Spruch:
Mit der Rechtskraft des gemäß § 179a (2) Satz 2 ABGB. die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters ersetzenden Beschlusses ist der schriftliche Adoptionsvertrag abgeschlossen
Entscheidung vom 2. September 1965, 8 Ob 177/65
I. Instanz: Bezirksgericht Klagenfurt; II. Instanz: Landesgericht Klagenfurt
Text
Aus der mit Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 15. September 1958 geschiedenen Ehe des Ferdinand L. und der Michaela L. stammt die am 7. Jänner 1956 geborene mj. Brigitte. Michaela L. hat nach ihrer Scheidung von Ferdinand L. am 27. Juni 1959 den Dr. Gerhard B. geheiratet.
Am 25. Juli 1964 übersandte Dr. B. an das Bezirksgericht Klagenfurt eine "Erklärung" folgenden Inhaltes:
"Ich, Dr. Gerhard B., nehme hiemit gemäß § 179 ABGB. das eheliche Kind meiner Ehegattin Michaela, mj. Brigitte L., an Kindes Statt an.
Das Wahlkind befindet sich seit 27. Juni 1959 in meiner häuslichen Gemeinschaft und wird wie ein leibliches Kind von mir erzogen und gehört zu meinem Familienkreis.
Die leibliche Mutter ist mit der Kindesannahme einverstanden."
Diese Erklärung ist von Dr. Gerhard B. und Michaela B. unterschrieben. Das Erstgericht hat mit Beschluß vom 12. November 1964 1. die Annahme der mj. Brigitte L. an Kindes Statt durch Dr. Gerhard B. als Wahlvater bewilligt; 2. die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters, nämlich des ehelichen Vaters Ferdinand L. gemäß § 181 (1) ABGB. ersetzt und ausgesprochen, daß 3. gemäß § 182 ABGB. die familienrechtlichen Beziehungen des Wahlkindes zum leiblichen Vater erloschen seien und 4. das Wahlkind den neuen Familiennamen "B." trage.
Das Rekursgericht hat diesen Beschluß zunächst aufgehoben.
Das Erstgericht hat daraufhin seinen Beschluß vom 12. November 1964 wiederholt.
Das Rekursgericht hat nunmehr den Beschluß des Erstgerichtes, gegen den der eheliche Vater der Minderjährigen und die beiden ehelichen Kinder des Dr. Gerhard B. aus erster Ehe Rekurs erhoben haben, in seinen Punkten 1. 3 und 4 aufgehoben und in Punkt 2 dahin abgeändert, daß der Vertrag des Dr. Gerhard B., die fehlende Zustimmung des ehelichen Vaters der mj. Brigitte L. zu ersetzen, abgewiesen wird.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof gab den Revisionsrekursen des Pflegschaftsrichters des Bezirksgerichtes Klagenfurt und des Dr. Gerhard B. Folge und sprach aus, der angefochtene Beschluß werde in seiner Z. 2 abgeändert und der erstgerichtliche Beschluß im Abs. 2 mit der Maßgabe wiederhergestellt, daß die Einwilligung des ehelichen Vaters Ferdinand L. in den Vertrag über die Annahme der mj. Brigitte L. als Wahlkind durch Dr. Gerhard B. als Wahlvater gemäß § 179a (2) ABGB. ersetzt werde.
Im übrigen, d. i. in seiner Z. 1. werde der angefochtene Beschluß aufgehoben und dem Rekursgericht eine neuerliche Entscheidung über die Bewilligung der Annahme an Kindes Statt der mj. Brigitte L. als Wahlkind durch Dr. Gerhard B. als Wahlvater aufgetragen.
Zum Zustandekommen einer Annahme an Kindes Statt sind zwei Akte, die streng auseinanderzuhalten sind, erforderlich: Der Abschluß eines schriftlichen Vertrages und die gerichtliche Bewilligung der Annahme (§ 179a (1) ABGB. in der Fassung des Gesetzes BGBl. Nr. 58/1960). Der schriftliche Vertrag muß zwischen den Annehmenden einerseits und dem Wahlkinde (wenn dieses nicht eigenberechtigt ist, vertreten durch dessen gesetzlichen Vertreter) andererseits geschlossen werden. Verweigert der gesetzliche Vertreter seine Einwilligung, so hat das Gericht sie auf Antrag des Annehmenden oder des Wahlkindes zu ersetzen, wenn keine gerechtfertigten Gründe für die Weigerung vorliegen (§ 179a (2) ABGB.). Wie aus den erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (Nr. 70 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates IX. GP. S. 14) hervorgeht, ist absichtlich bei der Neufassung des Adoptionsrechtes durch das erwähnte Bundesgesetz das Erfordernis der vertraglichen Errichtung der Kindesannahme aufrechterhalten und die Einführung des Antragssystems abgelehnt worden. Vom Erfordernis eines schriftlichen Vertrages für die Annahme an Kindes Statt kann daher nicht abgegangen werden.
Ein Vertrag kommt durch die Abgabe eines Versprechens und dessen Annahme zustande (§ 861 ABGB.). Wie oben dargelegt wurde, ordnet das Gesetz für den Fall, daß der gesetzliche Vertreter des mj. Wahlkindes seine Einwilligung in den Vertrag, also die Annahme des Versprechens, ohne gerechtfertigte Gründe verweigert, die Ersetzung seiner Einwilligung durch das Gericht an. Der Beschluß des Pflegschaftsgerichtes, durch welchen diese Ersetzung ausgesprochen wird, tritt daher an die Stelle der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters. Mit der Rechtskraft dieses Beschlusses ist der schriftliche Adoptionsvertrag abgeschlossen.
