Normen
ABGB §36
ABGB §37
ABGB §1486
ABGB §1502
Deutsches Bürgerliches Gesetzbuch §196
ABGB §36
ABGB §37
ABGB §1486
ABGB §1502
Deutsches Bürgerliches Gesetzbuch §196
Spruch:
Ist ein Kaufvertrag zwischen einem Ausländer und einem Inländer im Inland zustande gekommen, dann ist die Vereinbarung der Anwendung ausländischen Rechtes insoweit nicht möglich, als zwingende inländische Bestimmungen in Frage kommen
Entscheidung vom 29. September 1966, 1 Ob 149/66
I. Instanz: Bezirksgericht Linz; II. Instanz: Landesgericht Linz
Text
Die Klägerin, die in Westdeutschland ihren Sitz hat, beantragt, die beklagte Partei, die ihren Sitz in Österreich hat, zu verurteilen, ihr 8684.75 S samt 10% Zinsen seit 25. November 1965 zu bezahlen. Sie behauptet, der beklagten Partei gemäß ihrer Bestellung vom 26. Oktober 1961 zehn Stück "Elektror" Handgebläsemaschinen geliefert und hierüber die Rechnung Nr. 53.992 vom 16. November 1961 über
955.50 DM gelegt zu haben.
Das Erstgericht hat die Verjährungseinrede der beklagten Partei für berechtigt erkannt und das Klagebegehren abgewiesen.
Das Berufungsgericht hat das erstgerichtliche Urteil unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben und die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Seine Begründung läßt sich wie folgt zusammenfassen: Nach dem Bestellschein vom 26. Oktober 1961 habe die beklagte Partei bei der Klägerin zehn Stück "Elektror-Handgebläse HGN. 4" bestellt, wobei zwar die Anzahl der Stücke genannt, ein Preis aber nicht angeführt worden sei. Am 31. Oktober 1961 habe die klagende Partei geantwortet und darin die Gegenstände, Menge, Stückpreis und die weiteren Vertragsbedingungen angeführt. Einige Zeit danach habe die beklagte Partei, offenbar bei oder nach Erhalt der Ware, die Faktura erhalten, worin auf die Lieferungs- und Zahlungsbedingungen verwiesen worden sei.
Bei diesem Kauf handle es sich um einen Vertrag unter Abwesenden, wobei der Sitz der Verkäuferin in Deutschland gelegen sei. Die Käuferin habe ihren Sitz in Österreich. Nach einhelliger Lehre und Rechtsprechung sei bei einem Vertragsabschluß durch "Korrespondenz über die Grenze" als Vertragsort jener anzusehen, wo dem Antragenden die Annahmeerklärung zugekommen sei oder der Sitz der Offerenten sei. Darin sei das Anknüpfungsmoment für die Heranziehung des anzuwendenden materiellen Rechtes gelegen (Klang[2] I/1 139, richtig 239, Ehrenzweig, Allgemeiner Teil[2] S. 112 SZ. XXXIV 134). Die Klärung der Frage, welche der Parteien Offerent im Sinne des § 861 ABGB. sei, habe nach der lex fori zu erfolgen. Hiefür sei neben der Individualisierung des Adressaten die Bestimmtheit des Antrages maßgebend. Beim Kauf bedürfe es insbesondere der Bezeichnung von Leistung und Gegenleistung durch die Parteierklärung. Gehe man von diesen Grundsätzen aus, dann könne nur das Schreiben der Klägerin vom 31. Oktober 1961 als Offerte angesehen werden. Nur dieses enthalte alle jene Angaben, die notwendig seien, um den Vertrag durch die bloße Willensäußerung des Vertragspartners perfekt zu machen. Diese einverständliche Erklärung sei nun durch den Realakt des Empfangers, und zwar die Aneignungshandlung im Sinne des § 864 ABGB., erfolgt. Erst in diesem Zeitpunkt sei eine, wenn auch nur schlüssige Einigung über Kaufgegenstand und Preis zustande gekommen. Der Bestellschein der beklagten Partei vom 26. Oktober 1961 weise die angeführten Erfordernisse nicht auf. Sei somit der Offerent bestimmt, so ergebe sich daraus die anzuwendende deutsche Rechtsordnung. Wenn man sich aber auf den Standpunkt stellen sollte, daß schon das Bestellschreiben der beklagten Partei die Offerte gewesen sei, so sei sie als Blankoofferte zu qualifizieren, bei der es der Verkäuferin überlassen gewesen wäre, die Kaufvertragsbedingungen auszufertigen. Dem wäre seitens der Klägerin neben dem Schreiben vom 31, Oktober 1961 offenbar auch mit der Übersendung der Zahlungs- und Lieferbedingungen entsprochen worden. Wenn nun die beklagte Partei mit diesen Vertragsbedingungen nicht einverstanden gewesen wäre oder diese, wie sie behauptet, nicht einmal erhalten hätte, so wäre sie nach Treu und Glauben verpflichtet gewesen, zu dem Hinweis auf die Vertragsbedingungen in der Faktura unverzüglich Stellung zu nehmen. Da sie dies nicht getan habe, so müßte ihr Verhalten dahin ausgelegt werden, daß sie die von der Klägerin dem Geschäft zugrunde gelegten Zahlungs- und Lieferbedingungen angenommen habe. Diese seien zum Vertragsinhalt