und daß die Anfechtung befriedigungstauglich ist.

Die Untergerichte sind mit Recht davon ausgegangen, daß die Beantwortung der Frage, ob die Zahlungsunfähigkeit dem Anfechtungsgegner bekannt sein mußte, in den Rahmen der rechtlichen Beurteilung des Sachverhaltes fällt (5 Ob 360/58 = EvBl. 1959 Nr. 101, 8 Ob 159/62 u. a.). Die Umstände, die einen solchen rechtlichen Schluß rechtfertigen, hatte im vorliegenden Fall allerdings der Kläger zu beweisen (7 Ob 224/64 u. a.). Aus den festgestellten Umständen, insbesondere aus der Erklärung des in Aussicht genommenen Zwangsverwalters, konnte das Berufungsgericht aber ohne Verstoß gegen die Denkgesetze und daher frei von Rechtsirrtum ableiten, daß der beklagten Partei - das heißt ihren diesfalls in Betracht kommenden Organen - die Zahlungsunfähigkeit der Firma X. bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte bekannt sein müssen. Gerade deshalb, weil der in Aussicht genommene Zwangsverwalter im Exekutionsakt ausführte, der zu erwartende Erfolg einer Zwangsverwaltung für die Rückerstattung der Schulden sei so gering, daß mit einer Gesundung des Unternehmens auf Jahre hinaus nicht zu rechnen sei, kann die beklagte Partei nicht mit Erfolg geltend machen, sie habe noch nicht von der Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 68 KO. - also einem nicht bloß vorübergehenden, sondern dauernden Mangel an Zahlungsmitteln der den Schuldner hindert, fällige Schulden zu bezahlen (5 Ob 360/58 = EvBl. 1959 Nr. 101) - ausgehen müssen, sondern bloß eine vorübergehende Zahlungsstockung annehmen können. Daran könnte auch der im Rekurs der beklagten Partei angeführte Umstand nichts ändern, daß der in Aussicht genommene Zwangsverwalter von einem wesentlich höheren Stand der rückständigen Steuerforderung ausging als dem, der sich nachträglich herausstellte. Denn der in Aussicht genommene Zwangsverwalter bezog sich in seiner Äußerung nicht nur auf rückständige Steuern, sondern sprach auch von anderen zu erwartenden Forderungen und verwies auf den "derzeitigen technischen Zustand des Betriebes".

Wenn im Rekurs darauf hingewiesen wird, daß deshalb, weil die Firma X. seit dem Jahre 1963 eine rückläufige Entwicklung hatte, in der Folge bezüglich der Jahre 1963 und 1964 ein sogenannter Nullbescheid erging, so mußte gerade daraus auch das Finanzamt - spätestens nach Einsichtnahme in die Bilanzen der Firma X., also noch vor Hinausgabe des "Nullbescheides" - auf den wahren Stand des Unternehmens schließen. Denn infolge der oben angeführten Nullbescheide ergab sich ja die Verringerung der Steuerschuld von 424.000 S auf zirka 175.000 S, welcher Betrag von 175.000 S dann ja auch die Grundlage der angefochtenen Zahlung bildete.

Was aber die Befriedigungstauglichkeit der Anfechtung anlangt, so ist den betreffenden Ausführungen im Rekurs, die dartun wollen, daß die Steuerforderungen der beklagten Partei in ihrer gesamten Höhe pfandrechtlich gesichert gewesen seien, entgegenzuhalten, daß es Sache der beklagten Partei sein wird, im fortgesetzten Verfahren - in dem im Sinne des Aufhebungsbeschlusses des Berufungsgerichtes erst geprüft werden soll, inwieweit eine Benachteiligung anderer mit der beklagten Partei gleichrangiger oder ihr gegenüber bevorrechteter Gläubiger durch die angefochtene Rechtshandlung ziffernmäßig tatsächlich eingetreten ist - aufzuzeigen, ob eine Benachteiligung anderer - im Sinne der vom Berufungsgericht zutreffend zitierten Entscheidung vom 4. November 1959, 5 Ob 455/59, diesfalls in Betracht kommender - Gläubiger tatsächlich doch nicht gegeben sei.

Wenn das Berufungsgericht als letzte Tatsacheninstanz aus den von ihm angeführten, nicht auf einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung des Sachverhaltes beruhenden Erwägungen diese Sache noch nicht für spruchreif hält, so entzieht sich dies einer Anfechtung vor dem Obersten Gerichtshof (5 Ob 49/64 = RiZ. 1965 S. 45, 46, 5 Ob 30/66 = JBl. 1967 S. 477, 478 u. a.).

Somit war dem Rekurs der Erfolg zu versagen.

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