OGH 3Ob189/58

OGH3Ob189/583.7.1958

SZ 31/94

Normen

ABGB §1447
EO §42
EO §353
ABGB §1447
EO §42
EO §353

 

Spruch:

Aufschiebung der Exekution nach § 353 EO. bei einer wenn auch nicht rechtskräftigen Versagung der erforderlichen Genehmigung durch die Verwaltungsbehörde.

Die Exekution ist erst beendet, wenn die urteilsmäßig auferlegte Leistung tatsächlich erbracht ist.

Entscheidung vom 3. Juli 1958, 3 Ob 189/58.

I. Instanz: Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.

Text

Die Verpflichteten waren mit Urteil des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 10. Oktober 1955, 1 C 491/55-14, rechtskräftig zur Entfernung des von ihnen auf dem Grundstück Nr. 677/6 der EZ. 261 der Katastralgemeinde K. errichteten Betontrottoirs sowie der ebendort errichteten Betonstiege und zur Wiederherstellung des früheren Zustandes, ferner zur Entfernung der westlich und östlich an dem auf dem Grundstück Nr. 65/1 der EZ. 486 der Katastralgemeinde K. errichteten Haus angebrachten Rinnsale verurteilt worden. Mit dem rechtskräftigen Urteil desselben Gerichtes vom 21. November 1956, 1 C 689/56-40, waren sie weiters verurteilt worden, den überdachten Balkon des auf dem Grundstück 65/1 der EZ. 486 der Katastralgemeinde K. errichteten Hauses zu entfernen, soweit er in den Luftraum des im Eigentum der betreibenden Parteien stehenden Grundstückes Nr. 677/6 der EZ. 261 der Katastralgemeinde K. hereinragt. Zur Erwirkung dieser Handlungen war den betreibenden Parteien mit Beschluß des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 9. April 1957, 10 E 1557/57, Exekution bewilligt worden. Sie wurden ermächtigt, diese Handlungen durch befugte Gewerbsleute auf Kosten der Verpflichteten erwirken zu lassen. Zugleich wurden die Verpflichteten zur ungeteilten Hand für schuldig befunden, den betreibenden Parteien die hiedurch entstehenden und vorläufig mit 15.000 S bemessenen Kosten der Vornahme dieser Handlungen binnen 14 Tagen zu bezahlen. Zur Hereinbringung des Betrages von 15.000 S wurde den betreibenden Parteien die Zwangsversteigerung der den Verpflichteten gehörigen Liegenschaft EZ. 486 der Katastralgemeinde K. mit Beschluß vom 11. Mai 1957, 10 E 21/57-2, bewilligt.

Mit der am 21. Jänner 1958 überreichten Klage begehrten die Verpflichteten die Feststellung, daß die Ansprüche der betreibenden Parteien aus den bezeichneten Urteilen und Exekutionsbewilligungsbeschlüssen erloschen seien. Zugleich begehrten sie die Aufschiebung der oben erwähnten Exekutionen ohne Auferlegung einer Sicherheitsleistung bis zur Erledigung des Rechtsstreites. Zur Begründung ihrer Klage führten sie aus, daß das Grundstück Nr. 677/6 der Liegenschaft EZ. 261 der Katastralgemeinde K. ein Teil des Weges sei, der die Bezeichnung H.-Weg führe. Dieser Weg sei rechtskräftig mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft G.-U. vom 25. September 1957 als öffentlich erklärt worden. Die betreibenden Parteien seien verpflichtet worden, das bezeichnete Grundstück Nr. 677/6 zum Zwecke des Ausbaues einer Gemeindestraße dauernd und lastenfrei gegen angemessene Entschädigung in das Eigentum der Marktgemeinde G. abzutreten. Das Ansuchen der Verpflichteten, die ihnen mit dem Urteil des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 10. Oktober 1955, 1 C 491/55-14, aufgetragenen Änderungen an der Gemeindestraße H.-Weg zu genehmigen, und ihr Ansuchen, ihnen die baubehördliche Genehmigung zur Entfernung des Balkons zu erteilen, seien mit den Bescheiden der Marktgemeinde G. vom 6. Dezember 1957 bzw. vom 20. Oktober 1957 abgewiesen worden. Zugleich sei einer gegen den letzteren Bescheid eingebrachten Berufung die aufschiebende Wirkung aberkannt worden. Aus diesen Tatsachen ergebe sich, daß die Ansprüche der betreibenden Parteien aus den eingangs angeführten Exekutionstiteln erloschen seien, weil der H.-Weg, dessen Bestandteil das Grundstück Nr. 677/6 sei, zum öffentlichen Weg erklärt und die Durchführung der den Verpflichteten in den Exekutionstiteln aufgetragenen Leistungen infolge der Bescheide der Marktgemeinde G. rechtlich unmöglich geworden sei. Durch die Fortsetzung der Exekutionen würde den Verpflichteten ein unersetzlicher Nachteil erwachsen, wenn zur Hereinbringung des Betrages von 15.000 S die Zwangsversteigerung der Liegenschaft EZ. 486 der Katastralgemeinde K. durchgeführt würde. Die Tatsachen, auf die sich die Einwendungen gegen die Ansprüche der betreibenden Parteien und gegen die Exekutionsbewilligungen stützten, seien durch unverdächtige Urkunden dargetan.

Das Erstgericht bewilligte mit dem Beschluß vom 7. Februar 1958, 10 E 1557/57-16, die Aufschiebung unter Hinweis auf §§ 42 Abs. 1 Z. 5, 44 Abs. 1 EO.

Das Rekursgericht wies den Aufschiebungsantrag ab. Es meinte, daß der Anspruch der betreibenden Parteien nur dann in Frage gestellt wäre, wenn sie ihr Eigentum an dem Grundstück Nr. 677/6 nach Entstehung des Titels verloren hätten. Der Enteignungsbescheid sei anfechtbar, noch nicht in Rechtskraft erwachsen, daher noch nicht Voraussetzung für den Vollzug der Enteignung und damit für den Besitzübergang an dem enteigneten Grundstück. Auch die im Gesetz vorgesehenen Verfügungsbeschränkungen treten erst nach Rechtskraft des Enteignungsbescheides ein. Die Verpflichteten könnten sich auch nicht darauf berufen, daß die Marktgemeinde G. die Durchführung von Änderungen an der Gemeindestraße am H.-Weg nicht genehmigt habe. Aus der betreffen den Zuschrift ergebe sich nicht, daß die gegenständlichen Bauänderungen gemeint seien. Es sei auch nicht behauptet, daß die Versagung der Bauausführungen bereits in Rechtskraft erwachsen sei. Zudem seien die betreibenden Parteien schon längst zur Vornahme der in Frage stehenden Handlungen ermächtigt worden. Es sei nicht behauptet worden, daß die betreibenden Parteien im Verfahren über die Versagung der Genehmigung gehört worden seien. Auch der Bescheid, der den Abbruch des Balkons versage, sei noch nicht in Rechtskraft erwachsen. Es könne unerörtert bleiben, ob das allfällige Bestehen von Hindernissen baupolizeilicher Natur nicht bereits im Titelprozeß hätte geltend gemacht werden müssen. Die Aufschiebung sei in das Ermessen der Gerichte gestellt. Zweckmäßigkeitserwägungen sprächen gegen die Bewilligung der Aufschiebung. Der Prozeßerfolg der verpflichteten Parteien sei fraglich und zeitlich nicht absehbar. Es sei schon deshalb der Aufschiebungsantrag abzuweisen gewesen. Dazu komme, daß die betreibenden Parteien unbedingt ermächtigt worden seien, auf Kosten der verpflichteten Parteien die Ersatzvornahme durchzuführen. Eine Aufschiebung der Exekution würde zu einer Einschränkung dieser Ermächtigung in einem zeitlich noch unbestimmten Rahmen und damit zu einer teilweisen Aufschiebung eines bereits vollzogenen Exekutionsaktes führen. Dies sei aber nur bei Vorliegen der im § 43 EO. geforderten, hier nicht gegebenen Voraussetzungen möglich. Die Zwangsversteigerung habe die Exekutionsbewilligung zur Erwirkung der aufgetragenen Handlungen zur Grundlage, die Weiterführung dieser Exekution bewirke zwangsläufig auch den Mißerfolg des Oppositionsprozesses, soweit er das Zwangsversteigerungsverfahren bekämpfe.

Der Oberste Gerichtshof stellte die erstgerichtliche Entscheidung wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die von den Verpflichteten gegen die Exekutionsführung erhobenen Einwendungen können nur nach § 35 EO., nicht nach § 36 EO. beurteilt werden, da ein unter diese Bestimmung fallender Tatbestand nicht behauptet wird. Es werden nicht die für die Fälligkeit oder Vollstreckbarkeit der Ansprüche der betreibenden Parteien maßgebenden Tatsachen bestritten, noch wird behauptet, daß die betreibenden Parteien auf die Einleitung der Exekution überhaupt oder auch nur zeitweise verzichtet hätten. Die Verpflichteten machten geltend, daß rechtsaufhebende, jedenfalls rechtshemmende Tatsachen eingetreten seien, die die Exekutionsführung unzulässig machten.