geworden und demgemäß auch diesfalls deutsches Recht anzuwenden. Die Einrede der Verjährung sei nach deutschem Recht zu beurteilen. Nach § 196 BGB., Punkt I 1, im Zusammenhang mit Punkt II verjährten Ansprüche der Kaufleute, Fabrikanten, Handwerker und derjenigen, welche ein Kunstgewerbe betreiben, für Lieferung von Waren, Ausführung von Arbeiten und Besorgung fremder Geschäfte mit Einschluß der Auslagen in zwei Jahren, es sei denn, daß die Leistung für den Gewerbebetrieb des Schuldners erfolgt sei. Soweit die in Abs. 1 Nr. 1 bezeichneten Ansprüche nicht der Verjährung von zwei Jahren unterlägen, verjährten sie in vier Jahren. Der Lauf der Verjährungsfrist beginne mit Schluß des Jahres, in welchem der nach den §§ 198 bis 200 BGB. maßgebende Zeitpunkt eintrete (§ 201 BGB.), das sei der Zeitpunkt der Entscheidung des Anspruchs, und zwar bei Kaufpreisforderungen der Kaufabschluß. Im vorliegenden Fall habe die Verjährung mit Ende des Jahres 1961 zu laufen begonnen. Wie dem Handelsregister zu entnehmen sei, sei die Beklagte eine Kommanditgesellschaft, also ein Gewerbebetrieb, weil sie, wie sich aus der Natur dieser handelsrechtlichen Gesellschaftsform im Zusammenhang mit der Firmenbezeichnung "Maschinen und Werkzeuge" ergebe, einen auf Erzielung dauernder Einnahmen gerichteten berufsmäßigen Geschäftsbetrieb darstelle. Danach finde die vierjährige Verjährungsfrist Anwendung. Die Klage sei der beklagten Partei am 10. Dezember 1965 zugestellt worden. Bis zu diesem Zeitpunkt, der gemäß § 209 BGB. maßgeblich sei, sei die Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen und daher die Kaufpreisforderung der Klägerin noch nicht erloschen gewesen. Die Verjährungseinrede der beklagten Partei sei somit unbegrundet. Dies mache die Aufhebung des angefochtenen Urteils erforderlich, weil die beklagte Partei das Klagsvorbringen sowohl dem Gründe als auch der Höhe nach bestritten habe.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der beklagten Partei Folge, hob den Beschluß des Berufungsgerichtes auf und trug dem Berufungsgericht auf, neuerlich zu entscheiden.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Das Berufungsgericht geht mit Recht davon aus, daß im vorliegenden Fall für die Ermittlung des anzuwendenden Rechts der Ort, wo dem Antragenden die Annahmeerklärung zugekommen ist, maßgebend ist. Es kann aber die Meinung nicht gebilligt werden, daß die Bestellung der Beklagten vom 26. Oktober 1961 mangels Bestimmtheit nicht als Antrag aufzufassen sei. Die Bestellung ist als Kaufantrag aufzufassen, zu dessen Bestimmtheit die Angabe des Kaufgegenstandes ausreicht, weil der Preis bestimmbar ist. Als solcher kommt der kundenübliche Preis in Frage, in dessen Ermangelung allenfalls nach Handelsrecht der angemessene Preis (vgl. SZ. XXVI 284). Die Annahme des Antrages ist mit dem Schreiben der Klägerin vom 31. Oktober 1961 erfolgt, worin der Preis und die Zahlungs- und Lieferbedingungen bekanntgegeben worden sind, denen sich die beklagte Partei stillschweigend unterworfen hat. Ungeklärt ist noch, ob die der Beilage/B angehefteten Zahlungs- und Lieferbedingungen zugrunde zu legen sind, die in ihrem Punkt 10 vorsehen, daß für die vertraglichen Beziehungen deutsches Recht gelte, oder die erst im Revisionsverfahren als Beilage ./B 1 vorgelegte Auftragsbestätigung vom 31. Oktober 1961, die Verkaufsbedingungen enthält, in denen die Verweisung auf die Geltung deutschen Rechtes fehlt. Diese Frage bedarf aber deshalb keiner Klärung, weil ein Kaufvertrag zwischen einem Ausländer (dem Kläger) und einer österreichischen Handelsgesellschaft im Inland zustande gekommen ist, der nach § 36 ABGB. ohne Ausnahme nach österreichischem Recht zu beurteilen ist (vgl. Walker, Internationales Privatrecht[5] S. 149, 408). Es ist zwar möglich, Vertragsbestimmungen zu vereinbaren, die einem ausländischen Recht entsprechen, jedoch nicht, soweit zwingendes Recht in Frage kommt. Die Verlängerung der dreijährigen Verjährungsfrist des § 1486 Z. 1 ABGB., die hier zur Anwendung kommt, durch Vereinbarung der vierjährigen Verjährungsfrist nach deutschem Recht verstößt gegen die zwingende Bestimmung des § 1502
ABGB.
Da demnach der Anspruch der Klägerin durch Verjährung erloschen ist, bedarf es keiner weiteren Feststellungen mehr durch das Erstgericht.
Das Berufungsgericht wird also über die Berufung der klagenden Partei neuerlich zu entscheiden haben.
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