OGH 5Ob343/62

OGH5Ob343/6214.2.1963

SZ 36/26

Normen

Einführungsgesetz zur Jurisdiktionsnorm ArtIX
Einführungsgesetz zur Jurisdiktionsnorm §1
Einführungsgesetz zur Jurisdiktionsnorm ArtIX
Einführungsgesetz zur Jurisdiktionsnorm §1

 

Spruch:

Die am 22. Oktober 1940 zwischen der damaligen deutschen Regierung und der damaligen rumänischen Regierung abgeschlossene Vereinbarung über die Umsiedlung der deutschstämmigen Bevölkerung in der Südbukowina und der Dobrudscha enthält keine in Österreich klagbare Verpflichtung zur Entschädigung.

Entscheidung vom 14. Februar 1963, 5 Ob 343/62.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Der Kläger ist nach der Klagsdarstellung einer von 556 Umsiedlern aus Bessarabien, der Bukowina und der Dobrudscha, die sich im Gebiete von Österreich niedergelassen und in der Folge die österreichische Staatsangehörigkeit erlangt haben. Er behauptet, in der gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichteten Klage, diese habe die Umsiedler, die deutsche Staatsangehörige geworden seien, nach dem Gesetz über den Lastenausgleich vom 14. August 1952, BGBl. I, S. 446, entschädigt, verweigere aber den Umsiedlern anderer Staatsangehörigkeit eine Entschädigung. Das Bundesministerium für Justiz habe erklärt, daß Österreich eine Entschädigung ablehne, daß die Umsiedler ihre Ansprüche gegen die beklagte Partei geltend zu machen haben und daß es zweckmäßig wäre, die Rechtslage durch einen Modellprozeß klarzustellen. Der Kläger behauptet, er habe sich als seinerzeitiger rumänischer Staatsangehöriger freiwillig der Umsiedlung gemäß der Vereinbarung vom 22. Oktober 1940 zwischen der damaligen Deutschen Regierung und der damaligen Königlich Rumänischen Regierung über die Umsiedlung der deutschstämmigen Bevölkerung in der Südbukowina und der Dobrudscha in das Deutsche Reich angeschlossen. Er habe in Rumänien einen Bauernhof mit lebendem und totem Inventar im Schätzwerte von 50.800 RM zurückgelassen und den Gegenwert nicht erhalten, obwohl die Leistung seit dem 26. November 1940 fällig und zu verzinsen war und das Deutsche Reich im Jahre 1941 vom Königreich Rumänien gemäß dem Staatsvertrag Umsiedlervermögen im Betrage von 132.530.160.90 RM überwiesen erhielt. Der Kläger verlangt von der beklagten Partei die Zahlung des Betrages von 50.800 S samt 4% Zinsen seit dem 26. November 1940 und stützt seinen Anspruch auf einen privatrechtlichen Vertrag mit dem Deutschen Reich, dem er zu Handen der deutschen Abwicklungsstelle bei der deutschen Gesandtschaft in Bukarest (D. A. S.) sein Vermögen anvertraut habe und das ihm Vereinbarungsgemäß sein Vermögen im Wege der Deutschen Umsiedlungs-Treuhand-Gesellschaft m. b. H. mit dem Sitze in Berlin (D. U. T.) im Inland hätte ausfolgen sollen, sowie auf den Rechtsgrund der Bereicherung. Die Zuständigkeit des angerufenen Landesgerichtes für ZRS. Wien wurde als Gerichtsstand des Vermögens mit der Behauptung in Anspruch genommen, die beklagte Partei sei Eigentümerin des Hauses in Wien III., Metternichgasse 3.

Das Erstgericht fällte ein der Klage stattgebendes Versäumungsurteil, das von der beklagten Partei mit Berufung angefochten wurde.

