OGH 5Ob109/66

OGH5Ob109/662.6.1966

SZ 39/101

Normen

Liegenschaftsteilungsgesetz §§15 ff
Liegenschaftsteilungsgesetz §18 (3)
Liegenschaftsteilungsgesetz §32
Liegenschaftsteilungsgesetz §§15 ff
Liegenschaftsteilungsgesetz §18 (3)
Liegenschaftsteilungsgesetz §32

 

Spruch:

Im Verfahren nach den §§ 15 ff. LiegTeilG. gelten für das Rechtsmittelverfahren gemäß § 32 LiegTeilG. die Vorschriften des Verfahrens außer Streitsachen, weil nicht das Ansuchen der Partei, sondern der Anmeldungsbogen die Grundlage der Verbücherung bildet

Zur Frage des Ermessens im Sinne des § 18 (3) LiegTeilG.

Entscheidung vom 2. Juni 1966, 5 Ob 109/66

I. Instanz: Bezirksgericht Hallein; II. Instanz: Landesgericht Salzburg

Text

Das Erstgericht ordnete auf Grund des mit der Amtsbestätigung des Vermessungsamtes S. vom 20. Oktober 1965 versehenen Anmeldungsbogens Nr. 10/1964 der KG. N. gemäß den §§ 15 ff. LiegTeilG. ob der im Eigentum der X-Gesellschaft m. b. H. stehenden Liegenschaft EZ. 84 KG. N. folgende Eintragungen an:

1. Die Ersichtlichmachung der Abänderung der Kulturgattung des Grundstückes Nr. 48/2 Wiese in Weg;

2. die lastenfreie Abschreibung des Grundstückes Nr. 48/2 Weg vom Gutsbestand der Liegenschaft EZ. 84 und seine Zuschreibung zur EZ. 73 desselben Grundbuches.

Das Erstgericht hielt in einem Amtsvermerk vom 3. Dezember 1965 fest, daß unter Bedachtnahme auf den Wert gleichartiger benachbarter Grundstücke gelegentlich von Verkäufen der Wert des abzuschreibenden Trennstückes wahrscheinlich den Betrag von 6000 S nicht übersteigen dürfte. Sollte der Wert den angeführten Betrag übersteigen, würde der Mehrbetrag durch die mit der Weganlage verbundene Wertsteigerung der nicht abgeschriebenen Grundstücke ausgeglichen sein.

Das Rekursgericht änderte den erstgerichtlichen Beschluß, der in seinem Punkt 1 bezüglich der Ersichtlichmachung der Abänderung der Kulturgattung des Grundstückes Nr. 48/2 von Wiese in Weg als nicht in Beschwerde gezogen unberührt blieb, in seinem Punkte 2, das ist im Ausspruch über die lastenfreie Abschreibung des Grundstückes Nr. 48/2 vom Gutsbestand der Liegenschaft EZ. 84 und seiner Zuschreibung zur EZ. 73 desselben Grundbuches dahin ab, daß der Punkt 2 des erstgerichtlichen Beschlusses aufgehoben und die Beteiligten zur Herstellung der Grundbuchsordnung gemäß § 28 LiegTeilG. aufgefordert wurden. Seine Begründung läßt sich dahin zusammenfassen, daß sich auf Grund der vom Erstgericht durchgeführten Erhebungen ergebe, daß das abgeschriebene Grundstück ein Ausmaß von 9031 m2 aufweise und die Aufschließungswege für 88 Grundstücke darstelle, auf welche sich das Bauvorhaben Siedlung II beziehe.

Wenngleich nicht geltend gemacht worden sei, daß der Wert des abzuschreibenden Weggrundstückes 6000 S übersteige, so sei doch hierauf von Amts wegen Bedacht zu nehmen, und die Wertannahme des Erstgerichtes zu überprüfen. Daß der Wert des abzuschreibenden Gründes von 9031 m2 bei einem Preis von 41.50 S pro Quadratmeter den Betrag von 6000 S übersteige, und der Mehrbetrag auch durch die Weganlage und die damit verbundene Werterhöhung der anderen Gründe nicht ausgeglichen würde, liege auf der Hand. Dabei könne nicht die künftige Verwendung als Weg maßgebend sein, sondern der Wert, den der Grund vor seiner Abtretung gehabt hätte. Das Mißverhältnis gegenüber dem Betrag von 6000 S sei aber so groß, daß ein Verfahren nach den §§ 15 ff. LiegTeilG. nicht stattfinden könne.

