OGH 6Ob7/58

OGH6Ob7/5826.2.1958

SZ 31/33

Normen

ABGB §7
ABGB §1451
ABGB §1478
ABGB §1486
4. Durchführungsverordnung zum Ehegesetz §18
EO §81
ABGB §7
ABGB §1451
ABGB §1478
ABGB §1486
4. Durchführungsverordnung zum Ehegesetz §18
EO §81

 

Spruch:

Die Verjährung unterliegt im internationalen Privatrecht demselben Statut wie das Schuldverhältnis.

Verjährung nach dem tschechoslowakischen Zivilgesetzbuch vom 25. Oktober 1950, Slg 141.

Die Vorbehaltsklausel ist bei einschneidender Verkürzung der Verjährungsfrist im Ausland ohne Erlassung ausreichender Übergangsbestimmungen anzuwenden.

Entscheidung vom 26. Februar 1958, 6 Ob 7/58.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Die Klägerin ist die Witwe nach dem im Jahre 1946 verstorbenen Otto T., der Mitglied der Direktion der Zentrale der Deutschen A.-Bank war, die im Jahre 1939 mit der beklagten Böhmischen U.-Bank i. L. in Prag fusioniert worden ist. Sie begehrt die Zahlung der ihr auf Grund der Zusagen der Beklagten vom 29. Juni 1940 und 19. Juli 1940 gebührenden Witwenrente für die Zeit vom 1. Jänner 1949 bis 31. Dezember 1955 in der Höhe von 228.060 S und beginnend vom 1. Jänner 1956 der an jedem Monatsersten fällig werdenden Witwenrente von 2715 S, jedoch mit der Beschränkung der Befriedigung aus den in Österreich befindlichen Vermögensmassen der Beklagten.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Im Schreiben der Beklagten an Otto T. vom 29. Juni 1940 sei diesem beginnend vom 1. Jänner 1941 eine Jahrespension von 90.000 K versprochen worden, auf die der gegen das Pensionsinstitut zustehende Rentenanspruch des T. angerechnet werden sollte. Der auf die beklagte Bank entfallende, über die statutarische Altersrente hinausgehende Pensionsanteil sei als freiwilliger, jederzeit widerruflicher Pensionszuschuß bezeichnet worden. Im weiteren Schreiben der Beklagten an T. vom 19. Juli 1940 habe sich jene verpflichtet, an die Gattin des T., die Klägerin, im Falle ihrer Witwenschaft eine Witwenrente in der Höhe von 45.000 K jährlich zu zahlen. Mit Rücksicht darauf, daß T. zur Zeit der Vereinbarung tschechoslowakischer Staatsbürger und in Prag wohnhaft gewesen sei und die Beklagte ihren Sitz in Prag gehabt habe, sei auf das vorliegende Rechtsverhältnis tschechoslowakisches Recht anzuwenden (§ 37 ABGB.). Zur Entscheidung des Rechtsstreites sei das angerufene ordentliche Gericht und nicht das Arbeitsgericht zuständig, da dieses nach dem Arbeitsgerichtsgesetz über Ansprüche aus ausländischen Dienst- und Arbeitsverhältnissen nicht zu erkennen habe. Was die von der beklagten Partei am 29. Juni und 19. Juli 1940 übernommene Verpflichtung betreffe, habe sie sich nur verbunden, den Überschuß zwischen der statutarischen Pension und den versprochenen jährlichen 90.000 K bzw. 45.000 K zu zahlen. Es handle sich hiebei um eine remuneratorische Schenkung, die nicht wirksam sei, weil sie nicht schriftlich vereinbart worden sei. Es könne auch die Höhe der von der beklagten Partei zu zahlenden Pension nicht ermittelt werden, so daß die passive Klagelegitimation der beklagten Partei derzeit fehle. Schließlich sei die Forderung der Klägerin bereits am 22. Dezember 1953 verjährt gewesen, als die Klägerin am 2. Jänner 1956 die vorliegende Klage eingebracht habe. Die dreijährige Verjährungszeit des neuen, am 1. Jänner 1951 in Kraft getretenen tschechoslowakischen Zivilgesetzbuches widerspreche nicht dem inländischen ordre public. Es sei auch unrichtig, wie die Klägerin behaupte, daß sie ihre Forderung erst nach dem Abschluß des österreichischen Staatsvertrages und nachdem die Tschechoslowakische Republik diesem Vertrag beigetreten sei, hätte geltend machen können.

