OGH 5Ob240/63

OGH5Ob240/6312.9.1963

SZ 36/113

Normen

Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §98
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §98

 

Spruch:

Auch Nachzahlungen (von Pensionsbezügen) sind nur in den im § 98 ASVG. vorgesehenen Fällen pfändbar.

Entscheidung vom 12. September 1963, 5 Ob 240/63.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:

Oberlandesgericht Graz.

Text

Mit Beschluß vom 7. Jänner 1959 wurde über das Vermögen des Ing. Kajetan H. der Konkurs eröffnet.

Durch Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten vom 6. Februar 1963 wurde dem Gemeinschuldner ab 1. Februar 1959 eine Alterspension zuerkannt. Die für die Zeit vom 1. Februar 1959 bis einschließlich Februar 1963 überwiesene Nachzahlung im Betrage von 66.636 S wurde vom Postamt B. im Hinblick auf die im Konkurs bestehende Postsperre dem Masseverwalter ausgefolgt, wovon der Gemeinschuldner am 22. Februar 1963 Kenntnis erhielt. Er stellte daraufhin gemäß § 98 ASVG. den Antrag, ihm den angeführten Betrag zuzüglich aller mit der Rückzahlung verbundenen Kosten und Nebenspesen sofort zu überweisen.

Das Erstgericht wies den Antrag des Gemeinschuldners, die Nachzahlung seiner Alterspension für die Zeit vom 1. Februar 1959 bis 31. Dezember 1962 in der Höhe von 63.392 S 30 g aus der Konkursmasse auszuscheiden, ab. Der Masseverwalter wurde angewiesen, dem Gemeinschuldner die laufenden Bezüge seiner Alterspension ab 1. Jänner 1963 auszufolgen, hingegen die erhaltene Nachzahlung für die Zeit vom 1. Februar 1959 bis 31. Dezember 1962 in der Höhe von 63.392 S 30 g einzubehalten, auf ein Sonderkonto der Sparkasse F. einzulegen und sich hierüber binnen acht Tagen auszuweisen. Nach § 98 ASVG. könnten zwar Ansprüche auf Geldleistungen nach dem ASVG. - allerdings nur zur Deckung bestimmter Vorschüsse sowie zu einer Hereinbringung von Unterhaltsansprüchen - gepfändet werden, doch gehe die Tendenz der angeführten Gesetzesstelle dahin, dem Pensionsempfänger die Mittel für seinen Unterhalt sicherzustellen. Der dem Versorgungsgedanken des ASVG. entspringende Pfändungsschutz sei jedoch hinsichtlich einer Nachzahlung nicht vertretbar, da der Unterhalt durch die laufende Pension sichergestellt erscheine und einer Nachzahlung nicht mehr Unterhaltscharakter zukomme. Dieser Grundsatz folge auch aus der Vorschrift des § 1418 ABGB., wonach für die Vergangenheit kein Unterhalt gefordert werden könne.

Das Rekursgericht gab dem gegen die Einbeziehung seiner Pensionsnachzahlung in die Konkursmasse gerichteten Rekurs des Gemeinschuldners Folge und wies in Abänderung des erstgerichtlichen Beschlusses den Masseverwalter an, die dem Gemeinschuldner nach dem ASVG. zukommende Nachzahlung der Alterspension für die Zeit vom 1. Februar 1959 bis 31. Dezember 1962 in der Höhe von 63.392 S 30 g samt den aufgelaufenen Zinsen wegen Unpfändbarkeit nicht für die Konkursmasse in Anspruch zu nehmen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Masseverwalters nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes nach Art. 7 B-VG. soll darin liegen, daß Bezieher von Pensionen nach dem ASVG. gemäß § 98 ASVG. einen weitergehenden Pfändungsschutz genießen als Bezieher von Ruhegenüssen aus einem öffentlichen Dienstverhältnis oder einem anderen, nicht dem ASVG unterliegenden Dienstverhältnis, denen nur die Beschränkungen des Lohnpfändungsgesetzes zustatten kommen.