Das Berufungsgericht hob das Versäumungsurteil und das vorangegangene Verfahren einschließlich der Zustellung der Klage als nichtig auf und wies die Klage infolge des Mangels der inländischen Gerichtsbarkeit zurück. Es hielt die Berufung für rechtzeitig und führte aus, das angefochtene Versäumungsurteil sei wegen des eingehaltenen ungesetzlichen Zustellvorganges nach § 477 Z. 4 ZPO. nichtig; darüber hinaus sei der in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmende Mangel der inländischen Gerichtsbarkeit aufzugreifen gewesen; die beklagte Partei werde aus einem Staatsvertrag, somit aus einem öffentlich rechtlichen, ja sogar dem Völkerrecht zugehörenden Tatbestand in Anspruch genommen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Das Berufungsgericht konnte die Frage, ob für den Anspruch die inländische Gerichtsbarkeit gegeben ist, nur anläßlich eines zulässigen und rechtzeitigen Rechtsmittels aufgreifen. Hätte es eine verspätete Berufung erledigt, läge ein Verstoß gegen die Rechtskraft vor, der die Nichtigkeit des Verfahrens und der Entscheidung zur Folge gehabt hätte und vom Obersten Gerichtshof von Amts wegen zu berücksichtigen gewesen wäre (§ 411 (2) ZPO., SZ. XXX 48). Der Ansicht des Berufungsgerichtes über die Rechtzeitigkeit der Berufung ist beizupflichten. Die deutsche Botschaft hat mit der Verbalnote vom 27. Februar 1962 dem Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten das Versäumungsurteil vom 22. Jänner 1962 samt dem unausgefüllten Zustellschein zurückgestellt und mitgeteilt, daß die Bundesrepublik Deutschland mit Berufung auf Art. IV des Haager Übereinkommens über den Zivilprozeß vom 1. März 1954 die Zustellung des Urteils ablehnt. Nach dieser Bestimmung kann die Vornahme der Zustellung nur abgelehnt werden, wenn sie nach der Auffassung des Staates, auf dessen Gebiet sie erfolgen soll, geeignet erscheint, seine Hoheitsrechte zu verletzen oder seine Sicherheit zu gefährden. Mag hier auch die beklagte Partei zugleich auch der um Rechtshilfe ersuchte Staat sein liegt hier doch nicht der Fall vor, daß die beklagte Partei die Annahme des Zustellstückes verweigerte, in welchem Falle nach § 109 ZPO. vorzugehen gewesen wäre, sondern der Fall, daß der ersuchte ausländische Staat die Rechtshilfe verweigerte. Diese Verweigerung ist ein Hoheitsrecht des ausländischen Staates, gegen dessen Ausübung gemäß Art. 1 (2) des Übereinkommens nur im diplomatischen Wege Abhilfe gesucht werden kann. Das Versäumungsurteil ist bei dieser Sachlage der beklagten Partei überhaupt nicht zugestellt worden und es konnte daher die Berufungsfrist nicht zu laufen beginnen. Die von der beklagten Partei eingebrachte Berufung kann daher nicht verspätet sein. Nach ständiger Rechtsprechung sind Entscheidungen nicht erst nach der Zustellung und nach dem Beginn der Rechtsmittelfrist, sondern schon von dem Zeitpunkte an anfechtbar, in dem die Bindung des Gerichtes an seine Entscheidung, z. B. durch Abgabe an die Gerichtskanzlei, eingetreten ist (SZ. XXI 2 u. a.). Die Berufung wurde daher mit Recht als rechtzeitig behandelt.