Infolge Berufung der Klägerin bestätigte das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil. Das Berufungsgericht übernahm die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß auf die Rechtsbeziehungen der Parteien nach § 37 ABGB. das tschechoslowakische Recht angewendet werden müsse. Dasselbe Recht sei auf die Beurteilung der von der beklagten Partei eingewendeten Verjährung anwendbar. T. habe zwar auf Grund der vom Deutschen Reich angeordneten Sammeleinbürgerungen die deutsche Staatsbürgerschaft erworben. Diese Sammeleinbürgerung sei aber nach internationalem Recht rechtsunwirksam. T. habe daher auch im Jahre 1940, als die Vereinbarungen getroffen worden seien, noch die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft besessen. Nach dem § 90 des neuen, mit 1. Jänner 1951 an die Stelle des österreichischen ABGB. getretenen tschechoslowakischen Zivilgesetzbuches sei statt der dreißigjährigen Verjährungszeit für das Bezugsrecht selbst ebenso wie für die einzelne Teilforderung die dreijährige Verjährungszeit eingeführt worden. Diese Verkürzung der Verjährungszeit widerspreche nicht der inländischen öffentlichen Ordnung oder den guten Sitten. Eine Verletzung des inländischen ordre public liege - wie das Berufungsgericht annimmt - nur dann vor, wenn durch die Anwendung des ausländischen Rechtes die Grundlagen unserer Rechts- und Gesellschaftsordnung in Frage gestellt würden. Ein öffentliches Interesse an einer bestimmten Verjährungszeit bestehe grundsätzlich nicht. Die Verjährungsvorschriften seien ihrem Wesen nach Schuldnerschutzbestimmungen. Die Rechtsordnung nehme es in Kauf, daß durch die Verjährung unter Umständen Unrecht in Recht gewandelt werde. Ein Verstoß gegen die inländische Rechtsordnung könne auch nicht darin erblickt werden, daß der Klägerin die Kenntnis der tschechoslowakischen Gesetzesänderung nicht zugemutet werden könnte. Die Klägerin habe jedenfalls die objektive Möglichkeit gehabt, ihre Ansprüche gegen die beklagte Partei vor einem österreichischen Gericht geltend zu machen. Die Klägerin könne auch aus dem Umstand, daß das neue tschechoslowakische Zivilgesetzbuch nur nach einer sehr kurzen vacatio Legis in Kraft getreten sei, für ihren Standpunkt nichts ableiten. Nach dem § 566 des Zivilgesetzbuches hätten nämlich die Verjährungsfristen mit dem 1. Jänner 1951 neu zu laufen begonnen, so daß der Anspruch der Klägerin nicht vor dem 31. Dezember 1953 habe verjähren können. Was die tschechoslowakischen Gesetze 101/1953 und 62/1955 betreffe, sei der Ablauf der Verjährungsfristen bis Ende 1955 und bezüglich der Geldforderungen aus bürgerlich-rechtlichen Verhältnissen gegenüber dem Ausland und umgekehrt sogar auf unbestimmte Zeit verlängert worden. Nach dem § 2 der beiden Gesetze seien jedoch Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis von der Verjährungshemmung nicht betroffen. Die Behauptung der Klägerin, ihr Gatte sei nicht Angestellter, sondern Mitglied des Vorstandes und damit gesetzlicher Vertreter der Deutschen A.- Bank gewesen, sei mit der Aktenlage im Widerspruch. Im Schreiben der Beklagten an T. sei nämlich von dessen "aktiver Tätigkeit" die Rede. Aus dem würde nach der Meinung des Berufungsgerichtes die Eigenschaft des T. als Vorstandsmitgliedes nicht ausschließen, daß er zur Deutschen A.-Bank und zur beklagten Partei in einem Angestelltenverhältnis gestanden sei. Die Ansprüche der Klägerin seien daher verjährt.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin Folge, hob das Urteil des Berufungsgerichtes auf und verwies die Rechtssache an dieses Gericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Zur Zeit des Abschlusses der Vereinbarungen vom 29. Juni und 19. Juli 1940 waren weder Otto T. noch die beklagte Bank inländische Rechtssubjekte. Sie schlossen die Vereinbarungen in Prag. Nach § 37 ABGB. sind derartige Rechtsgeschäfte nach den Gesetzen des Ortes, wo sie abgeschlossen worden sind, zu beurteilen. Wie die Untergerichte richtig erkannt haben, kommt daher das tschechoslowakische Recht in Frage.

