OGH 5Ob266/61

OGH5Ob266/6127.9.1961

SZ 34/127

Normen

AktG §122
AktG §122

 

Spruch:

Der nach § 122 Abs. 2 AktG. bestellte Sondervertreter ist zur selbständigen Vornahme einer Sonderprüfung mit Hilfe von Buchsachverständigen nicht berechtigt.

Entscheidung vom 27. September 1961, 5 Ob 266/61.

I. Instanz: Kreisgericht Wels; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.

Text

Das Erstgericht hat mit dem Beschluß vom 14. September 1960 Dr. Anton N. gemäß § 122 Abs. 2 AktG. zum besonderen Vertreter der E.- AG. zur Führung des Rechtstreites gegen die Mitglieder des Vorstandes und Aufsichtsrates der Gesellschaft bestellt, ohne die Personen der Schuldner zu nennen und die Art, den Grund und die Höhe der geltend zu machenden Ansprüche näher zu bezeichnen. Der Beschluß ist in Rechtskraft erwachsen. Der bestellte Sondervertreter stellte nun den Antrag, der Gesellschaft, vertreten durch ihren Vorstand, aufzutragen, ihm die Einsicht in ihre Bücher und sonstigen Schriften, soweit sie die Forderungen in der Zeit von etwa Mitte 1956 bis Ende 1959 betreffen, unter Zuziehung des Buchsachverständigen Alfred H. oder eines anderen Buchsachverständigen zu gestatten und ihm die notwendigen Auskünfte zu erteilen. Er begrundete den Antrag damit, daß ihm zum Zweck der Durchführung seines Auftrages das Recht auf Einsicht in die Bücher und Schriften der Antragsgegnerin zustehen müsse, diese aber der Ausübung dieses Rechtes Schwierigkeiten entgegensetze. Da er nicht über die erforderlichen Kenntnisse in der Buchhaltung verfüge, könne er das Recht nur mit Hilfe von Buchsachverständigen ausüben.

Das Erstgericht wies den Antrag mit der Begründung zurück, die Zuständigkeit des Registergerichtes beschränke sich nur auf die Bestellung des Sondervertreters. Es sei nicht zweifelhaft, daß dem Sondervertreter gegenüber der Gesellschaft oder dem Vorstand alle Rechte zustunden, deren er zur Durchführung seiner Aufgabe bedürfe, insbesondere die Bücher und Schriften der Gesellschaft einzusehen und die nötigen Auskünfte, zu verlangen; diese Rechte seien aber im ordentlichen Rechtsweg geltend zu machen. Es gebe keine gesetzliche Bestimmung, die das Registergericht ermächtigte, derartige Aufträge zu erteilen.

Das Rekursgericht hob diesen Beschluß auf und trug dem Erstgericht auf, in der Sache selbst zu entscheiden. Es war der Ansicht, bei Personengesellschaften sei der Anspruch der Gesellschafter auf Bucheinsicht im außerstreitigen Verfahren geltend zu machen, und es sei der Schluß gerechtfertigt, daß auch der nach § 122 Abs. 2 AktG. bestellte Sondervertreter den Anspruch auf Bucheinsicht in diesem Verfahren geltend machen könne, zumal der Vertreter der Gesellschaft und nicht der Minderheit sei. Da sich das Erstgericht nur mit der Frage der Zuständigkeit befaßt und diese unrichtig gelöst habe, sei der Beschluß aufzuheben und dem Erstgericht die sachliche Entscheidung aufzutragen gewesen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Aktiengesellschaft nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der nach § 122 Abs. 2 AktG. bestellte Sondervertreter hat das Recht, von der Gesellschaft die zur Durchführung seines Auftrages nötigen Unterlagen zu verlangen (RGZ. 83, 248). Er muß sich ja im Prozeß darauf berufen können. Wem die Gesetze ein Recht geben, dem bewilligen sie auch die Mittel, ohne die es nicht ausgeübt werden kann. Es fällt daher unmittelbar in die Kompetenz des Registergerichtes, das den Sondervertreter bestellt hat, der Gesellschaft auch die mit der Bestellung zusammenhängenden nötigen Aufträge zu erteilen. Mit Recht hat das Rekursgericht auch darauf hingewiesen, daß die österreichische Rechtspraxis aus dem Gesellschaftsrecht entspringende Ansprüche auf Bucheinsicht bei Handelsgesellschaften auch dann, wenn eine ausdrückliche gesetzliche Vorschrift fehlt, ins außerstreitige Verfahren verweist (SZ. XXV 183, Rspr. 1933 Nr. 280, SZ. X 210). Es handelt sich in diesen Fällen in der Regel nur um streitige Rechtsfragen, die ohne ein förmliches Beweisverfahren ins klare gesetzt werden können.