Dem Rekurswerber entgeht, daß § 98 ASVG. sich nicht nur auf Ruhebezüge beschränkt, sondern sich auf alle Ansprüche auf Geldleistungen nach dem ASVG. erstreckt und ihre Übertragung, Verpfändung und Pfändung nur in den erschöpfend angeführten Fällen des § 98 (1) Z. 1 und 2 ASVG. zuläßt. Zu den Ansprüchen nach dem ASVG. zählen aber nicht nur Pensionen, sondern z. B. auch Ansprüche auf Krankengeld, auf Leistungen aus dem Versicherungsfall der Mutterschaft (§§ 117 ff. ASVG.), Versehrtenrenten und die Heilbehandlung nach erlittenen Unfällen und Versehrtenrenten beim Eintritt von Berufskrankheiten (§§ 173 ff. ASVG.). Die von den Pensionen nach dem ASVG. verschiedenen Leistungen sind zum Teil zweckgebunden. Die Pensionen hingegen bezwecken, dem Berechtigten Versorgung und Unterhalt für solche Zeiträume zu sichern, in denen er aus eigener Kraft infolge seines körperlichen oder geistigen Zustandes nicht imstande ist, sich selbst den Unterhalt zu beschaffen. Dem Versorgungsgedanken entsprechend wurden auch die Pensionsleistungen nach dem ASVG. einem Pfändungsschutz unterworfen. Anders verhält es sich bei den Ruhegenüssen aus öffentlichrechtlichen Dienstverhältnissen, die in Fortwirkung des Dienstverhältnisses gewährt werden und bei denen den Ruhegenußempfänger auch weiterhin ein gewisses Maß an Rechten und Pflichten mit dem öffentlich-rechtlichen Dienstgeber verbindet. Dies hat zur Folge, daß objektive Merkmale, nämlich die Leistungen, die dem Pfändungsschutz nach dem ASVG. unterstellt wurden, der Art und ihrem Inhalt nach grundsätzlich verschieden von jenen sind, die dem Lohnpfändungsgesetz unterliegen. Entsteht aber eine verschiedene Behandlung nur dadurch, daß objektive Merkmale aus sachlichen Erwägungen eine verschiedenartige Regelung erfordern, dann wird dadurch der Gleichheitsgrundsatz nicht verletzt (vgl. VfGH. Slg. 2286, 2537, 3389 u. a. m.). Es besteht daher keine Handhabe, beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag gemäß Art. 140 (1) B-VG. zu stellen.

Zutreffend führt das Rekursgericht aus, daß schon nach der sprachlichen Fassung des § 98 ASVG. Ansprüche auf Geldleistungen nach diesem Bundesgesetz mit Ausnahme des Hilflosenzuschusses nur in den dort unter Z. 1 und 2 angeführten Fällen übertragen, verpfändet oder gepfändet werden können. Die angeführte Gesetzesstelle erklärt - abgesehen von den dort aufgezählten Ausnahmen, nämlich zur Deckung bestimmter Vorschüsse sowie zur Deckung gesetzlicher Unterhaltsansprüche - die dem Versicherten zustehenden Ansprüche für nicht pfändbar, gleichgültig, ob es sich um Ansprüche auf eine laufende Leistung oder solche auf Nachzahlung einer bereits früher fällig gewordenen Leistung handelt. Zum gleichen Ergebnis wie auf Grund der eindeutigen sprachlichen Fassung der Vorschrift des § 98 ASVG. gelangt man auf Grund der rechtsgeschichtlichen Entwicklung dieser Gesetzesstelle. § 98 ASVG. übernahm, wie sich aus den Gesetzesmaterialien (Nr. 599 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des NR., VII. GP., S. 43, zu § 98 ASVG.) ergibt, den früher in den Bestimmungen des § 119 RVO. geregelten Rechtszustand.