Freilich könnte nicht von vorneherein ausgeschlossen werden, daß die Parteien gerade nur das Recht des damaligen Protektorates Böhmen und Mähren und nicht auch das der Tschechoslowakischen Republik als Grundlage ihrer Abmachungen angesehen haben. Wenngleich es an der internationalen Anerkennung der Protektoratsgrundung gefehlt und auch die Tschechoslowakei selbst ungeachtet der Protektoratsgrundung die Kontinuität ihres Staates angenommen hat (vgl. dazu Schmied, Das Staatsangehörigkeitsrecht der Tschechoslowakei, S. 31 f.), könnte doch die Meinung vertreten werden, daß für die subjektiven Entschließungen und Annahmen der Streitteile im Jahre 1940, als das Protektorat eine staatliche Realität darstellte, gerade nur dessen Recht maßgebend war. Konkrete Behauptungen der Parteien fehlen jedoch in dieser Richtung. Dies gilt auch für die nicht von der Hand zu weisende Möglichkeit, daß durch die spätere Verlagerung des wirtschaftlichen Schwerpunktes der Parteien nach Österreich deren hypothetischer Wille angenommen werden könnte, nach dem Untergang des Protektorates Böhmen und Mähren das Recht des Verlagerungslandes, also das österreichische Recht, für maßgebend zu erklären (vgl. SZ. XXVI 205; Raape, Internationales Privatrecht, 4. Aufl. S. 439 ff.).

Nach den vorliegenden Behauptungen der Parteien muß indessen davon ausgegangen werden, daß auf den Rechtsfall das tschechoslowakische Recht anzuwenden ist. Dies gilt nicht nur vom Inhalt der vertraglichen Beziehungen der Streitteile, die entgegen der Meinung der Revisionswerberin als Rechtsbeziehungen aus einem Arbeitsverhältnis anzusehen sind. Denn wenn auch Otto T. als Vorstandsmitglied der Deutschen A.-Bank gesetzlicher Vertreter einer juristischen Person war, hatte dies nur zur Folge, daß nach § 2 Abs. 2 und § 1 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 ArbGerG. zur Entscheidung über die Ansprüche der Witwe des T. nicht das Arbeitsgericht, sondern das ordentliche Gericht zuständig ist. Die Eigenschaft des T. als Vorstandsmitglied schloß aber das Bestehen eines Dienstverhältnisses zur Deutschen A.-Bank, in das dann die beklagte Bank eingetreten ist, nicht aus. Denn es ist, wie die E. SZ. XXII 196 hervorgehoben hat, zwischen der Bestellung zum Vorstandsmitglied, das heißt der Rechtshandlung die dem Vorstandsmitglied seine Stellung nach außen verleiht, und der Anstellung, die das Dienstverhältnis nach innen regelt, zu unterscheiden. T. selbst hat in seinem Schreiben vom 18. Juli 1940 an die beklagte Partei von der Beendigung seines Dienstverhältnisses gesprochen, und die Klägerin redet in der Klage von einem Arbeitsverhältnis. T. hatte ja ohne Zweifel seine ganze Arbeitskraft der Bank gewidmet und war mit fixen Bezügen entlohnt worden. Auch der Anspruch auf Ruhegenuß beruht unmittelbar auf dem Dienstverhältnis, ist ein Anspruch aus diesem Verhältnis und kann keineswegs als bloße Nachwirkung angesehen werden, wie die Klägerin zu Unrecht annimmt. Während es sich nämlich beim Pensionsverhältnis um das fortdauernde, wenn auch modifizierte Dienstverhältnis handelt, sind als Nachwirkungen die rechtlichen Restbeziehungen im Gefolge eines nicht mehr aufrechten Dienstverhältnisses anzusehen.