Zur meritorischen Frage, ob dem bestellten Sondervertreter die Bucheinsicht zu dem beantragten Zweck und in der beantragten Weise zu gewähren ist, sei aber gleich hier folgendes ausgeführt: Das Gesetz sieht in einer Reihe von Fällen Ersatzansprüche der Gesellschaft gegen Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrates vor. Um die Klageerhebung in diesen Fällen auch gegen den Willen der Mehrheit der Aktionäre erzwingen zu können, ist durch § 122 AktG. ein besonderer Minderheitsschutz gewährleistet. Die Anlage muß erhoben werden, wenn eine Minderheit von 10 bzw. 5% es verlangt, und das Gericht muß auf ihr Verlangen Sondervertreter zur Führung des Rechtsstreites bestellen. Voraussetzung ist ein Anspruch, dessen Geltendmachung dem Sondervertreter aufzutragen ist. Ob die Klage auch Aussicht auf Erfolg hat, hat das Gericht nicht zu prüfen. Das Erstgericht hat den Sondervertreter auf Antrag des Aktionärs Richard A. bestellt, ohne daß dieser im Antrag das Bestehen eines bestimmten Anspruches behauptet hatte. Die Behauptung in seinem Schriftsatz, die dort genannten Personen hätten der Gesellschaft durch schuldhaftes Verhalten bei Ausübung ihrer Funktionen als Mitglieder des Vorstandes und Aufsichtsrates in der Zeit vom 5. Dezember 1956 bis zum 31. Dezember 1959 Schaden zugefügt, ist zu unbestimmt, um damit Ersatzansprüche begrunden zu können. Es entsprach daher schon die Bestellung nicht dem Gesetz. Daß sie rechtskräftig wurde, vermag nichts daran zu ändern, daß der Sondervertreter keinen bestimmten oder bestimmbaren Klagsauftrag hat. Aus dem Antrag des Sondervertreters geht hervor, daß er erst mit Hilfe von Buchsachverständigen feststellen lassen will, ob überhaupt Ersatzansprüche bestehen und auf Grund welchen Sachverhaltes und gegen wen sie allenfalls geltend zu machen sind. Dies ist jedoch nicht die Sache des Sondervertreters. Wenn sich die Aktionäre über die Geltendmachung eines Ersatzanspruches schlüssig werden wollen, müssen sie die Möglichkeit des Einblickes in die zur Entscheidung stehenden Vorgänge erlangen und sich die Beweise verschaffen können. Deshalb gestattet § 118 AktG. die Bestellung von Sonderprüfern und trägt dabei den Interessen der, Minderheit Rechnung. Auch Sonderprüfer dürfen nicht generell mit der Kontrolle der Geschäftsführung beauftragt werden, sondern es muß sich um Vorgänge bestimmter Art handeln. Je nach dem Ergebnis des Prüfungsberichtes kann die Minderheit die klageweise Geltendmachung der sich daraus ergebenden Ansprüche durch einen Sondervertreter veranlassen. Den Prüfern hat der Vorstand nach § 121 AktG. zu gestatten, die Bücher und Schriften der Gesellschaft und die Vermögensgegenstände zu prüfen, und die Prüfer können vom Vorstand alle Aufklärungen und Nachweise verlangen, die die sorgfältige Erfüllung ihrer Prüfungspflicht erfordert. Der Sondervertreter will offenbar, da eine Sonderprüfung nicht stattgefunden hat und er über seinen Klageauftrag im unklaren ist, auf eigene Faust mit Hilfe von Buchsachverständigen eine Sonderprüfung vornehmen. Er nimmt aber damit Rechte in Anspruch, die nur den Prüfern zustehen. Hiefür bietet das Aktiengesetz keine Handhabe.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte