OGH 3Ob423/60

OGH3Ob423/604.11.1960

SZ 33/121

Normen

EO §1
Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1950 §3
WRG 1959 §74
WRG 1959 §84
WRG 1959 §141
EO §1
Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1950 §3
WRG 1959 §74
WRG 1959 §84
WRG 1959 §141

 

Spruch:

Ein mit der Vollstreckbarkeitsbestätigung versehener Rückstandsausweis einer Wassergenossenschaft über rückständige Genossenschaftsbeiträge ist nach § 3 Abs. 2 VVG. 1950 ein Exekutionstitel im Sinne des § 1 EO.

Die Wassergenossenschaft ist eine öffentlich-rechtliche Körperschaft und zum unmittelbaren Einschreiten beim Exekutionsgericht nach § 3 Abs. 3 VVG. 1950 berechtigt.

Entscheidung vom 4. November 1960, 3 Ob 423/60.

I. Instanz: Bezirksgericht Ebreichsdorf; II. Instanz: Kreisgericht Wiener Neustadt.

Text

Das Erstgericht bewilligte dem betreibenden Wasserwerksverein wider die verpflichtete Partei auf Grund des Rückstandsausweises der betreibenden Partei vom 5. Juni 1959, der nach der Bestätigung der betreibenden Partei auf diesem Rückstandsausweis seit 27. Juni 1959 rechtskräftig und vollstreckbar ist, zur Hereinbringung der vollstreckbaren Forderung der nach dem Rückstandsausweis rückständigen Genossenschaftsbeiträge und Nebengebühren im Betrag von 9356 S 30 g und der Exekutionsbewilligungskosten von 106 S 60 g die Exekution durch zwangsweise Pfandrechtsbegründung durch bücherliche Einverleibung des Pfandrechtes auf die der verpflichteten Partei gehörige Liegenschaft EZ. 69 KG. E.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der verpflichteten Partei Folge und wies in Abänderung des erstgerichtlichen Beschlusses den Exekutionsantrag ab. Der Rückstandsausweis der betreibenden Partei sei kein Exekutionstitel im Sinne der EO., die betreibende Partei sei keine öffentlich-rechtliche Körperschaft, die in einer gesetzlichen Bestimmung selbst zur Schaffung von Exekutionstiteln berechtigt worden wäre; nach § 84 WRG. 1959 seien rückständige Genossenschaftsbeiträge auf Ersuchen der Genossenschaft zwar von den Bezirksverwaltungsbehörden als Vollstreckungsbehörden nach den Bestimmungen des VVG. 1950 einzutreiben, dieses Gesetz ermögliche im § 3 auch die Einleitung eines gerichtlichen Exekutionsverfahrens; dies habe jedoch zur Voraussetzung, daß die Vollstreckungsbehörde entweder die gerichtliche Eintreibung veranlasse, d. h. namens des berechtigten Wasserwerksvereines als betreibenden Gläubigers um Exekutionsführung ersuche, oder den Rückstandsausweis des Wasserwerksvereines (nach einem Verfahren nach § 117 WRG. 1959) als vollstreckbar zu bestätigen gehabt hätte. Erkennende oder verfügende Behörde im Sinne des § 1 VVG. 1950 sei der Wasserwerksverein selbst keinesfalls, und als Anspruchsberechtigter könnte er die Eintreibung seiner Beitragsrückstände unmittelbar beim Exekutionsgericht nur auf Grund eines von der Wasserrechtsbehörde geschaffenen Exekutionstitels beantragen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der betreibenden Partei Folge und stellte den erstgerichtlichen Beschluß wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Satzungen der betreibenden Partei als einer Wassergenossenschaft im Sinne des 5. Abschnittes des nö. Landeswasserrechtsgesetzes vom 28. August 1870, LGBl. Nr. 56, wurden mit Erlaß der Bezirkshauptmannschaft B. vom 27. April 1923 genehmigt. Damit erlangte die betreibende Partei als Wassergenossenschaft Rechtspersönlichkeit. Ob die Satzungen im Sinne des § 124 WRG. 1984 diesem Gesetz angepaßt wurden oder ob sie allenfalls mit dem WRG. 1959 (§ 141) im Widerspruch stehen, kann vom Gericht nicht untersucht werden, da dies in die Zuständigkeit der Wasserrechtsbehörde fällt. Bei der Beurteilung der Exekutionssache ist jedenfalls davon auszugehen, daß die betreibende Partei als Wassergenossenschaft im Sinne des Wasserrechtsgesetzes 1959 besteht. Wassergenossenschaften waren schon nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (8. Jänner 1911, Zl. 29, Budw. 7864) und auch nach der Lehre (Haager - Vanderhaag, Kommentar zum Wasserrechtsgesetz, S. 827) öffentlich-rechtliche Korporationen. Nach § 61 Abs. 2 WasserrechtsNov. 1959 (§ 74 Abs. 2 WRG. 1959) schließt der Anerkennungsbescheid die Genehmigung der Satzungen in sich. Mit der Rechtskraft eines nach Abs. 1 erlassenen Bescheides erlangt die Wassergenossenschaft Rechtspersönlichkeit als Körperschaft des öffentlichen Rechts. Wenn auch diese Bestimmung mangels einer nachgewiesenen Genehmigung der allenfalls zu ändernden Satzungen der betreibenden Partei im Sinne des § 124 WasserrechtsNov. 1959 (§ 141 WRG. 1959) nicht unmittelbar angewendet werden kann, muß aus der ausdrücklichen Vorschrift des § 74 Abs. 2 WRG. 1959 im Zusammenhang mit § 141 WRG. 1959 geschlossen werden, daß auch bestehende Wassergenossenschaften nach der Absicht des Gesetzgebers, auch wenn ihre Satzungen noch nicht dem neuen Wasserrechtsgesetz angepaßt sind, als Körperschaften des öffentlichen Rechtes anzusehen sind.