Das tschechoslowakische Recht ist aber auch auf die Frage der Verjährung des Klageanspruchs anzuwenden. Die Verjährung als ein - wenn auch über das einzelne Rechtsinstitut des Arbeitsvertrages hinausreichender - Grund für das Erlöschen eines Anspruchs ist nämlich als Glied des Rechtsinstituts anzusehen, das mit ihm in genügend enger Beziehung steht, um es demselben Statut wie das Schuldverhältnis zu unterwerfen (so auch Bolla, Grundriß des österreichischen Internationalen Privatrechtes, S. 27; Walker, Internationales Privatrecht, 5. Aufl. S. 325; Raape a. a. O. S. 462; Schnitzer, Handbuch des Internationalen Privatrechtes, 4. Aufl. II S. 665; Serick, die Sonderanknüpfung von Teilfragen im Internationalen Privatrecht, ZAuslR. 1953 S. 633 f.).

Die Tschechoslowakei hat das neue Zivilgesetzbuch vom 25. Oktober 1950, Slg. 141, erlassen, das nach seinem § 570 am 1. Jänner 1951 in Kraft getreten (deutscher Text in den Berichten des Osteuropa-Instituts an der freien Universität Berlin, Heft 18, Reihe Wirtschaft und Recht) und an die Stelle des bis dahin geltenden österreichischen ABGB. getreten ist. Im § 90 wurde bestimmt, daß, soweit das Gesetz nichts anderes bestimme, die Verjährung drei Jahre dauere. Dabei wird für Dauerschuldverhältnisse nicht unterschieden, ob es sich um den einzelnen aus dem Rechtsverhältnis entspringenden Teilanspruch oder das Recht als Ganzes handelt (vgl. auch § 336 Abs. 2). Da die Verjährung des Rechtes selbst bis dahin nach § 1478 ABGB. erst nach dreißig Jahren eintreten konnte (die dreijährige Verjährungsfrist des § 1486 Z. 5 ABGB. bezog sich nur auf die einzelnen Engelts- und Auslagenersatzansprüche der Dienstnehmer und die vom Dienstgeber darauf gewährten Vorschüsse), ergab sich durch die Einführung des § 90 ZGB. die Verkürzung der Verjährungszeit auf ein Zehntel. Als Vorbild für diese Gesetzesänderung dürfte Art. 44 des russischen Zivilgesetzbuches vom 31. Oktober 1922 (Raape a. a. O. S. 462, 558) gedient haben, wie das Berufungsgericht annimmt. Wenngleich nach dem § 568 Abs. 2 Z. 1 ZGB. die Bestimmungen der §§ 1151 bis 1164 ABGB. über den Dienstvertrag zunächst in Geltung belassen wurden, beziehen sich die neuen Verjährungsbestimmungen des Zivilgesetzbuches offensichtlich auch auf den Dienstvertrag, da in den aufrechterhaltenen Vorschriften Verjährungsbestimmungen nicht enthalten sind.

