OGH 5Ob93/62

OGH5Ob93/6214.6.1962

SZ 35/64

Normen

Entmündigungsordnung §8 (5)
GBG §20 lita
GBG §94 (2) Z2
Entmündigungsordnung §8 (5)
GBG §20 lita
GBG §94 (2) Z2

 

Spruch:

Auch die Anmerkung der Bestellung eines vorläufigen Beistandes wegen Verschwendung und Trunksucht hindert die Verbücherung eines vor der Anmerkung abgeschlossenen Kaufvertrages.

Entscheidung vom 14. Juni 1962, 5 Ob 93/62.

I. Instanz: Bezirksgericht Murau; II. Instanz: Kreisgericht Leoben.

Text

Am 20. Jänner 1961 hat Siegfried W. (geb. am 3. November 1939) den zu intabulierenden Kaufvertrag abgeschlossen. Am 20. Jänner 1961 beantragte er die Anmerkung der Rangordnung für die beabsichtigte Veräußerung mit der Rechtswirksamkeit bis einschließlich 20. Jänner 1962. Die Anmerkung wurde am 23. Jänner 1961 bewilligt und am 25. Jänner 1961 vollzogen. Am 9. Februar 1961 beantragte seine Mutter beim Erstgericht seine Entmündigung wegen Verschwendung und Trunksucht. Am 10. Februar 1961 wurde die Mutter zum vorläufigen Beistand bestellt. Die grundbücherliche Anmerkung der Bestellung wurde am 13. Februar 1961 vollzogen. Am 26. September 1961 brachten die Käufer das Grundbuchsgesuch um Einverleibung ihres Eigentums im Range der Rangordnungsanmerkung und um Löschung der Anmerkung der Bestellung des vorläufigen Beistandes auf der Kaufsliegenschaft ein.

Das Erstgericht bewilligte das Ansuchen. Dem Rekurs des vorläufigen Beistandes wurde Folge gegeben und das Gesuch abgewiesen.

Das Rekursgericht war der Ansicht, die persönliche Fähigkeit der bei der Eintragung Beteiligten zur Verfügung über den die Eintragung betreffenden Gegenstand müsse im Zeitpunkte des Einlangens des Gesuches beim Grundbuchsgericht vorhanden sein. Die schon drei Wochen nach Abschluß des Kaufvertrages angeordnete Anmerkung der Bestellung eines vorläufigen Beistandes gebe Anlaß zu Bedenken gegen die Handlungsfähigkeit des Veräußerers. In einem solchen Falle sei das Grundbuchsgericht berechtigt, ja geradezu verpflichtet, die beantragte Einverleibung zu verweigern und die Frage, ob der Vertrag zu Recht besteht und eine genügende Unterlage für die Grundbuchshandlung bildet, dem Streitrichter zu überlassen. Diese Auffassung finde auch in den Vorschriften des § 2 Z. 6 und 7 AußStrG. eine Stütze.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurse der Käufer nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Nach § 94 (1) Z. 2 GBG. darf das Grundbuchsgericht eine grundbücherliche Eintragung nur dann bewilligen, wenn kein gegrundetes Bedenken gegen die persönliche Fähigkeit der bei der Eintragung Beteiligten zur Verfügung über den Gegenstand, den die Eintragung betrifft, ... vorhanden ist. Es kommt hier auf die Fähigkeit zur Zeit des

Rechtsgeschäftes an (§ 865 ABGB.), denn der spätere Verlust der Handlungsfähigkeit hat auf die Gültigkeit des abgeschlossenen Geschäftes keinen Einfluß. Wenn sich bei der Prüfung eines Grundbuchsgesuches aus beachtlichen Gründen Bedenken ergeben, ob die Handlungsfähigkeit zur Zeit des zu verbüchernden Rechtsgeschäftes gegeben war, hat der Grundbuchsrichter die Pflicht, die angesuchte Grundbuchshandlung zu verweigern. Nach der Judikatur hindert die Anmerkung der Bestellung eines vorläufigen Beistandes die Verbücherung eines vor der Anmerkung abgeschlossenen Kaufvertrages, und zwar auch dann, wenn die Entmündigung wegen Verschwendung und Trunksucht beantragt wurde (SZ. VII 271, XXI 22, XXVII 53). Das Rekursgericht hat nicht übersehen, daß der Kaufvertrag bereits vor der Anmerkung der Bestellung des vorläufigen Beistandes abgeschlossen wurde. Die Anmerkung der beabsichtigten Veräußerung sichert nach § 33 (1) GBG. nur die bücherliche Rangordnung, sie hebt aber die Pflicht des Gerichtes, das Gesuch um Einverleibung im Range der Anmerkung nach § 94 GBG. zu prüfen, nicht auf. Die Zulässigkeit der Verbücherung des Kaufvertrages mußte trotz der Anmerkung der beabsichtigten Veräußerung geprüft werden.

