Spruch:
Der Beschluß, mit dem ein Sachverständiger enthoben wird, ist unanfechtbar.
Entscheidung vom 26. September 1962, 1 Ob 187/62.
I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
Das Erstgericht hat mit seinem Beschluß vom 11. April 1962 u. a. den mit Beschluß vom 12. Dezember 1959 bestellten Prof. Ing. Sch. als Sachverständigen enthoben.
Den Rekurs des Beklagten gegen diesen Beschluß wies das Rekursgericht aus folgenden Erwägungen zurück: Die angeordnete Enthebung bezwecke nach der Begründung nichts anderes als die Ersetzung des bisherigen Sachverständigen durch einen anderen. Damit werde nur in Ausführung des Beweisbeschlusses über die Durchführung des Sachverständigenbeweises die Person des Sachverständigen neu ausgewählt, der Beschluß stelle daher nur eine Ergänzung des Beweisbeschlusses dar. Beweisbeschlüsse seien aber nach § 277 (4) (§ 291) ZPO. durch ein abgesondertes Rechtsmittel nicht anfechtbar. Die Ersetzung eines Sachverständigen durch einen anderen sei sowohl in § 351 (2) ZPO. als auch in § 354 (2) ZPO. für zulässig erklärt. Da bereits ein wenn auch nur als provisorisch bezeichnetes, vom Erstgericht jedoch für ungenügend erachtetes Gutachten vorliege, wäre richtig nach § 362 (2) ZPO. vorzugehen gewesen. Die Bestellung eines anderen Sachverständigen zur neuerlichen Begutachtung hätte dann nur die Anzahl (soll offenbar richtig heißen Zahl) der zu bestellenden Sachverständigen betroffen, wogegen ein Rekurs nach § 366 (2) ZPO. überhaupt nicht zulässig sei. Der Beschluß des Erstgerichtes in Punkt 1 könne daher zumindest durch ein abgesondertes Rechtsmittel nicht angefochten werden.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der beklagten Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Rekurswerber meint, daß der Hinweis des Rekursgerichtes auf § 277 (1) ZPO. fehl am Platze sei, weil die Enthebung eines Sachverständigen nicht als Ergänzung des Beweisbeschlusses aufgefaßt werden könne. Im Beweisbeschluß seien nur die streitigen Tatsachen, über die Beweis zu erheben ist, und die Beweismittel genau zu bezeichnen. Die Auswahl des Sachverständigen und seine namentliche Bestellung seien kein Teil des Beweisbeschlusses. Auch im vorliegenden Fall sei die Bestellung des Sachverständigen durch getrennten Beschluß erfolgt. Die Bestimmung des § 366 (1) ZPO. wäre überflüssig, wenn die dort angeführten Maßnahmen als Teil des Beweisbeschlusses ohnehin nicht durch ein abgesondertes Rechtsmittel angefochten werden könnten. - Für die Frage der Anfechtbarkeit komme es auch nicht darauf an, wie das Erstgericht hätte vorgehen sollen, maßgebend sei vielmehr, wie es tatsächlich vorgegangen ist. Auch könne bei den im § 362 (2) ZPO. angeführten Maßnahmen nicht gesagt werden, daß es sich nur um die Zahl der Sachverständigen handle. Diese Gesetzesstelle sehe 3 Möglichkeiten vor, von denen die Zuziehung anderer Sachverständiger nur eine darstelle. Außerdem habe § 366 (2) ZPO. wohl nur die im § 351 (1) ZPO. erwähnte Anordnung über die Zahl der Sachverständigen im Auge. Der Beschluß, mit welchem ein Sachverständiger enthoben werde, sei weder in Abs. 1 noch in Abs. 2 des § 366 ZPO. angeführt. Dies sei auch berechtigt; denn die Enthebung eines Sachverständigen, noch dazu nach Erstattung eines vorläufigen Gutachtens, sei eine Maßnahme von einschneidender Bedeutung, für die der Gesetzgeber offensichtlich ein Rechtsmittel habe zulassen wollen.
