Normen
Genfer Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche ArtIV
Genfer Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche ArtIV
Spruch:
Es ist nicht notwendig, einem Exekutionsantrag auf Grund ausländischer Schiedssprüche, für welche die Bestimmungen des Übereinkommens BGBl. Nr. 200/1961 gelten, eine Bestätigung der Schiedsrichter über die Rechtskraft und Vollstreckbarkeit des Erkenntnisses beizulegen.
Entscheidung vom 7. Juni 1963, 3 Ob 86/63.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Die betreibende Gläubigerin beantragt zur Hereinbringung des Betrages von NF. 9429.99 s. A. Bewilligung der Fahrnis- und Forderungsexekution und legt folgende Urkunden vor: Den Schiedsspruch a. z. Tourroing vom 2. April 1962, gefertigt vom Schiedsrichter P. T., einen nur von der betreibenden Gläubigerin, nicht aber vom Verpflichteten gefertigten Schiedsvertrag und schließlich ein auf einem offenbar für deutsche Kunden der betreibenden Gläubigerin bestimmten Vordruck enthaltenes Schreiben des Verpflichteten vom 21. Oktober 1959. Es heißt dort: "Wir bestätigen den Erhalt Ihrer Auftragsbestätigung für die Bestellung, die wir Ihnen zu den umseitig angeführten Verkaufs- und Lieferungsbedingungen erteilt haben." Es folgt dann in französischer Sprache die Bestellung der Ware. Die Rückseite dieses Schreibens enthält unter der Überschrift "Verkaufs- und Lieferungsbedingungen für Fabrikationskammgarne" eine Reihe von Bestimmungen, von denen Punkt 4. lautet: "Gerichtsstand: Gerichtsstand ist für beide Teile der Sitz der Firma des Verkäufers. Jede aus diesem Verkaufsvertrag entspringende Streitsache wird endgültig gemäß dem internationalen Schiedsspruchvertrag der internationalen Wollvereinigung entschieden."
Das Erstgericht gab dem Exekutionsantrag statt.
Über Rekurs wies die zweite Instanz das Begehren ab. Sie führte aus, daß gemäß § 80 EO. ein Exekutionsantrag, der sich auf einen ausländischen Titel grundet, mit der Bestätigung versehen sein müsse, daß letzterer einem die Vollstreckbarkeit hemmenden Rechtszug nicht mehr unterliege. Ebenso müsse gemäß § 54 (2) EO. jeder Schiedsspruch die Bestätigung der Schiedsrichter über den Eintritt der Rechtskraft und Vollstreckbarkeit enthalten. Da diesen Vorschriften im vorliegenden Falle nicht genügt worden sei, müsse der Exekutionsantrag abgewiesen werden, ohne daß untersucht zu werden brauchte, ob die Voraussetzungen des Genfer Übereinkommens über die Vollstreckbarkeit ausländischer Schiedssprüche BGBl. Nr. 200/1961, vorliegen.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der betreibenden Partei Folge und stellte die erstgerichtliche Entscheidung wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Gemäß § 84 EO. sind die vorangehenden Vorschriften nur anzuwenden, wenn nicht in internationalen Vereinbarungen etwas anderes festgelegt ist. Nach den oben angeführten Übereinkommen, dem sowohl Österreich als auch Frankreich beigetreten sind, ist es nicht notwendig, dem Antrag auf Vollstreckung des schiedsrichterlichen Erkenntnisses eine Bestätigung über dessen Vollstreckbarkeit und Rechtskraft beizulegen. (Art. IV (1) lit. a und b).
Hierüber ist gemäß Art. V (1) lit. e erst auf Antrag der Gegenpartei, nach österreichischen Verfahrensrecht, also auf Grund eines Widerspruches gegen die Exekutionsbewilligung zu entscheiden. In den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage betreffend das Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche, 364 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des NR. IX. GP., zu Art. V e heißt es:
"Während es sich beim Genfer Abkommen (vom 26. 9. 1927 BGBl. Nr. 343/1930) bei der Frage des Vorliegens einer endgültigen Entscheidung um eine positive Voraussetzung handelt, die der betreibende Gläubiger nachzuweisen hat, ist hier der Versagungsgrund, wie bei den anderen Fällen des Abs. 1, nur auf Einrede des Verpflichteten, der auch die Beweislast trägt, beachtlich. Außerdem kommt es nicht darauf an, daß der Schiedsspruch "endgültig" geworden ist, was zu Auslegungsschwierigkeiten geführt hat; so wurde zum Teil im ausländischen Schrifttum und in der Rechtsprechung die Auffassung vertreten, daß der Schiedsspruch in dem Staat, in dem er ergangen ist, bereits vollstreckbar erklärt sein muß, bevor er im Vollstreckungsstaat vollstreckt werden kann (sogenanntes doppeltes Exequatur); nach der Fassung des Übereinkommens dagegen muß er abstrakt vollstreckungsfähig geworden sein."