§ 119 RVO. sprach, abgesehen von bestimmten taxativ aufgezählten Fällen, die Unpfändbarkeit von Versicherungsleistungen aus, ohne zwischen bereits vor längerer Zeit fällig gewordenen und laufenden Leistungen zu unterscheiden. Die gleiche Auffassung kommt auch im Schrifttum (Nowak, "Die allgemeinen Vorschriften für Leistungsansprüche aus der Pensionsversicherung nach dem ASVG.", Versicherungsgrundschau 1956, S. 13 ff., "Wann ist die Übertragung, Pfändung oder Verpfändung eines Leistungsanspruches zulässig", Soziale Sicherheit, 1958, S. 265, Schneider, "Die Praxis bei der Pfändung und Überweisung von Rentenbezügen nach dem ASVG.", ÖJZ. 1960, S. 116) zum Ausdruck.

Dem steht auch nicht entgegen, daß die Pensionsnachzahlung, sobald sie dem Berechtigten ausbezahlt wurde, aufhört, Pensionsforderung zu sein, und in der Hand des Empfängers oder in der Masse zu Bargeld wird, weshalb die Auffassung vertreten werden könnte, daß darauf Exekution nach Maßgabe der Vorschrift des § 251 Z. 7 EO. geführt werden könnte. Desgleichen ist der Umstand nicht von Belang, ob der Gemeinschuldner Beträge für seinen Unterhalt aus der Masse erhalten hat. Denn nach den Feststellungen der Untergerichte gelangte die Pensionsnachzahlung noch nicht in die Hand des Gemeinschuldners, sondern wurde vielmehr zu Unrecht dem Masseverwalter ausgefolgt. Damit hat sich der Anspruch auf eine Geldleistung nach dem ASVG. noch nicht in dem Gemeinschuldner zugekommenes Bargeld umgewandelt, das seines Charakters als Pensionsbezug entkleidet ist. Daraus folgt aber, daß die Vorschrift des § 251 Z. 7 EO. überhaupt nicht anwendbar ist, weil der Exekution unterworfenes Bargeld beim Gemeinschuldner noch nicht vorhanden ist. Hiezu kommt, daß § 98 ASVG. ebenso wie die anderen Exekutionsbefreiungen den Zweck verfolgt, alle Eingänge aus den exekutionsfreien Einkommensquellen konkursfrei zu belassen. Der Gemeinschuldner kann Bargeld und Naturalien, die ihm aus einer solchen Quelle zukommen, verwenden wie er will. Sie sind nicht Vermögen, das dem Gemeinschuldner neu zufällt und daher zur Masse gezählt wird (Bartsch - Pollak, Konkursordnung, Band I, S. 22, 23). Die Vorschrift des § 98 ASVG., die hier in Betracht kommt, bringt, wie bereits dargetan wurde, unmißverständlich zum Ausdruck, daß die Unpfändbarkeit der Leistungen nach dem ASVG. in jeder Richtung gesichert und ihre einengende Auslegung ausgeschlossen sein soll. § 98 (3) ASVG ordnet über die Unpfändbarkeit der Leistungen hinaus auch die Unpfändbarkeit der Anwartschaften und sonstigen Ansprüche an. Zutreffend hat daher das Rekursgericht, anknüpfend an die Rechtsprechung (ZBl. 1916, Nr. 255, EvBl. 1958, Nr. 391) und die Rechtslehre (vgl. Neumann - Lichtblau, Manz 1929, 2. Band, S. 909), ausgesprochen, daß auch die Nachzahlung eines Pensionsbezuges im Rahmen des § 98 ASVG. unpfändbar ist, weil für die Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen über die Exekutionsbeschränkungen der Charakter des Bezuges zur Zeit der Fälligkeit desselben maßgebend ist.

Sofern der Revisionsrekurs ausführlich darauf Bezug nimmt, daß der Gemeinschuldner einen geschlossenen Zwangsausgleich nicht erfüllt und seinen Verpflichtungen im Verwertungsverfahren nicht nachgekommen sei, übersieht er, daß diese Umstände für die Beurteilung der Pfändbarkeit eines Anspruches nach § 98 ASVG. rechtlich ohne Belang sind.

Da der Revisionsrekurs eine unrichtige rechtliche Beurteilung nicht aufzuzeigen vermochte, mußte ihm der Erfolg versagt bleiben.

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