Auf Grund dieses Vertrages ist sodann auf Antrag eines Vertragsteiles die Annahme an Kindes Statt vom Gericht zu bewilligen. Es bestehen keine Bedenken dagegen, daß beide Beschlüsse des Pflegschaftsgerichtes formal in einem Beschluß verbunden werden. Es muß nun darauf geachtet werden, daß die Gründe für die Ersetzung der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters eines mj. Wahlkindes in den Vertragsabschluß andere sein können als jene für die Bewilligung der Annahme an Kindes Statt. Die Gründe, aus denen der gesetzliche Vertreter seine Einwilligung verweigern kann, können auch auf seiner Seite liegen, während die Bewilligung der Annahme an Kindes Statt dann auszusprechen ist, wenn die Annahme dem Wohle des nicht eigenberechtigten Wahlkindes dient (§ 180a (1) Satz 2 ABGB.).
Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt folgendes: In der Erklärung des Dr. Gerhard B. vom 25. Juli 1964 ist das schriftliche Versprechen im Sinne des § 861 ABGB. zu erblicken. Den Revisionsrekursen ist zuzustimmen, daß durch den Beschluß des Pflegschaftsgerichtes über die Ersetzung der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters des mj. Wahlkindes im Falle seiner Rechtskraft der schriftliche Adoptionsvertrag zustandekommt.
Das Rekursgericht hat die Abweisung des Antrages des Wahlvaters Dr. Gerhard B., die fehlende Einwilligung des Vaters der Minderjährigen, Ferdinand L., in den Adoptionsvertrag zu ersetzen, damit begrundet, daß Dr. B. mit der Mutter des mj. Wahlkindes Michaela L. die Ehe gebrochen habe und deshalb die Weigerung Ferdinand L.'s, der Adoption seines Kindes durch jenen Mann, der seine Ehe zerstört habe, zuzustimmen, sittlich gerechtfertigt sei. Die beiden Revisionsrekurse machen dagegen geltend, mit dem Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 15. September 1958 sei die Ehe der Eltern des mj. Wahlkindes aus beiderseits gleichteiligem Verschulden der Ehegatten geschieden worden. Von einem Ehebruch der Michaela L. als Grund für die Zerrüttung der Ehe sei darin keine Rede. Wenn dies auch, wie sich aus der im Pflegschaftsakt erliegenden Ausfertigung dieses Urteiles ergibt, richtig ist, könnte trotzdem der vom Rekursgericht angeführte Grund die Weigerung Ferdinand L.'s wohl als sittlich gerechtfertigt erscheinen lassen, jedoch nur dann, wenn Ferdinand L. seinerseits alles getan hätte, um das sittliche Band zwischen ihm und seinem Kind auch nach Scheidung der Ehe aufrecht zu halten. In diesem Belange steht fest, daß er wohl den im pflegschaftsbehördlich genehmigten Vergleich anläßlich seiner Scheidung vereinbarten Unterhalt von 300 S monatlich für das Kind regelmäßig bezahlt, es steht aber weiter fest, daß er nichts unternommen hat, um einen persönlichen Kontakt mit seinem Kind herbeizuführen, auch nicht anläßlich der Festtage Weihnachten und Ostern oder der Geburtstage. Gerade wenn aber Ferdinand L. der Ansicht gewesen wäre, daß die Entfremdung zwischen ihm und seinem Kind durch die Mutter und den Wahlvater bewußt herbeigeführt worden sei, hätte er die Hilfe des Pflegschaftsgerichtes in Anspruch nehmen müssen, um die persönlichen Beziehungen zu seinem Kind herzustellen, etwa durch eine gerichtliche Regelung des Besuchsrechtes. Dies hat er durch ganze sechs Jahre seit der Scheidung der Ehe nicht getan. Wenn Ferdinand L. aber durch so lange Zeit sich nicht bemüht hat, eine persönliche Bindung zu seinem Kind herzustellen, also selbst seine sittlichen Verpflichtungen vernachlässigt hat, dann kann er sich nicht zur Rechtfertigung der Weigerung seiner Zustimmung darauf berufen, daß Annehmender der Mann sei, der seine Ehe zerstört habe.
Den Revisionsrekursen war daher Folge zu geben und der erstgerichtliche Beschluß in seinem Abs. 2 wiederherzustellen, wobei allerdings die richtig anzuwendende Bestimmung des § 179a (2) ABGB. und der dort gebrauchte Wortlaut des Gesetzes anzuführen war.
Das Rekursgericht ist, wie sich aus den Ausführungen dieses Beschlusses ergibt, von der durch den Obersten Gerichtshof nicht gebilligten Rechtsansicht ausgegangen, es liege kein schriftlicher Vertrag über die Annahme an Kindes Statt vor, und hat daher den erstgerichtlichen Beschluß in seinen Abs. 1, 3 und 4 über die Bewilligung der Annahme an Kindes Statt und die damit zusammenhängende Feststellung über das Erlöschen der familienrechtlichen Beziehungen zwischen Wahlkind und leiblichem Vater und über den Namen des Wahlkindes zu Unrecht aufgehoben. Der Beschluß des Rekursgerichtes war daher insoweit aufzuheben und dem Rekursgericht eine neuerliche Entscheidung über die Bewilligung der Annahme an Kindes Statt aufzutragen.
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