In dem gegen den Beschluß des Rekursgerichtes von der Eigentümerin der EZ. 73 KG. N. eingebrachten Revisionsrekurs wurde der Antrag gestellt, den erstgerichtlichen Beschluß zur Gänze wiederherzustellen.

Der Oberste Gerichtshof gab diesem Revisionsrekurs nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Begründung

Was die Frage anlangt, welche Vorschriften für das Rechtsmittelverfahren zur Anwendung gelangen, so richtet sich nach § 32 Lieg- TeilG. nur die Anfechtung von Beschlüssen, die sich auf das Ansuchen einer Partei um Bewilligung einer grundbücherlichen Eintragung beziehen, nach den Bestimmungen der §§ 122 ff. GBG. Für die Anfechtung sonstiger Beschlüsse über die im Liegenschaftsteilungsgesetz geregelten Angelegenheiten gelten die Grundsätze des Verfahrens außer Streitsachen. Im Verfahren nach den §§ 15 ff. Lieg- TeilG. bildet nicht ein Ansuchen der Partei, sondern der Anmeldungsbogen die Grundlage der Verbücherung, sodaß für das Rechtsmittelverfahren gemäß § 32 LiegTeilG., die Vorschriften des Verfahrens außer Streitsachen zur Anwendung gelangen (Goldschmidt,

Die Verbücherung von Straßen- und Wasserbauanlagen 1937 S. 9 Punkt 3, S. 45, Bartsch, Das österreichische allgemeine Grundbuchsgesetz Manz 1933 S. 602, Sattler, Rechtsmittel im Grundbuchsverfahren, NotZ, 1949 S. 19, 20, Feil, Angewandtes Grundbuchsrecht S. 35, 36, 3 Ob 107/54 = SZ. XXVII 40, 5 Ob 400/59, 5 Ob 159/64, EvBl. 1955 Nr. 316, 5 Ob 274/64 u. v. a.). Der Umstand, daß die Bestimmungen des außerstreitigen Verfahrens Platz greifen, hat aber zur Folge, daß das Rekursgericht Beweismittel unabhängig vom Erstgericht frei würdigen und seiner Beweiswürdigung entsprechend Feststellungen treffen konnte, da für den Grundsatz der Unmittelbarkeit des Verfahrens im Verfahren außer Streitsachen kein Raum besteht (s. hiezu Rintelen, Grundriß des Verfahrens außer Streitsachen S. 29, Ott, Rechtsfürsorgeverfahren S. 178, GlUNF. 4516, 7 Ob 12/56 = EvBl. 1956 Nr. 90, 8 Ob 5/66).

Nicht beigetreten werden kann der Auffassung der Rekurswerberin, daß das Gericht zweiter Instanz nicht zur Prüfung der Frage befugt war, ob der Wert des zur Herstellung einer Straßen- oder Weganlage bestimmten Grundstückes (§ 15 Z. 1 LiegTeilG.) den Betrag von 6000 S übersteigt (§ 17 (1) LiegTeilG.) und ob der 6000 S übersteigende Liegenschaftswert voraussichtlich durch eine im Hinblick auf die Schaffung der Anlage eintretende Wertsteigerung ausgeglichen wird (§ 18 LiegTeilG.). Im Rahmen eines zulässigen Rechtsmittels hatte das Rekursgericht von Amts wegen jene Voraussetzungen zu prüfen, deren amtswegige Ermittlung dem Erstgericht obliegt. Die Verbindlichkeit dazu ergibt sich schon auf Grund der Vorschrift des § 17 LiegTeilG. Danach hat das Gericht hinsichtlich der im § 15 Z. 1 und 2 LiegTeilG. bezeichneten Grundstücke nach Einlangen des Anmeldungsbogens zu ermitteln, ob ihr Wert den Betrag von 6000 S wahrscheinlich nicht übersteigt ... Desgleichen bestimmt § 18 LiegTeilG., daß dann, wenn der Wert den Betrag von 6000 S wahrscheinlich nicht übersteigt, die durch die Anlage verursachten, aus dem Anmeldungsbogen und seinen Beilagen ersichtlichen Änderungen hinsichtlich der im § 15 Z. 1 und 2 LiegTeilG. bezeichneten Grundstücke sofort und von Amts wegen bücherlich durchzuführen sind.

