Spruch:
Entschuldigungsgrunde nach § 195 ABGB. müssen bei Ablehnung der Übernahme einer Vormundschaft ausdrücklich geltend gemacht werden.
Entscheidung vom 9. Juni 1964, 8 Ob 191/64. I. Instanz:
Bezirksgericht Eferding; II. Instanz: Kreisgericht Wels.
Text
Das Erstgericht hat den Bruder des wegen Trunksucht beschränkt entmundigten Wilhelm P., den Bundesbahnbeamten Anton P. zum Beistand des Entmundigten bestellt, obwohl Anton P. erklärt hat, nicht bereit zu sein, dieses Amt zu übernehmen.
Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß.
Der Oberste Gerichtshof wies den von Anton P. mit der Begründung, daß die Untergerichte auf die körperlichen Leiden des Beschwerdeführers und das schwere Kriegsleiden der Frau des Beschwerdeführers sowie überdies darauf keine Rücksicht genommen hätten, daß der Beschwerdeführer als definitiver Beamter der österreichischen Bundesbahnen öffentlicher Beamter sei und daher gemäß § 195 ABGB. gegen seinen Willen zur Übernahme einer Pflegschaft nicht herangezogen werden könne, erhobenen Revisionsrekurs zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Da der Revisionsrekurs zwei gleichlautende Beschlüsse der Untergerichte bekämpft, ist er nur unter den Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 AußStrG., also nur bei Vorliegen einer Aktenwidrigkeit, Nichtigkeit oder offenbaren Gesetzwidrigkeit zulässig. Die beiden erstgenannten Gründe werden vom Revisionsrekurswerber gar nicht geltend gemacht. Es liegt aber auch keine offenbare Gesetzwidrigkeit vor. Die Beurteilung der Frage, ob die vom Revisionsrekurswerber behaupteten Krankheitserscheinungen bei ihm und seiner Frau einen Grund zur Ablehnung der Bestellung zum Beistande darstellten, obliegt dem Ermessen des entscheidenden Gerichtes. Bei Ermessensentscheidungen kann aber eine offenbare Gesetzwidrigkeit nicht vorliegen (JBl. 1946 S. 354 u. a.). Sie kann aber auch in der behaupteten Nichtbeachtung der Bestimmung des § 195 ABGB. nicht erblickt werden. Der Entschuldigungsgrund des § 195 ABGB. ist ein "freiwilliger" (s. Marginalrubrik zu § 195 ABGB.), d. h. er muß geltend gemacht werden. Der Revisionsrekurswerber hat seine Eigenschaft als Bundesbahnbeamter aber weder im Verfahren erster Instanz, noch in seinem Rekurse gegen den Bestellungsbeschluß des Erstgerichtes als Entschuldigungsgrund angeführt. Sein nunmehriges Vorbringen ist daher eine Neuerung, auf die nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes im Rahmen eines außerordentlichen Revisionsrekurses nach § 16 AußStrG. kein Bedacht genommen werden kann.
Der Revisionsrekurs war daher, da keiner der nach § 16 AußStrG. allein zulässigen Anfechtungsgrunde vorliegt, als unzulässig zurückzuweisen.
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