OGH 6Ob163/61

OGH6Ob163/6119.4.1961

SZ 34/62

Normen

AktG §122
AktG §122

 

Spruch:

Das Gericht kann nach § 122 AktG. nur eine von der Minorität benannte Person zum gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft bestellen, doch muß deshalb nicht eine persönlich oder fachlich ungeeignete Person ohne jede Bedachtnahme auf die Interessen der Gesellschaft bestellt werden.

Entscheidung vom 19. April 1961, 6 Ob 163/61.

I. Instanz: Landesgericht Innsbruck; II. Instanz: Oberlandesgericht Innsbruck.

Text

Bei der am 23. November 1960 abgehaltenen Hauptversammlung der Z.- AG. stand auf Antrag der Aktionärin Claudia G., die über mehr als 10% des Aktienkapitals verfügt, als Punkt 5 die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen der Gesellschaft im Prozeßweg gegen Mitglieder des Aufsichtsrates und des Vorstandes auf der Tagesordnung. Claudia G. benannte laut Hauptversammlungsniederschrift ihren Gatten Kurt G. als den von der Minderheit bezeichneten Prozeßvertreter. Eine Abstimmung hierüber erfolgte nicht, Claudia G. erklärte dagegen Widerspruch. In der Folge beantragte sie, gestützt auf die Bestimmung des § 122 AktG., beim Registergericht, Kurt G. zum Vertreter der Gesellschaft für diese Prozeßführung zu bestellen.

Der Erstrichter wies den Antrag mit der Begründung ab, die nach § 122 AktG. zu bestellenden Prozeßvertreter seien nicht bloß Vertreter der Minderheit, sondern gesetzliche Vertreter der Gesellschaft als solcher; es sei darum Aufgabe des Gerichtes, im Interesse der Gesellschaft und zum Schutz der Minderheit zu prüfen, ob der Vorgeschlagene persönlich und fachlich geeignet sei, die Gesellschaft zu vertreten; gegen Kurt G. sei nun ein Strafverfahren wegen Verdachtes der Verbrechen nach §§ 171, 197 StG. anhängig gewesen, das zwar nach § 109 StPO. eingestellt wurde, in dem sich aber eine von Claudia G. eigenhändig geschriebene und unterschriebene Erklärung vom 26. Februar 1959 befinde, aus der sich ergebe, daß Kurt G. nicht die Eignung zum Vertreter der Gesellschaft habe; aus dieser Bestätigung gehe nämlich hervor, daß Kurt G. ein Vorstandsmitglied der AG. dazu überreden habe wollen, durch seine Vermittlung ein Kohlengeschäft abzuschließen und den "Gewinn", der sich aus der Differenz zwischen dem dabei zu zahlenden, billigeren Preis und dem normalen Kohlenbezugspreis ergeben sollte, der Claudia G. zuzuwenden; das betreffende Vorstandsmitglied habe dieses Ansinnen, bei dessen Befolgung es seine Pflichten als Vorstandsmitglied gröblich verletzt hätte (§§ 70, 84 AktG.), aber abgelehnt.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß.

Der Oberste Gerichtshof wies den Revisionsrekurs der Aktionärin Claudia G., der im Sinne des § 16 AußStrG. offenbare Gesetzwidrigkeit als Beschwerdegrund geltend macht, zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Rechtsmittelwerberin gibt selbst zu, daß es sich bei der vom Registergericht vorzunehmenden Bestellung eines Prozeßvertreters nach § 122 AktG. um eine Ermessensentscheidung handelt. Der Oberste Gerichtshof hat in zahlreichen Entscheidungen (z. B. 2 Ob 860/52, 3 Ob 332/54, 7 Ob 300/56 u. a., zuletzt 1 Ob 149/61) ausgesprochen und findet keinen Anlaß, hier davon abzugehen, daß in einem solchen Fall von "offenbarer Gesetzwidrigkeit" schon begrifflich in aller Regel nicht gesprochen werden kann bzw. dieser Beschwerdegrund nur in Betracht kommen könnte, wenn die Unterinstanzen nach Willkür entschieden, also den Rahmen pflichtgemäßen Ermessens eindeutig verlassen hätten.

Davon kann hier gewiß nicht die Rede sein, denn die Unterinstanzen haben beachtet, daß einerseits die Norm des § 122 AktG. zwar den Schutz der Interessen der Minderheit bezweckt, andererseits aber ein gesetzlicher Vertreter für die Aktiengesellschaft als solche bestellt werden soll, was auf eine Ausschaltung der satzungsgemäß zur Vertretung berufenen Gesellschaftsorgane hinausläuft. Zum Schutz der Interessen der Minorität ist vorgesehen, daß das Gericht nur eine von dieser selbst benannte Person zum gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft bestellen darf, der Minderheit also nicht eine ihres Vertrauens entbehrende Person als Gesellschaftsvertreter aufzwingen kann. Im Gesetz ist nun aber keineswegs ausgesprochen, daß deshalb eine persönlich oder fachlich ungeeignete Person ohne jede Bedachtnahme auf die Interessen der Gesellschaft als solcher zu deren gesetzlichem Vertreter bestellt werden muß, nur weil sie die Minorität - sozusagen primo loco - vorgeschlagen hat. Daß die Führung des von der Minderheit gewollten Prozesses auf ihre Kosten erfolgen muß (§ 123 AktG.), stellt auch keine absolute Sicherung der Gesellschaft gegen eine Beeinträchtigung ihrer Interessen, z. B. durch die Art und Weise der Prozeßführung, dar. Liegen gegrundete Bedenken gegen die von der Minorität namhaft gemachte Person vor, dann kann weder von Willkür noch sonst von offenbarer Gesetzwidrigkeit gesprochen werden, wenn die Unterinstanzen diese Bedenken zur Wahrung der Interessen der Gesellschaft als solcher bei ihren Beschlüssen mitberücksichtigt haben, wie immer die Meinungen der Lehre zu § 122 AktG. lauten mögen. Denn nur wenn ein Fall im Gesetz selbst ausdrücklich und so klar geregelt ist, daß an der Absicht des Gesetzgebers kein Zweifel aufkommen kann, aber dennoch anders entschieden wurde, ist nach ständiger Judikatur offenbare Gesetzwidrigkeit gegeben (SZ. XXI 10, SZ. XXI 131, SZ. XXIII 46, SZ. XXIII 161, SZ. XXIV 6, JBl. 1955 S. 205, JBl. 1955 S. 309 u. v. a.).

Es ist auch nicht richtig, daß bei dem von den Unterinstanzen eingenommenen Rechtsstandpunkt die Verfolgung der von der Rechtsmittelwerberin erhobenen Schadenersatzansprüche "vereitelt" würde, wie sie im Revisionsrekurs ausführt. Es ist ihr nämlich unbenommen, eine andere oder mehrere andere Personen für die Vertreterbestellung nach § 122 AktG. namhaft zu machen, gegen die dann - anders als bezüglich des Kurt G. - keine Bedenken obwalten mögen.

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