Der tschechoslowakische Gesetzgeber mochte erkannt haben, daß die radikale Verkürzung der Verjährungszeit, die mit einer außergewöhnlich kurzen Gesetzesvakanz (zwei Monate) zusammentraf, die Erlassung von Übergangsvorschriften erheischte, um den drohenden kurzfristigen Rechtsverlust nichtsahnender, besonders im Ausland befindlicher Personen hinauszuschieben. Darauf ist es zurückzuführen, daß nach dem § 566 ZGB. im Falle der Fristverkürzung die neu eingeführte dreijährige Verjährungsfrist mit dem Inkrafttreten des Zivilgesetzbuches (1. Jänner 1951) voll zu laufen beginnen und daher nicht vor dem 31. Dezember 1953 ablaufen sollte. Darüber hinaus verlängerte § 1 des Gesetzes vom 22. Dezember 1953, Slg. 101, die dreijährige Verjährung von Geldforderungen aus bürgerlich-rechtlichen Verhältnissen bis zum Ablauf des Jahres 1955, und § 1 des Gesetzes vom 16. Dezember 1955, Slg. 62, schob den Ablauf der Verjährung von derartigen Geldforderungen gegenüber dem Ausland und umgekehrt bis zu einem durch Verordnung zu bestimmenden Tag hinaus. Im § 2 der beiden angeführten Gesetze wurden jedoch von der Wohltat der Hinausschiebung der Verjährung Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis ausgenommen. Unter diesen Forderungen müssen alle aus dem Arbeitsverhältnis entspringenden Ansprüche, also auch das zugrunde liegende Recht selbst, verstanden werden. Durch die Nichtausübung dieses Rechtes bis zum 31. Dezember 1953 erlosch es somit, wie sich aus den §§ 86, 90, 566 ZGB. ergibt.

Die Anwendung ausländischen Rechtes hat ihre Grenze im österreichischen Vorbehalt, daß die in Frage kommende Rechtsnorm der inländischen öffentlichen Ordnung und den guten Sitten nicht widerspricht (vgl. § 81 Z. 4 EO., wo von Rücksichten der öffentlichen Ordnung und der Sittlichkeit die Rede ist, und § 18 4. DVzEheG., der für das internationale Familienrecht den Vorbehalt macht, die Anwendung eines ausländischen Gesetzes dürfe nicht gegen die guten Sitten oder den Zweck eines österreichischen Gesetzes verstoßen). Werden durch die Anwendung des ausländischen Gesetzes Grundsätze der österreichischen Rechtsordnung verletzt oder subjektive Rechte von Inländern in sittenwidriger Weise beeinträchtigt, darf das Gesetz nicht herangezogen werden. Die dadurch entstehende Lücke ist, da die Vorbehaltsklausel nur eine nicht unnötig zu erweiternde Ausnahme von der grundsätzlichen Anwendbarkeit ausländischen Rechtes darstellt, möglichst mit einer anderen ausländischen Rechtsnorm auszufüllen. Einen ähnlichen Standpunkt nimmt ebenso wie zahlreiche andere Staaten auch die Tschechoslowakische Republik ein. Nach § 53 des tschechoslowakischen Gesetzes über das internationale und interlokale Privatrecht und über die Rechtsstellung der Ausländer auf dem Gebiete des Privatrechtes vom 11. März 1948, Slg. 41 (deutscher Text ZAuslR. 1952 S. 457 ff. und Makarov, Quellen des internationalen Privatrechts, 2. Aufl. I Tschechoslowakei S. 4 ff.), ist nämlich die Anwendung einer ausländischen Rechtsvorschrift ausgeschlossen, wenn diese gegen die guten Sitten oder gegen solche Vorschriften der tschechoslowakischen Rechtsordnung verstoßen würde, die mit Rücksicht auf ihre Bedeutung ohne Einschränkung angewendet werden müssen.

Das Berufungsgericht ist im Recht, wenn es einen Verstoß gegen den österreichischen ordre public nicht darin sieht, daß die Dauer der Verjährungszeit im ausländischen Recht anders als im inländischen geregelt ist. Überhaupt kann eine abweichende Regelung im ausländischen Recht an sich im allgemeinen nicht zum Anlaß genommen werden, die ausländische Norm abzulehnen (vgl. Wahle in Rspr. 1931 S. 171 zu Nr. 101, SZ. XXIV 93). Darum müßte die Kürze der im tschechoslowakischen Recht festgesetzten Verjährungsfrist an sich noch nicht zur Anwendung der österreichischen Vorbehaltsklausel führen. Für den inländischen Bereich wird die Norm über die kurze Verjährungszeit aber dann anstößig, wenn sie neu eingeführt wird und an die Stelle einer die Verjährungszeit zehnmal so lang ausmessenden früheren Vorschrift tritt, ohne daß für ausreichende, die subjektiven Rechte der betroffenen Personen genügend schützende Übergangsbestimmungen gesorgt wird.

