Normen
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §9
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §9
Spruch:
Die Bezeichnungen "Milchgroschen" und "Milchschilling" für Bonbons sind verwechselbar ähnlich (§ 9 UWG.).
Entscheidung vom 16. Februar 1960, 4 Ob 303/60.
I. Instanz: Landesgericht Klagenfurt; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz.
Text
Für die Klägerin ist im österreichischen Markenregister seit 25. März 1958 die Wortmarke "Milchgroschen" für Zuckerwaren, Bonbons, Schokolade und Pralinen, alle Waren mit Milchzusatz, eingetragen. Nachdem die Klägerin runde Milchbonbons, halbflüssig gefüllt, mit der Bezeichnung "Milchgroschen" schon einige Zeit auf den Markt gebracht hatte, begann die beklagte Partei runde Milchbonbons mit der Bezeichnung "Milchschilling" in den Verkehr zu bringen. Die Klägerin verlangt von der Beklagten unter anderem, sie habe nach den §§ 1 und 9 UWG. die Verwendung der Bezeichnung "Milchschilling" für Zuckerwaren und Bonbons mit Milchzusatz im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen.
Das Erstgericht wies die Klage ab. Die Verwechselbarkeit der Bezeichnungen "Milchgroschen" und "Milchschilling" könne nicht angenommen werden. Sie ergebe sich weder aus dem Wortbild noch aus dem Wortklang oder dem Wortsinn. Die Wortbilder unterschieden sich in den Schriftzügen so sehr, daß eine Verwechslung auszuschließen sei. Auch der Wortklang sei ganz verschieden. Was den Wortsinn betreffe, deute der erste, für sich allein nicht schutzfähige Teil der Wortmarke "Milchgroschen" nur auf die Beschaffenheit der Bonbons. Für den einfachen Käufer sei kaum etwas weniger verwechselbar als "Schilling" und "Groschen", lerne man doch zwangsläufig schon in frühesten Jahren den Unterschied zwischen der kleinen und der großen Währungseinheit kennen. Die beiden Wörter könnten auch vom weniger aufmerksamen Leser nicht als Synonyme angesehen werden. Auch die Farbe und die Ausstattung der Bonbonssäckchen seien so verschieden, daß eine Verwechslung absolut ausgeschlossen sei.
Infolge Berufung der Klägerin gab das Berufungsgericht der Klage statt. Es sei zwar richtig, daß der Wortklang und das Wortbild der Bezeichnungen "Milchgroschen" und "Milchschilling" nicht verwechselbar seien. Was aber den Wortsinn betreffe, liege die Verwechselbarkeit vor. Bei der Ähnlichkeitsprüfung dürfe nie außer acht gelassen werden, daß es dem Publikum in den meisten Fällen "nicht möglich sei, das geschützte Warenzeichen vor Augen zu haben, sondern nur die Nachahmung, und daß es nicht wisse, daß es sich um eine Nachahmung handle". Daher komme es vor allem auf den Gesamteindruck an. Begrifflich wiesen zunächst schon beide Warenzeichen durch die Verwendung des Wortes "Milch" an erster Stelle auf die Beschaffenheit der Bonbons als solche mit Milchzusatz hin. Das Wort "Milch" allein entbehre zwar als Beschaffenheitsangabe jeglicher Kennzeichnungskraft, doch trete noch die Verbindung dieses Wortes jeweils mit einer österreichischen Währungseinheit hinzu. Die Bezeichnung "Groschen" oder "Schilling" stehe dabei - mit Ausnahme der gemeinsamen runden Form - in keinem Zusammenhang mit der Beschaffenheit der Ware oder deren Preis, so daß bei beiden Warenbezeichnungen die Kennzeichnungskraft nur in der Art der Zusammenstellung des Wortes liege, wonach das in beiden Fällen gleiche die Art der Zusammensetzung oder Herstellung der Ware andeutende Wort "Milch" jeweils mit einer österreichischen Währungseinheit, und zwar einmal mit Groschen und einmal mit Schilling, verbunden werde. Dadurch aber bringe die Nachahmung von vornherein die Gefahr mit sich, daß die beiden Warenzeichen verwechselt werden könnten, die sich nur durch das zweite Wort (Schilling bzw. Groschen) voneinander unterschieden. Es sei davon auszugehen, daß der Gesamteindruck zweier Bezeichnungen zu beachten sei, und zwar auch dann, wenn beide Vergleichszeichen aus demselben freien Stamm (Milch) gebildet seien. Es sei daher weder der