Dazu ist folgendes zu sagen: Von dem Gedanken ausgehend, daß Sachverständige vom Richter zu seiner Unterstützung beigezogen werden können, wenn seine Sachkenntnis zur Beurteilung der Sache nicht ausreicht, ist dem Richter im § 351 ZPO. die Wahl der Sachverständigen und die Bestimmung ihrer Zahl überlassen. Das Gericht kann auch statt der bestellten andere Sachverständige beiziehen, z. B. im Falle des § 354 (2) ZPO. oder im Falle der nicht ausreichenden Sachkenntnis des bestellten Sachverständigen, gleichgültig, ob dieser Mangel schon vor seiner Vernehmung oder erst infolge derselben hervorkommt. Gegen Beschlüsse, durch welche ein angebotener Beweis durch Sachverständige zurückgewiesen, eine Beweisaufnahme angeordnet oder einem beauftragten Richter übertragen oder die Einholung eines Gutachtens verfügt wird, ist gemäß § 291 ZPO. ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig; gegen die Entscheidung über die Zahl der Sachverständigen ist gemäß § 366 (2) ZPO. ein Rechtsmittel überhaupt ausgeschlossen. Gegen die vom Richter getroffene Auswahl der Sachverständigen oder gegen den Beschluß, durch welchen an Stelle des bestellten ein anderer Sachverständiger bestellt wird, ist als einen integrierenden Bestandteil des Beweisbeschlusses ein abgesondertes Rechtsmittel nicht gegeben. Der Beweisbeschluß begreift nicht nur die Beweiszulassung, sondern auch die Anordnung der Beweisaufnahme in sich; es können daher die zum Zweck der Beweisaufnahme getroffenen Verfügungen, die Ladung, Bestellung des Sachverständigen, Ersuchen um Beweisaufnahme nicht mittels abgesonderten Rechtsmittels angefochten werden (Neumann[4] II, S. 1006, 1076). Der Beweisbeschluß ist nicht bloß ein prinzipielles Beweiserkenntnis, sondern auch eine Entscheidung darüber, was im Einzelfalle zur Durchführung der zugelassenen Beweisaufnahmen geschehen muß. Nach der Art, wie das Gesetz den Beweisbeschluß definiert, besteht kein Zweifel, daß die im Einzelfalle zur Bewirkung der tatsächlichen Beweisaufnahme notwendigen oder dienlichen Verfügung nicht besondere, vom Beweisbeschluß verschiedene richterliche Beschlüsse sind. Sie gehören zum Beweisbeschluß selbst: nach Inhalt und Funktion, wie nach dessen gesetzlichem Begriff. Solche Verfügungen können gleich bei der Beweiszulassung im Beweisbeschluß selbst getroffen werden, ihre Notwendigkeit kann sich aber auch hinterher einstellen. Die Bestellung, die Auswahl eines Sachverständigen, folgerichtig auch die Ersetzung des bestellten durch einen anderen Sachverständigen gehören ebenfalls zur Anordnung der Beweisaufnahme, sie ist sogar die wesentlichste Voraussetzung für letztere, daher auch hier ein abgesondertes Rechtsmittel schon durch die erwähnten §§ 277 und 291 ZPO. ausgeschlossen. Das Gesetz gibt den Parteien gegen die Bestellung des Sachverständigen ein eigenes Rechtsmittel an die Hand: die Ablehnung des bestellten Sachverständigen (§ 355 ZPO.). Die Anfechtung der Entscheidung über die Verwerfung der Ablehnung unterwirft das Gesetz der Beschränkung, daß ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig ist, während die Entscheidung über die Enthebung eines Sachverständigen wegen Ablehnung überhaupt nicht anfechtbar ist (§ 366 (1) und (2) ZPO.). Alle Beschwerden gegen Beweisbeschlüsse, betreffen sie das Meritorische oder die Form, sind später als sogenannte verbundene Beschwerden einzubringen (Klein, Vorlesungen, S. 159 ff.), wenn das Gericht das Gutachten des zuerst bestellten Sachverständigen für unzulänglich befand und ihn enthob, so entspricht dieser Vorgang dem § 351 (2) ZPO., demzufolge an Stelle des zuerst bestellten Sachverständigen ein anderer ernannt werden kann; es trifft damit eine zur Beweisaufnahme bestimmte Anordnung, die schon nach der allgemeinen Norm des § 291 (1) ZPO. keiner gesonderten Anfechtung unterliegt. Beizupflichten ist dem Rekurswerber nur insofern, als es nicht darauf ankommt, was der Erstrichter nach Meinung des Rekursgerichtes hätte tun sollen, sondern darauf, was er tatsächlich verfügt hat. Da aber auch unter diesem Gesichtspunkt das Rechtsmittel gegen den Zurückweisungsbeschluß auf Grund der vorangeführten Erwägungen jeder Berechtigung entbehrt, war der angefochtene Beschluß zu bestätigen, dem Rekurs dagegen keine Folge zu geben.
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