Die Vorschrift des § 566 ZGB., wonach mit dem Inkrafttreten des Gesetzbuches die neue dreijährige Verjährungsfrist voll zu laufen begonnen hat, kann nicht als ausreichend angesehen werden, wenn es sich, wie im vorliegenden Fall bei der Klägerin, um eine Person handelt, die durch ein tschechoslowakisches Gesetz gezwungen war, das Staatsgebiet noch vor der Änderung des Privatrechtes zu verlassen und am 4. Juni 1948 im Inland Zuflucht zu suchen, wo die Klägerin am 19. Mai 1952 auch die österreichische Staatsbürgerschaft erworben hat. Solche im Inland lebende Personen konnten nicht ohne weiteres annehmen, daß in ihre durch die bisherige dreißigjährige Verjährungszeit geschützten Rechte in so einschneidender Weise eingegriffen würde, und waren mit Rücksicht auf die in den Jahren nach dem Krieg schwierige Beschaffbarkeit der nötigen Unterlagen außerstande, die kurze Frist bis 31. Dezember 1953 wahrzunehmen (vgl. Magerstein, Die Verjährungsfristen ausländischen Rechts und der ordre public, JBl. 1955 S. 470). Es lag vom Standpunkt des österreichischen ordre public aus gesehen kein Grund vor, den Forderungen aus Arbeitsverhältnissen die vom tschechoslowakischen Gesetzgeber an sich für notwendig befundene Wohltat der Hinausschiebung des Verjährungsablaufes nach § 1 des Gesetzes vom 22. Dezember 1953, Slg. 101, und vom 16. Dezember 1955, Slg. 62, zu entziehen. Tat es der ausländische Gesetzgeber doch, kann die von ihm erlassene Einschränkung des § 2 der angeführten Gesetze im Inland keine Wirksamkeit beanspruchen und § 1 der Gesetze muß auch auf Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis angewendet werden.

In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, daß in Österreich der Ablauf der in der III. Teilnovelle zum ABGB. verkürzten Verjährungsfristen mit Rücksicht auf die seit dem Ende des ersten Weltkrieges eingetretene Erschwerung der Rechtsverfolgung auf Jahre hinaus erstreckt worden ist (vgl. Klang 2. Aufl. VI 598), so daß die Betroffenen genügend Zeit hatten, ihre Rechte wahrzunehmen. Dasselbe war nach dem zweiten Weltkrieg der Fall, als das Fristengesetz vom 2. Juli 1947, BGBl. Nr.193, in der Fassung seiner Novellen für die Hinausschiebung der Verjährungsfristen Sorge trug. Es kann nicht eingewendet werden, daß auch das Fristengesetz vor einigen Jahren in seiner weitreichenden Geltung beschränkt und nur auf spezielle Tatbestände anwendbar erklärt worden ist. Bei den österreichischen Verjährungsbestimmungen handelte es sich damals nämlich schon um Normen, die in das Rechtsbewußtsein der Bevölkerung längst eingedrungen waren. Die einschneidende tschechoslowakische Rechtsänderung hingegen mußte erst allgemein bekannt werden, ehe an ihre volle Anwendbarkeit auf Rechtsverhältnisse, die unter der Herrschaft des alten Rechtes begrundet worden waren, gedacht werden konnte.

Entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes kann daher nicht gesagt werden, daß die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche im ganzen verjährt wären. Bei dieser Rechtslage konnte die Klage nicht von vorneherein abgewiesen werden. Es muß vielmehr auf die weiteren in Frage kommenden Tat- und Rechtsfragen eingegangen werden.

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