gemeinsame Teil isoliert zu betrachten noch die voneinander verschiedenen Teile der Bezeichnung, und es sei zu erwägen, ob die beiden Bezeichnungen in ihrem Gesamteindruck so ähnlich seien, daß anzunehmen sei, ein Durchschnittskunde werde, wenn er die eine Bezeichnung sehe oder höre, bei gewöhnlicher Aufmerksamkeit glauben, die andere ihm bekannte Bezeichnung vor sich zu haben. Die beiden jeweils mit einer gültigen Geldeinheit in Zusammenhang gebrachten Bezeichnungen mit dem gleichen Stammwort könnten leicht in ein Erinnerungsbild verschmelzen und daher beim flüchtigen Käufer zur Verwechslung führen, weil er glaube, daß es sich beim Milchschilling um die gleichen Bonbons handle, die ihm schon als Milchgroschen in Erinnerung geblieben seien, als ein Begriff, der die Bonbonbeschaffenheit irgendwie mit einem Geldwert kombiniert habe. Die Bezeichnung "Milchschilling" sei daher der Marke "Milchgroschen" ähnlich, und beide seien daher im geschäftlichen Verkehr verwechselbar. Es komme nicht auf die verschiedene Geldeinheit im Markenwort, sondern auf die Zusammenfügung des Wortes "Milch" jeweils mit einem Geldwert an. Da die Beklagte Bonbons mit der Bezeichnung "Milchschilling" auf den Markt bringe, benütze sie im geschäftlichen Verkehr diese Bezeichnung in einer Weise, die geeignet sei, Verwechslungen mit der bereits zugunsten der Klägerin registrierten Wortmarke "Milchgroschen" hervorzurufen. Dies genüge aber, um den Unterlassungsanspruch der Klägerin nach § 9 UWG. in Verbindung mit den §§ 11a und 25 MSchG. zu begrunden, zumal beide Parteien hinsichtlich des Vertriebes von Bonbons im Wettbewerb stunden.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Dem Berufungsgericht ist beizustimmen, daß die Warenzeichen "Milchgroschen" und "Milchschilling" verwechselbar ähnlich sind. Der Beklagten ist zuzugeben, daß bei isolierter Betrachtung der Wörter "Groschen" und "Schilling" der Wertunterschied zwischen den damit bezeichneten Währungseinheiten deutlich erkennbar ist. Die Beklagte übersieht aber, daß es bei der Markenbezeichnung der Klägerin auf den Wert der benützten Währungseinheit nicht ankommt, sondern nur die an sich eindrucksfähige Tatsache von Bedeutung ist, daß für Bonbons der Name irgendeiner Münze verwendet wird. Diese Beziehung wird auf die Weise erkennbar gemacht, daß das auf die Zusammensetzung des Bonbons hinweisende Wort "Milch" der Währungsbezeichnung vorangesetzt wird. Für den flüchtigen Leser der Marke ist daher in erster Linie einprägsam, daß überhaupt eine Münze zur Heraushebung eines bestimmten Bonbons verwendet wird, ohne daß der Name oder der Wert der Münze in die Waagschale fiele. Darauf, ob in anderen Fällen die Namen der Groschen und Schillinge auseinandergehalten werden können, kommt es daher hier nicht an.
Bei einer charakteristischen Gesamtbezeichnung wie der Marke "Milchgroschen" geht es überhaupt nicht an, das Wortzeichen in einen nichtschutzfähigen und einen schutzfähigen Bestandteil zu zerlegen und jeden von ihnen gesondert auf die Verwechselbarkeit zu überprüfen. Keiner der beiden Teile kann nämlich für sich als Kennzeichnung eines Bonbons in Frage kommen, die Münzbezeichnung nicht, weil ohne Hinweis auf einen üblichen Lebensmittelzusatz die Identifizierung einer Münze mit einem Bonbon zu weit hergeholt wäre, und die Bezeichnung für diesen Lebensmittelzusatz allein nicht, weil die Kennzeichnungskraft "Milch" allein viel zu gering wäre. Das Berufungsgericht hat daher mit Recht nur die Gesamtausdrücke überprüft. Es ist auch zu dem richtigen Schluß gekommen, daß die Bezeichnungen "Milchgroschen" und "Milchschilling" für den Käufer von Bonbons, dem gerade nur die Zusammensetzung des Wortes "Milch" mit einer inländischen Münze vor Augen steht, in höchstem Grad Verwechslungen ausgesetzt sind.
Im übrigen genügt es, auf die der Sache auf den Grund gehenden, zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes zu verweisen.
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