OGH 1Ob362/59

OGH1Ob362/591.3.1961

SZ 34/28

Normen

Kirchenbeitragsgesetz §§1 ff
Kirchenbeitragsordnung §21
Kirchenbeitragsgesetz §§1 ff
Kirchenbeitragsordnung §21

 

Spruch:

Die Gerichte haben eingeklagte Kirchenbeitragsforderungen bei Bestreitung auf ihre materielle Richtigkeit zu prüfen, gleichgültig, ob gegen die Vorschreibung Einspruch erhoben wurde oder nicht.

Entscheidung vom 1. März 1961, 1 Ob 362/59.

I. Instanz: Bezirksgericht Krems; II. Instanz: Kreisgericht Krems.

Text

Die klagende Diözese begehrte in der am 31. Oktober 1957 eingebrachten Klage die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung eines Betrages von 2891 S an rückständigen Kirchenbeiträgen für die Jahre 1951 bis 1954. Der Beklagte beantragte Klagsabweisung mit der Behauptung, er habe die Kirchenbeitragsbescheide nicht erhalten und habe in diesem Zeitraum auch kein Einkommen gehabt. Er bestritt daher den Klagsanspruch dem Grund und der Höhe nach.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte fest, daß dem Beklagten die betreffenden Kirchenbeitragsbescheide am 31. März 1958 zu eigenen Handen zugestellt wurden und in Rechtskraft erwuchsen. Daraus ergebe sich die Schuld des Beklagten in der geltend gemachten Höhe.

Das Berufungsgericht hob das Ersturteil unter Vorbehalt der Rechtskraft auf. Es führte im wesentlichen aus:

Die in Kirchenbeitragsangelegenheiten von den Organen ergehenden Vorschreibungen seien keine Bescheide von Verwaltungsbehörden und daher für das Gericht nicht bindend. Die Vorschreibung des Kirchenbeitrages sei eine innere Angelegenheit der Kirche. Das Gericht habe, falls die Beitragsgrundlage strittig sei, diese ohne Rücksicht auf ergangene Bescheide zu ermitteln. Die Mitwirkung des Beitragspflichtigen solle die Voraussetzung für eine freiwillige Erfüllung des von den kirchlichen Organen ermittelten Anspruches auf Leistung des Kirchenbeitrags schaffen. Die Festsetzung durch die kirchlichen Organe sei jedoch eine einseitige. Die Unterlassung des Einspruches könne nicht als zivilrechtlich verbindliche Anerkennung gewertet werden. Die Wirkungen, welche für diesen Fall in § 21 KirchenbeitragsO. normiert seien, hätten gleichfalls nur innerkirchliche Bedeutung.

Die Bescheide seien am 31. August 1958, also erst im Zug des Rechtsstreites, zugestellt worden. Mit Rücksicht auf die Bestreitung des Klageanspruches sei daher eine gesonderte Erhebung des Einspruches nicht erforderlich gewesen. Das erstgerichtliche Verfahren sei mangelhaft, weil die Beweise über die Höhe der Bemessungsgrundlage nicht durchgeführt worden seien.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die gegenwärtige Regelung des Kirchenbeitragssystems beruht auf dem Gesetz über die Einhebung von Kirchenbeiträgen im Lande Österreich, GBlÖ. Nr. 543/1939. Damals war Österreich ein Teil des Deutschen Reiches. Das Beitragsrecht der Kirchen beider Konfessionen im sogenannten "Altreich" beruhte auf Staatsgesetzen, die den Kirchen ein Steuerrecht verliehen. Das in Österreich eingeführte System ist ein durchaus anderes. Den Kirchen Österreichs wurde ein Steuerrecht nicht verliehen. Sie erhielten lediglich das Recht, "Kirchenbeiträge" zu erheben, die nach Art von Vereinsbeiträgen einhebbar sind (Pfundtner - Neubert, Das neue Deutsche Reichsrecht, Ausgabe Österreich, I d 8). dementsprechend sind die von den Kirchenbeitragsordnungen berufenen Organe keine Verwaltungsbehörden im Sinne der §§ 94, 138 Abs. 1 lit. a B-VG. Sie können daher nicht über die Beitragspflicht in einer der Rechtskraft fähigen Weise entscheiden. Die Festsetzung und Auferlegung von Kirchenbeiträgen durch diese Organe verbleibt vielmehr im Sinn des Kirchenbeitragsgesetzes 1939 im kirchlichen Bereich. Durch die Zuweisung der Entscheidung über Kirchenbeitragsstreitigkeiten an die Gerichte werden die Kirchenbeitragsschulden als zivilrechtliche Verpflichtungen qualifiziert (VerfGHSlg. NF. 3039; 3 Ob 230/60).

Aus diesen grundsätzlichen Erwägungen folgt notwendig, daß die Gerichte befugt sind, die von der Kirche im Klageweg geltend gemachten Kirchenbeitragsforderungen im Fall und im Umfang der Bestreitung auf Grund der Kirchenbeitragsordnung auf ihre materielle Richtigkeit zu prüfen. Dies wurde bereits in der Entscheidung 3 Ob 230/60 ausgesprochen. Bei einer gegenteiligen Auslegung wäre die Zulassung des Rechtsweges nicht verständlich und ein völlig überflüssiger Umweg.

Aus dem Gesagten folgt weiters, daß die in Rede stehende Bestimmung des § 21 Abs. 3 KirchenbeitragsO. für das Gericht keine bindende Wirkung haben kann, zumal es sich um eine ihren Wesen nach verfahrensrechtliche Kontumaznorm handelt. Die von der klagenden Partei gewollte Auslegung dieser Bestimmung würde auch zu dem widerspruchsvollen Ergebnis führen, daß zwar im Fall des erfolglosen Einspruches gegen den Beitragsbescheid mangels einer gegenteiligen Bestimmung der Kirchenbeitragsordnung die Bestreitung der Forderung im zivilrechtlichen Verfahren möglich wäre, während sie bei der Nichterhebung des Einspruches ausgeschlossen wäre. Es ist auch nicht richtig, daß bei der hier vertretenen Auffassung das kirchliche Bemessungsverfahren bedeutungslos ist. Denn in der Regel der Fälle wird sich der Beitragspflichtige im eigenen Interesse zur Vermeidung eines Rechtsstreites am Verfahren beteiligen. Auch die im Rekurs angestellten Billigkeitserwägungen im Hinblick auf allfällige nachteilige Prozeßkostenfolgen sind kein durchschlagendes Argument gegen obige Erwägungen.

Die Rechtsstellung der Kirchen in bezug auf die Einhebung von Beiträgen ist, wie oben schon erwähnt, jener von Vereinen und Genossenschaften ähnlich gestaltet. Es ist nun ständige Rechtsprechung (GlUNF. 6705, SZ. III 104, SZ. XIII 218, 1 Ob 120/57, 6 Ob 106/59 u. a.), daß die Gerichte befugt sind, von den Organen dieser Körperschaften auf Grund der Statuten gegen ihre Mitglieder getroffene Verfügungen auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen.

Zusammenfassend ergibt sich also, daß die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes zutreffend ist, weshalb dem Rekurs der Erfolg zu versagen war.

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