Die Rechtsmittelwerber machen geltend, das Entmündigungsverfahren sei nur wegen Verschwendung und Trunksucht eingeleitet worden. Ein Verschwender sei erst vom Zeitpunkt der Bestellung des vorläufigen Beistandes an in seiner Handlungsfähigkeit beschränkt, und nach der Aktenlage im Entmündigungsverfahren könne von keinem die Handlungsfähigkeit beeinträchtigenden Alkoholmißbrauch die Rede sein. Dem ist zu entgegnen, daß eine Einsichtnahme in die das Entmündigungsverfahren betreffenden Akten als eine im Grundbuchsverfahren unzulässige Zwischenerledigung (§ 95 (1) GBG.) anzusehen ist. Es kann bei der Erledigung des Grundbuchsgesuches nicht auf die persönliche Meinung des Grundbuchsrichters über den voraussichtlichen Ausgang der Entmündigungssache ankommen. Es kann auch keinen Unterschied ausmachen, daß hier zufällig der gleiche Richter in der ersten Instanz die Grundbuchssache und die Entmündigungssache bearbeitete. Dem Grundbuchsrichter mußte nach dem Grundbuchsstand nicht mehr bekannt sein, als daß ungefähr drei Wochen nach Abschluß des Kaufvertrages die Bestellung eines vorläufigen Beistandes für den Veräußerer angemerkt wurde. Anders als im Entmündigungsbeschluß (§ 35 EntmO.) ist in dem Beschluß, mit dem der vorläufige Beistand bestellt wird (§ 8 EntmO.), der Grund der Maßnahme (§§ 1 und 2 EntmO.) nicht auszusprechen. Das ist auch im amtlichen Formblatt (Verfahren a. Streits. Nr. 89d) nicht vorgesehen. Die im Grundbuche gemäß § 8 (5) EntmO. anzumerkende Bestellung des vorläufigen Beistandes hindert, solange sie besteht, jede Verfügung über bücherliche Rechte ohne Mitwirkung des vorläufigen Beistandes und des Entmündigungsgerichtes. Sie ist für den Grundbuchsrichter ein Signal, das ihn darauf hinweisen soll, daß auch schon bei kurz vor der Anmerkung abgeschlossenen Verfügungen ein Mangel der Handlungsfähigkeit vorgelegen sein könnte. Das Gesetz unterscheidet hinsichtlich der Anmerkung der Bestellung des vorläufigen Beistandes nicht zwischen den einzelnen Entmündigungsgrunden, und zwar mit Recht, weil die Grenzen zwischen Trunksucht, Verschwendung, Geistesschwäche und Geisteskrankheit fließend sind und zwischen diesen Erscheinungen Wechselwirkungen bestehen. Es ist richtig, daß der Verschwender, bis er vom Gericht als solcher erklärt wird, also bis zur Anordnung der beschränkten Entmündigung oder der vorläufigen Obsorge (§ 8 EntmO.), voll geschäftsfähig ist (§ 21 ABGB.). Bei der vollen Handlungsunfähigkeit infolge Geisteskrankheit oder Geistesschwäche treten aber die Rechtswirkungen ohne Rücksicht, ob und wann eine Entmündigung erfolgt, ein, und bei der Geistesschwäche minderen Grades, die oft mit Trunksucht oder Verschwendung Hand in Hand geht, wird die Meinung vertreten, es komme bei der Beurteilung der Handlungsfähigkeit vor der beschränkten Entmündigung darauf an, ob die betreffende Person die Tragweite des Geschäftes noch zu beurteilen vermochte (SZ. XXIV 140). Es kann daher auch in Fällen von Verschwendung und Trunksucht eine erst nach dem zu verbüchernden Rechtsgeschäft im Grundbuch vollzogene Anmerkung einer Beschränkung der Geschäftsfähigkeit Anlaß zu Bedenken im Sinne des § 94 (1) Z. 2 GBG. geben. Auf die Gründe der Verzögerung des Grundbuchsgesuches kann es bei dieser Sachlage nicht ankommen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte