Spruch:
Das Recht auf die Erhebung des Widerspruches nach § 55 EheG. ist unverzichtbar.
Entscheidung vom 16. November 1960, 5 Ob 415/60.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Das Erstgericht wies das auf § 49 EheG. gestützte Scheidungsbegehren des Klägers ab.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, indem es die Feststellungen des Erstgerichtes übernahm und seiner rechtlichen Beurteilung beipflichtete. Zu dem in der Berufung hilfsweise erhobenen Scheidungsbegehren nach § 55 EheG., gegen das die Beklagte Widerspruch erhoben hatte, führte es aus, daß dieser Widerspruch zulässig sei, weil den Kläger das alleinige Verschulden an der nur auf seiner Seite bestehenden Zerrüttung der Ehe treffe, und daß er auch beachtlich sei, da sich die 57jährige Beklagte in einem Alter und in einem Gesundheitszustand befinde, die ihr die Annahme einer Arbeit praktisch unmöglich machten. Auch würde sie durch die Scheidung den Anspruch auf Witwenpension verlieren und wäre einer ungewissen Zukunft ausgesetzt.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
In dem im Vergleich vom 24. Februar 1948 angeblich von der Beklagten erklärten Verzicht auf die Erhebung eines Widerspruches gegen ein Scheidungsbegehren nach § 55 EheG. könnte keinesfalls ein Verschulden im Sinne des § 49 EheG. liegen. Da die auf seiten des Klägers gegebene Ehezerrüttung ausschließlich auf sein eigenes Verschulden zurückzuführen ist, wurde sein auf § 49 EheG. gestütztes Scheidungsbegehren jedenfalls mit Recht abgewiesen.
Zu der erst in der Berufung aufgestellten Behauptung, die Beklagte habe im Vergleichsweg auf die Erhebung eines Widerspruches verzichtet, hat das Berufungsgericht zwar nicht Stellung genommen, doch kann dieser Verzicht dem Widerspruch auch die Beachtlichkeit nicht nehmen, da auf das Recht, die Ehe zu verteidigen, im vorhinein nicht verzichtet werden kann (vgl. Hoffmann - Stephan, Ehegesetz, Anm. 6 B zu § 48; Palandt, BGB., 16. Aufl. S. 1956 Anm. 7; OLG. Bremen vom 22. November 1952, SdJZ. 1953 S. 153). Aus diesem Verzicht kann auch nicht auf einen mangelnden Ehewillen der Beklagten geschlossen werden, da sie - wie feststeht - den Kläger auch nachher immer wieder zur Rückkehr in die eheliche Gemeinschaft aufgefordert hat.
Das Berufungsgericht hat daher ohne Rechtsirrtum den Widerspruch der Beklagten für beachtlich erklärt.
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