Die Entscheidung vom 25. Jänner 1961, 3 Ob 406/1960, in der die Vorlage von Urkunden darüber für notwendig erklärt wurde, daß es sich um einen wirksamen Schiedsspruch handelt erging noch vor dem am 7. August 1961 kundgemachten Übereinkommen, BGBl. Nr. 200/1961, steht daher mit der vorliegenden Entscheidung, die sich auf eine geänderte Rechtslage stützt, nicht im Widerspruch.
Der vom Rekursgericht angeführte Mangel ist daher nicht gegeben, so daß es nicht notwendig war, darauf einzugehen, ob er nicht gemäß § 84 ZPO. und § 78 EO. zu beheben gewesen wäre.
Es ist daher zu untersuchen, ob die sonstigen Voraussetzungen der Exekutionsbewilligung gegeben sind oder ob ihr die im Rekurs des Verpflichteten gegen den Beschluß des Erstgerichtes behaupteten Hindernisse entgegenstehen.
Der Verpflichtete meint, ein Schiedsvertrag liege überhaupt nicht vor. Nun ist es richtig, daß die diesbezügliche Urkunde vom 16. November 1961, Beilage C, vom Verpflichteten nicht unterschrieben worden ist. Punkt 4 der auf der Rückseite des Schreibens vom 21. Oktober 1959, Beilage B, enthaltenen Bedingungen stellt jedoch eine Schiedsabrede im Sinne des Art. II (2) des Übereinkommens dar. Die Urkunde ist allerdings nur vom Verpflichteten, nicht aber von der betreibenden Gläubigerin unterschrieben. Aus dem 1. Satz des Textes geht aber eindeutig hervor, daß die betreibende Gläubigerin dem Verpflichteten die Bedingungen mit der Schiedsabrede übersendet und der Verpflichtete ihnen zugestimmt hat.
Es ist allerdings nicht klar, ob P. T. gehörig zum Schiedsrichter bestellt worden ist. Diese Frage kann aber bei Bewilligung der Exekution nicht geprüft werden, weil Art. V (1) lit. d des Übereinkommens ausdrücklich bestimmt, daß auch hierüber nur auf Antrag der Parteien zu entscheiden und gegebenenfalls die Vollstreckung zu verweigern ist. Es wäre Sache des Verpflichteten gewesen, diese Umstände mittels Widerspruches geltend zu machen. Das Übereinkommen geht offenbar davon aus, daß es eine seine Durchführung in Frage stellende Überforderung wäre, den betreibenden Gläubiger zu zwingen, die Voraussetzungen der Wirksamkeit des Schiedsspruches zur Gänze im Exekutionsantrag urkundlich nachzuweisen.
Schließlich meint der Verpflichtete, die Anerkennung oder Vollstreckung des Schiedsspruches widerspreche der öffentlichen Ordnung in Österreich, weil unser Recht keine solchen Verzugsfolgen kenne, wie sie der Schiedsrichter ausgesprochen habe.
Abgesehen davon, daß bei vorsätzlicher oder grobfahrlässiger Schädigung auch nach österreichischem Recht gemäß § 1324 ABGB. volle Genugtuung zu leisten und nach Handelsrecht (Art. 8 Z. 2 d. 4. VO. z. Einf. handelsr. Vorschriften) überhaupt stets der Verdienstentgang zu ersetzen ist, handelt es sich hier um vermögensrechtliche Fragen, die mit der öffentlichen Ordnung nichts zu tun haben.
Da im übrigen der Exekutionsantrag durch den Titel gedeckt ist, war dem Revisionsrekurs Folge zu geben und die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen.
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