Es ist unbestritten, daß der Enteignungsbescheid, betreffend das Grundstück Nr. 677/6 der EZ. 261 der Katastralgemeinde K., noch nicht in Rechtskraft erwachsen ist, und auch daß die Enteignung noch nicht in Vollzug gesetzt wurde. Den betreibenden Parteien kann daher nicht entgegengesetzt werden, daß der ihnen zuerkannte, aus ihrem Eigentumsrecht fließende Anspruch infolge Verlustes des Eigentums erloschen sei. Durch die Erlassung des noch nicht in Rechtskraft erwachsenen Enteignungsbescheides wurde das Eigentumsrecht der betreibenden Parteien in keiner Weise beschränkt, auch nicht im Sinne des § 19 des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954. Aus der Auffassung der Verwaltungsbehörde, die eine Enteignung für möglich hält und deshalb einen Enteignungsbescheid erläßt, allein kann für die Berechtigung der Aufschiebung nichts gewonnen werden, da daraus nicht auf das Vorliegen einer rechts hemmenden oder rechtsaufhebenden Tatsache geschlossen werden kann.

Es bleibt bei dieser Lage der Dinge zu untersuchen, ob in den Versagungsbescheiden der Marktgemeinde G. eine die Vollstreckung der Exekutionstitel hemmende oder aufhebende Tatsache erblickt werden kann. Diese Frage muß bejaht werden. Aus den Bescheiden ergibt sich, daß den Verpflichteten in einem mit ihnen durchgeführten Verfahren die Änderungen an der Gemeindestraße und die Entfernung des strittigen Balkons versagt wurden. Diese Tatsache ist geeignet, den den betreibenden Parteien aus ihrem Eigentumsrecht zustehenden, ihnen urteilsmäßig zuerkannten Anspruch aufzuheben, wenn die Versagungsbescheide in Rechtskraft erwachsen bzw. nicht als verfassungswidrige Eingriffe in das Eigentumsrecht der betreibenden Parteien wieder behoben werden. Es ist damit jedenfalls dargetan, daß die zu erbringenden Leistungen unmöglich sein, daß der Erlöschungsgrund des § 1447 ABGB. eingetreten sein könne. Da die Verpflichteten aus Gründen, die in ihrer Person liegen, insbesondere aus den gegen sie erlassenen Versagungsbescheiden, nicht imstande sind, die ihnen urteilsmäßig aufgetragenen Handlungen durchzuführen, kann derzeit nicht gesagt werden, daß die von ihnen behaupteten Erlöschungsgrunde nicht gegeben sind. Das wird sich erst im Prozesse ergeben, in dem festzustellen sein wird, ob der Enteignungsbescheid bzw. die Versagungsbescheide bereits in Rechtskraft erwachsen oder doch so weit wirksam sind, daß sie die Ansprüche der betreibenden Parteien, wenn auch nicht aufheben, so doch hemmen. Es kann nicht übersehen werden, daß die Bescheide als Befehle der Verwaltungsbehörde von den Verpflichteten und den Gerichten zu beachten sind, auch wenn sie gerichtlichen Urteilen widersprechen, und daß sie, soweit sie in die Rechte der betreibenden Parteien eingreifen, von diesen im in der Verfassung vorgesehenen Wege bekämpft werden müssen (vgl. hiezu SZ. XXII 139). Die in der Person der Verpflichteten manifest gewordene Unmöglichkeit der Durchführung der aufgetragenen Maßnahmen bedeutet jedenfalls, daß der Anspruch der betreibenden Parteien erloschen sein kann, auch wenn das Verfahren, in dem die Versagungsbescheide ergingen, ohne Anhörung der betreibenden Parteien abgeführt wurde und daher unklar geblieben ist, wie weit die Verpflichteten nicht selbst durch ihr Vorbringen zur Erlassung der Versagungsbescheide beigetragen haben. Es wird Sache der betreibenden Parteien sein, allfällige verfassungswidrige Eingriffe der Behörden auf dem vorgesehenen Wege abzuwehren. Daß die Aufschiebung einer Exekution gemäß § 353 EO. grundsätzlich möglich ist, ergibt die Überlegung, daß diese erst beendet ist, wenn die urteilsmäßig auferlegte Leistung tatsächlich erbracht ist (vgl. hiezu SZ. XXIV 3); die Aufschiebung der Exekution aus dem Gründe der §§ 42 Abs. 1 Z. 5, 44 Abs. 1 EO. ist daher gerechtfertigt, da die übrigen Voraussetzungen vorliegen.

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