Die betreibende Partei ist daher entgegen der Meinung des Rekursgerichtes eine Körperschaft des öffentlichen Rechtes. Sie ist nach den Satzungen berechtigt, von ihren Mitgliedern Genossenschaftsbeiträge einzuheben. Sie ist daher auch berechtigt, Rückstandsausweise, die nichts anderes als Auszüge aus den Verrechnungsbehelfen über aushaftende Zahlungsverpflichtungen darstellen, auszustellen; sie konnte auch, da nach § 71 WasserrechtsNov. 1959 (§ 84 WRG. 1959) rückständige Genossenschaftsbeiträge auf Ansuchen der Genossenschaft nach den Bestimmungen des VVG. 1950 einzutreiben sind, mit Rücksicht auf § 1 der V. des Bundeskanzleramtes vom 1. August 1949 über den Vorgang bei der Eintreibung von Geldleistungen im Verwaltungsvollstreckungsverfahren, BGBl. Nr. 159, auf dem Rückstandsausweis die Vollstreckbarkeitsbestätigung beisetzen. Wassergenossenschaften sind hinsichtlich der rückständigen Genossenschaftsbeiträge verfügende Stellen im Sinne des § 8 Abs. 2 VVG. 1950; die von ihnen ausgestellten und mit der Vollstreckbarkeitsbestätigung versehenen Rückstandsausweise über rückständige Genossenschaftsbeiträge sind nach dieser Gesetzesstelle Exekutionstitel im Sinne des § 1 EO. Da sie öffentlich-rechtliche Körperschaften sind, denen nach § 84 WRG. 1959 zur Eintreibung der Genossenschaftsbeiträge, das sind Geldleistungen, die Einbringung im Verwaltungsweg (politische Exekution) gewährt ist, sind sie auch zur unmittelbaren Antragstellung der Exekution bei Gericht berechtigt. § 117 WRG. 1959 kommt für Genossenschaftsbeiträge überhaupt nicht zur Anwendung; für diese gilt, soweit die Wasserrechtsbehörde in Betracht kommt, die Vorschrift des § 85 WRG. 1959.

Da demnach der von der betreibenden Partei mit der Vollstreckbarkeitsbestätigung versehene Rückstandsausweis über rückständige Genossenschaftsbeiträge nach § 3 Abs. 2 VVG. 1950 ein Exekutionstitel im Sinne des § 1 EO. und die betreibende Partei als öffentlich-rechtliche Körperschaft nach § 8 Abs. 3 VVG. 1950 auch zum unmittelbaren Einschreiten bei Gericht berechtigt ist, mußte dem Revisionsrekurs der betreibenden Partei Folge gegeben und der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt werden.

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