Auch im Schrifttum (Bartsch, Das österreichische Allgemeine Grundbuchsgesetz Manz 1933 S. 597, Goldschmidt, die Verbücherung von Straßen- und Wasserbauanlagen 1937 S. 9 Punkt 3) kommt der Grundsatz der amtswegigen Wertermittlung zum Ausdruck, von dem es abhängt, ob das vereinfachte Verfahren nach den §§ 15 ff. Lieg- TeilG. Platz greift, oder ob nach den §§ 21 und 28 LiegTeilG. vorzugehen ist.

Was den Wert der zur Straßenanlage oder Weganlage verwendeten, von einem Grundbuchskörper abzuschreibenden Trennstücke anlangt, so ist bei der Wertermittlung nach § 17 (2) LiegTeilG., wie der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen hat (2 Ob 521/51, 5 Ob 159/64 u. a.), von den ortsüblichen Durchschnittspreisen auszugehen, wie sie vor der Planung der Straßenanlage bezahlt wurden. Werterhöhungen, die durch die Planung entstanden sind, bleiben außer Betracht (s. hiezu auch Goldschmidt, Die Verbücherung von Straßen- und Wasserbauanlagen 1937 S. 29). Diesfalls beträgt das Flächenausmaß des abzuschreibenden Grundstückes 9031 m2. Für die Liegenschaften, zu deren Gutsbestand das abzuschreibende Grundstück gehört, wurde auf Grund eines Kaufvertrages vom 30. November 1962 ein Kaufpreis von 41.50 S je Quadratmeter vereinbart. Schon bei Berücksichtigung des im Jahre 1962 vereinbarten Kaufpreises wird die im § 17 LiegTeilG. für das vereinfachte Verfahren vorgesehene Wertgrenze von 6000 S überschritten. Seither weisen die Grundstückspreise eine steigende Tendenz auf. Der derzeitige Wert des Trennstückes in dem Zustand vor der Errichtung der Straßen- oder Weganlage, der, wie der Oberste Gerichtshof bereits dargetan hat (2 Ob 521/51, 5 Ob 159/64), der Wertermittlung nach § 17 LiegTeilG, zugrunde zu legen ist, übersteigt daher, wie das Rekursgericht zutreffend hervorhebt, zweifellos den Betrag von 6000 S. Die Rekurswerberin ist im Recht darin, daß gemäß § 18 (3) LiegTeilG. das grundbücherliche Bagatellverfahren im Sinne der §§ 17 ff. LiegTeilG. auch bei einem 6000 S übersteigenden Wert der zu den im § 15 Z. 1 und 2 leg. cit. verwendeten, von einem Grundbuchskörper abzuschreibenden Trennstücke durchgeführt werden kann, wenn der Mehrbetrag voraussichtlich durch die Wertsteigerung ausgeglichen wird, welche die bei dem Grundbuchskörper verbleibenden Grundstücke durch die Anlage erfahren. Schon aus dem Worte "kann" im § 18 (3) LiegTeilG. ergibt sich, daß es dem Gericht bei einem 6000 S übersteigenden Wert des Trennstückes anheimgestellt ist, bei Vorliegen gewichtiger Gründe die grundbücherliche Durchführung im vereinfachten Verfahren zu verweigern. Diese Auffassung findet ihre Bekräftigung im Bericht des Justizausschusses zum Liegenschaftsteilungsgesetz (418 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates III. GP. S. 2). Danach sollte bei geringfügigen Veränderungen eine Art grundbücherliches "Bagatellverfahren" Platz greifen. Ähnliche Erwägungen kommen auch im Schrifttum (Hoyer, Bemerkungen zum LiegenschaftsteilungsG. NotZ. 1930 S. 229) zum Ausdruck. Wenn daher das Rekursgericht die Auffassung vertritt, daß bei einer Fläche von 9031 m2 und einem Preis von 41.50 S je Quadratmeter enteigneter Fläche ein solches Mißverhältnis bestehe, daß ohne förmliche Schätzung im Verfahren nach den §§ 17 ff. LiegTeilG. nicht gesagt werden könne, daß der Mehrbetrag voraussichtlich durch die Wertsteigerung ausgeglichen werde, und daher das vereinfachte Verfahren nicht mehr Platz zu greifen habe, so kann darin ein Verstoß des Gerichtes zweiter Instanz gegen die Bestimmung des § 18

(3) LiegTeilG. nicht erblickt werden. Damit erscheint aber den Ausführungen der Rekurswerberin über die Wertsteigerung des abzuschreibenden Grundstückes durch die zu errichtende Straßen- oder Weganlage der Boden entzogen.

Dem Revisionsrekurs war somit der Erfolg zu versagen.

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