Die weiteren Fragen, ob beim Erstgericht der Vermögensgerichtsstand gegeben war und ob ein Versäumungsfall vorliegt, treten gegenüber der Frage, ob die inländische Gerichtsbarkeit gegeben ist, zurück, denn deren Mangel schließt überhaupt jede Tätigkeit der inländischen Gerichte aus und muß in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen beachtet werden. Die Ausführungen im Rekurs vermögen im Ergebnis gegenüber der Ansicht des Berufungsgerichtes nicht durchzudringen. Der Oberste Gerichtshof hat sich bei der Anwendung des Art. IX EGzJN. seit dem Spruch Nr. 28 neu (SZ. XXIII 143, siehe auch JBl. 1962, S. 43) der Theorie der relativen Immunität angeschlossen. Diese besagt, dem ausländischen Staat stehe die Immunität nur im Bereiche seines hoheitlichen Handelns zu und dieses entziehe sich der Beurteilung durch fremdstaatliche Organe und ein Staat sei nur in bezug auf sein privatrechtliches Handeln, wenn ein Anknüpfungspunkt nach internationalem Privatrecht besteht, einer fremdstaatlichen Gerichtsbarkeit unterworfen. Die Immunität wird gewährt für acta jure imperii und verweigert bei allen acta jure gestionis. Im einzelnen Fall ist die Entscheidung darnach zu treffen, ob der Anspruch aus einer Handlung des ausländischen Staates abgeleitet wird, die er in Ausübung seiner Souveränitätsrechte vornahm, oder ob der Anspruch aus privatrechtlichen Rechtsverhältnissen oder Tatbeständen geltend gemacht wird, auf Grund derer der ausländische Staat gleich einer Privatperson berechtigt oder verpflichtet wurde. Die von der klagenden Partei herangezogenen privatrechtlichen Haftungsgrunde können nicht bestehen, weil die Haftung aus einem Staatsvertrag abgeleitet wird, der, selbst wenn man der Entscheidung SZ. XXXIII 15 folgen wollte, nach seinem Inhalt keine konkrete Verpflichtungserklärung zur Leistung von Entschädigungen enthält. Das zurückgebliebene Vermögen der Umsiedler wurde nach diesem Vertrag von der D. A. S. erfaßt, die als eine Behörde der deutschen Regierung eingesetzt wurde und handelte und deren Organe die Rechte der Exterritorialität genossen. Das Vermögen wurde der Königlich Rumänischen Regierung übergeben. Dadurch entstand eine Schuld des rumänischen Staates an das Deutsche Reich, deren Zahlung im Übereinkommen geregelt wurde. Die aus diesem Staatsvertrag entstandene Verpflichtung des deutschen Reiches, den Umsiedlern den Gegenwert des in Rumänien zurückgelassenen Vermögens zu vergüten, beruht nicht auf einem privatrechtlichen Sammelvertrag oder auf einzelnen Verträgen des Deutschen Reiches mit den Umsiedlern, sondern sie ist eine Verpflichtung öffentlich rechtlicher Natur, entsprungen aus einer politischen Maßnahme des Deutschen Reiches. Die Erfüllung dieser Verpflichtung ist, wie überhaupt das Kriegsschädenrecht, Sache der Gesetzgebung. Die Frage der Entschädigung kann nur allgemein verbindlich durch Gesetz oder hinsichtlich der Umsiedler anderer Staatsangehörigkeit durch zwischenstaatliche Vereinbarung geregelt werden. Beide Wege sind von der beklagten Partei beschritten worden und zwar durch das Lastenausgleichsgesetz vom 31. Dezember 1952 und durch den Finanz- und Ausgleichsvertrag vom 27. November 1961 (BGBl. Nr. 283/1962), laut dessen Art. 8 (1) sich die beklagte Partei verpflichtet hat, sicherzustellen, daß auch an österreichische Staatsangehörige, die Vertriebene oder Umsiedler sind, unter gewissen Voraussetzungen die Leistungen des deutschen Lastenausgleichs gewährt werden. Daß die Entschädigungsansprüche der Umsiedler öffentlich rechtlicher Natur sind und nicht in das Gewand privatrechtlicher Ansprüche gekleidet werden können, ist auch der Standpunkt der deutschen Rechtsprechung (BGHZ. 22 286). Aus dem Grundsatz der relativen Immunität ist daher zu folgern, daß der Anspruch nicht der inländischen Gerichtsbarkeit unterliegt. Die Klage ist mit Recht aus diesem Gründe zurückgewiesen worden.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte