Spruch:
Auch die die Klage vor einem Schiedsgericht unterbricht die Verjährung
Die Verjährung bleibt unterbrochen, wenn nach Beseitigung eines Schiedsspruches aus materiell-rechtlichen Gründen ohne ungerechtfertigte Verzögerung das Verfahren vor dem ordentlichen Gericht anhängig gemacht wird
Entscheidung vom 31. März 1966, 5 Ob 30/66
I. Instanz: Kreisgericht Wiener Neustadt; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien
Text
Die im Ausland ihren Sitz habende Klägerin begehrte mit der vorliegenden Klage den Schillingwert von 2150 US-Verrechnungsdollar samt 5% Zinsen seit 21. April 1961 zum Briefkurs der Wiener Börse für Zahlung New York am Zahlungstag. Sie brachte vor, daß der Beklagte bei der Klägerin laut Schlußbrief vom 14. Jänner 1961 500.000 zweijährige Weißkieferpflanzensämlinge in der Größe von 20 cm um je 4.50 Verrechnungsdollar für je 1000 Stück gekauft habe. Die Übernahme hätte in der Zeit zwischen dem 2. März 1961 und dem 20. April 1961 erfolgen sollen. Für den Streitfall haben sich die Parteien dem für den Beklagten zustehenden Schiedsgericht der Handelskammer unterworfen. Die Klägerin habe dem Beklagten die gekaufte Ware rechtzeitig zur Verfügung gestellt. Der Beklagte habe aber erst am 9. März 1961 der Klägerin davon Mitteilung gemacht, daß bei der Erlangung der Einfuhrgenehmigung Schwierigkeiten bestunden, obwohl er von deren Ablehnung schon am 18. Februar 1961 Kenntnis erhalten habe. Er habe durch die Unterfertigung des Schlußbriefes die Verpflichtung zur Abnahme der gekauften Ware übernommen.
Die Einfuhrgenehmigung wäre zu erreichen gewesen. Es entspreche überdies den Usancen, den Abnehmer das Risiko einer Verweigerung der Einfuhrbewilligung tragen zu lassen. Der Beklagte habe sich deshalb um die Einfuhrgenehmigung nicht weiter bemüht, weil er sich bereits anderweitig mit Weißkieferpflanzen eingedeckt habe.
Die Klägerin habe gegen den Beklagten vor dem ständigen Schiedsgericht der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Niederösterreich eine Schiedsgerichtsklage auf Bezahlung des Kaufpreises eingebracht und diesen Betrag nicht nur auf Grund des Vertrages, sondern auch als Schadenersatz begehrt. Der Beklagte habe sich auf die Verweigerung der Einfuhrgenehmigung und darauf berufen, daß die gekauften Pflanzen angeblich anderweitig zu verwerten gewesen wären. Die Klägerin habe in diesem Verfahren nachgewiesen, daß das ungarische Staatsgut, bei dem sie die Weißkieferpflanzen bestellt habe, die Bezahlung des Kaufpreises verlangt habe und daß die gekauften Weißkieferpflanzen zur Vermeidung weiterer unnützer Kosten im April 1961 verbrannt worden seien; denn Forstpflanzen müßten jährlich umgepflanzt werden. Im Zeitpunkt der Verständigung der Klägerin von den Schwierigkeiten zur Erlangung der Einfuhrgenehmigung am 9. März 1961 sei es dafür schon zu spät gewesen. Deshalb seien die Pflanzen wertlos geworden und haben verbrannt werden müssen.
Hätte der Beklagte die Klägerin schon Mitte Februar 1961 verständigt, so hätte die Klägerin über die Pflanzen anderweitig verfügen können.
Das Schiedsgericht habe mit dem Schiedsspruch vom 5. Juni 1964 den Beklagten zur Zahlung von 20.625 Forint verurteilt, wobei die Kosten des Verfahrens gegenseitig aufgehoben worden seien. Es habe gleichteiliges Verschulden der Parteien beim Abschluß des Vertrages angenommen und der Klägerin die Hälfte jenes Betrages zugesprochen, den sie an das ungarische Staatsgut habe zahlen müssen. Die Klägerin habe beim Kreisgericht Wiener Neustadt den Beklagten auf Aufhebung dieses Schiedsspruches geklagt. Infolge Anerkenntnis des Beklagten sei der Schiedsspruch mit Anerkenntnisurteil vom 18. Jänner 1965 aufgehoben worden.
Die Klägerin begehre deshalb den vereinbarten Kaufpreis von 2250 US-Verrechnungsdollar abzüglich der ersparten Transportkosten bis zur Grenze von 100 Dollar, somit einen Betrag von 2150 US-Verrechnungsdollar, der längstens bis 20. April 1961 fällig gewesen sei. Sie stützte sich insbesondere auf den Rechtsgrund des Schadenersatzes. Der Schiedsvertrag sei durch die Aufhebung des Schiedsspruches gegenstandslos geworden. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab; der Klägerin stehe ein Schadenersatzanspruch nicht zu, weil dieser Anspruch verjährt sei.
Der gegen das erstgerichtliche Urteil erhobenen Berufung der klagenden Partei gab die zweite Instanz Folge; sie hob das Urteil des Erstgerichtes auf und verwies die Sache an dieses Gericht - unter Rechtskraftvorbehalt gemäß § 519 Z. 3 ZPO. - zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung zurück. In seiner Begründung führte das Berufungsgericht u. a. aus, verjährt könnte der allfällige Schadenersatzanspruch der klagenden Partei noch nicht sein. Nach § 1489 ABGB. verjähren Schadenersatzansprüche grundsätzlich drei Jahre nach dem Zeitpunkt der Kenntnis des Schadens und des Schädigers. Nach dem Vorbringen der Klägerin habe sie schon im April 1961 gewußt, daß der Beklagte den behaupteten Vertrag nicht einhalten wolle. Sie habe nach ihren eigenen Angaben schon im April 1961 zur Vermeidung weiterer Kosten die Pflanzen als nicht mehr verwertbar verbrannt. Damals seien ihr daher die Grundlagen ihres angeblichen Schadenersatzanspruches bekannt geworden und die Verjährung hätte demnach zu laufen begonnen.
Noch vor dem Ablauf der dreijährigen Verjährungszeit habe die Klägerin ihren Schadenersatzanspruch mit der Eingabe vom 3. Februar 1964 vor dem Schiedsgericht geltend gemacht. Daher sei nur noch zu prüfen, ob die Verjährung dadurch unterbrochen worden sei, was zu bejahen sei. Nach § 1497 ABGB. werde die Verjährung durch die Einbringung einer Klage, der die Geltendmachung beim Schiedsgericht gleichzuhalten sei, nur dann nicht unterbrochen, wenn die Klage durch einen rechtskräftigen Spruch für unstatthaft erklärt werde. Anders gelagert sei der Fall, wenn ein Erkenntnis des Schiedsgerichtes wegen Verletzung zwingender Rechtsvorschriften beseitigt werden. Hier liege der Fehler nicht in der Geltendmachung durch eine unstatthafte Klage, sondern im Verfahren des Schiedsgerichtes. Darauf, ob dieses die zwingenden Rechtsvorschriften einhalte, haben die Parteien keinen Einfluß. Die Klägerin habe ihren Anspruch nach dem Schiedsvertrag vor dem Schiedsgericht geltend machen müssen. Allerdings sei die Entscheidung des Schiedsgerichtes über den Schadenersatzanspruch aufgehoben worden, weil angenommen worden sei, das Schiedsgericht habe zwingendes Recht verletzt; dies könne der klagenden Partei aber nach dem Gesagten nicht zum Nachteil gereichen.
Da also die Schadenersatzklage an sich nicht unschlüssig sei und ein allfälliger Schadenersatzanspruch auch noch nicht verjährt wäre, werde das Erstgericht im fortzusetzenden Verfahren festzustellen haben, ob den Beklagten ein Verschulden daran treffe, daß die Einfuhrbewilligung nicht erteilt worden sei, sowie ob und in welcher Höhe die Klägerin durch ein solches Verschulden einen Schaden erlitten habe. Erst dann werde die Sache abschließend beurteilt werden können.
Der Oberste Gerichtshof gab dem gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichtes erhobenen Rekurs der beklagten Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, daß auch die Klage vor einem Schiedsgericht im Sinne des § 1497 ABGB. - der nur von einer "Klage" spricht - die Verjährung unterbricht; denn infolge der Vereinbarung einer Schiedsgerichtsklausel mußte ja der Kläger seine Klage zunächst beim Schiedsgericht einbringen.
Wenn aber wie im vorliegenden Fall die Entscheidung des Schiedsgerichtes aus Gründen des materiellen Rechtes in der Folge aufgehoben wurde, so wird die Verjährung dann weiterhin unterbrochen bleiben, wenn nach der Aufhebung des Schiedsspruches ohne ungerechtfertigte Verzögerung das Verfahren beim ordentlichen Gericht anhängig gemacht wurde, was auch geschehen ist; denn die gegenständliche Klage wurde, nachdem der Schiedsspruch mit Urteil vom 18. Jänner 1965 des Kreisgerichtes Wiener Neustadt aufgehoben worden war, am 13. Februar 1965 bei Gericht eingebracht. In einem solchen Fall sind das Verfahren vor dem Schiedsgericht und das sich nach Beseitigung des Schiedsspruches unmittelbar daran anschließende Verfahren vor dem ordentlichen Gericht als eine Einheit zu betrachten; deshalb ist das Berufungsgericht ohne Rechtsirrtum davon ausgegangen, daß ein allfälliger Schadenersatzanspruch der klagenden Partei noch nicht verjährt wäre. Ähnlich hat übrigens der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung am 5. Oktober 1910 GlUNF. 5202 ausgesprochen, daß eine Anwendung des Schlußsatzes des § 1497 ABGB.
- betreffend die nicht erfolgte Unterbrechung der Verjährung - im gegebenen Fall deshalb nicht in Betracht gekommen sei, weil der Kläger sofort, nachdem ihm durch eine Entscheidung des damaligen Reichsgerichtes die - vorher nicht geklärte - Zulässigkeit des Rechtsweges endgültig bekannt geworden sei, das Verfahren im Wege einer Klage bei dem zuständigen Gericht aufgenommen habe.
Somit war dem Rekurs der Erfolg zu versagen.
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