Spruch:
Ein Ratenvergleich über die Rückzahlung einer größeren Geldsumme bedarf der vormundschaftsbehördlichen Genehmigung. Eine vom Vormundschaftsgericht gegen den Willen des Vormundes dekretierte Regelung der schuldrechtlichen Beziehungen zwischen dem Minderjährigen und einem Dritten überschreitet seine ihm durch § 233 ABGB. und § 187 AußStrG. eingeräumten Befugnisse und ist daher nichtig.
Entscheidung vom 5. Dezember 1956, 7 Ob 606/56.
I. Instanz: Bezirksgericht Klagenfurt; II. Instanz: Landesgericht Klagenfurt.
Text
Mit dem Beschluß vom 26. Juli 1956 hat das Vormundschaftsgericht die Aufkündigung eines dem Ing. Edwin L. aus dem Mundelvermögen des mj. Franz Peter P. gewährten Darlehens von 6000 S vormundschaftsbehördlich genehmigt. Ing. Edwin L. hat darauf gebeten, das Darlehen in Monatsraten von 150 S, beginnend ab September 1956, zurückzahlen zu dürfen. Der über diesen Antrag vernommene Vormund hat erklärt, dem Ratenvorschlag nicht zuzustimmen, jedoch mit einer Rückzahlungsfrist von einem Jahr bis zu eineinhalb Jahren einverstanden zu sein.
Das Vormundschaftsgericht erließ sohin den Beschluß, womit die Rückzahlung der Einlage von 6000 S in 18 Monatsraten zu 333 S 33 g samt den entsprechenden Zinsen, beginnend ab September 1956, vormundschaftsbehördlich genehmigt wurde.
Dagegen erhob Ing. Edwin L. insoweit Rekurs, als der Beschluß des Vormundschaftsgerichtes auch von der Rückzahlung von Zinsen spricht.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs Folge und änderte den Beschluß des Vormundschaftsgerichtes dahin ab, daß die Worte "samt den entsprechenden Zinsen" zu entfallen haben. Der angefochtene Beschluß lege eine Verpflichtung des Ing. Edwin L. zur Zahlung von Zinsen nicht fest, sondern bringe lediglich zum Ausdruck, daß dem Genannten die Rückzahlung seiner Schuld samt Zinsen (soweit eine solche Verpflichtung tatsächlich besteht) in Monatsraten anstatt auf einmal bewilligt werde. Der angefochtene Beschluß sei also, auch soweit er von Zinsen spreche, ausschließlich im Interesse des Ing. Edwin L. selbst gelegen. Das Rechtsschutzinteresse des Ing. Edwin L. zur Erhebung des Rekurses sei zu bejahen, da niemand verhalten werden könne, sich etwas aufdrängen zu lassen, auch wenn es zu seinem eigenen Vorteil sei.
Der Oberste Gerichtshof hob aus Anlaß des vom Vormund erhobenen Revisionsrekurses den Beschluß des Erstgerichtes und den Beschluß des Rekursgerichtes als nichtig auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Oberste Gerichtshof muß es sich versagen, auf die Rekursausführungen einzugehen, da die Prüfung der Sach- und Rechtslage aus Anlaß des erhobenen Rechtsmittels zu einer Aufhebung der beiden vorinstanzlichen Beschlüsse wegen Nichtigkeit führt.
Es ist davon auszugehen, daß die mit vormundschaftsbehördlicher Genehmigung verfügte Aufkündigung des Darlehens von 6000 S vom Darlehensschuldner zur Kenntnis genommen wurde. Die nachträgliche Gewährung von Ratenzahlungen bedeutet eine Abänderung des bestehenden Schuldverhältnisses (§ 1379 ABGB.). Sie setzt also einen Vertrag zwischen dem Darlehensgeber und dem Darlehensschuldner voraus. Da durch ratenweise Abstattung einer Schuld die Interessen des Gläubigers unter Umständen gefährdet werden können, bedarf auch ein Ratenvergleich über eine größere Geldsumme der vormundschaftsbehördlichen Genehmigung (§ 233 ABGB.).
Im gegebenen Fall hätte es somit zunächst einer Vereinbarung zwischen dem Vormund und Ing. Edwin L. über die Höhe der Raten und die sonstigen Rückzahlungsmodalitäten bedurft. An einer solchen Abmachung fehlt es jedoch. Ing. Edwin L. hat Ratenzahlungen in Höhe von monatlich 150 S beantragt. Dagegen hat sich der Vormund mit der Erklärung ausgesprochen, er sei nur mit der Rückzahlung des Darlehens in einem bis eineinhalb Jahren einverstanden. Das Erstgericht hat seine Aufgabe verkannt, da es mit seinem Beschluß die schuldrechtlichen Beziehungen zwischen dem Minderjährigen und Ing. Edwin L. selbst neu zu regeln suchte. Das Pflegschaftsgericht ist bei Verträgen Pflegebefohlener nicht Partei, es schließt das Rechtsgeschäft nicht namens des Pflegebefohlenen. Seine Aufgabe ist es, zu entscheiden, ob das beantragte oder abgeschlossene Rechtsgeschäft pflegschaftsbehördlich zu genehmigen ist (AmtlSlg. 1904). Das Erstgericht hätte daher seine Entscheidung darauf beschränken sollen, ob einem konkreten Antrag des Vormundes zum Abschluß eines Ratenvergleiches oder einem zwischen dem Vormund und Ing. Edwin L. allenfalls schon abgeschlossenen Ratenvergleich die vormundschaftsbehördliche Genehmigung zu erteilen oder zu versagen ist. Durch die gegen den Willen der Vertragsparteien dekretierte Regelung ihrer künftigen schuldrechtlichen Beziehungen hat das Erstgericht seine ihm durch § 233 ABGB. und § 187 AußStrG. eingeräumten Befugnisse überschritten. Sein Beschluß mußte daher aus Anlaß des zulässigen Revisionsrekurses des Vormundes als nichtig aufgehoben werden, ohne daß auf die Rekursausführungen selbst einzugehen war. Aus den gleichen Erwägungen mußte auch die rekursgerichtliche Entscheidung, die sich in eine sachliche Prüfung des nichtigen erstrichterlichen Beschlusses eingelassen hat, der Aufhebung verfallen. Dem pflichtgemäßen Ermessen des Erstgerichtes bleibt es anheimgestellt, die Grundlagen für eine allfällige Entscheidung nach § 233 ABGB. herbeizuführen oder die ihm sonst zur Wahrung der Interessen des Minderjährigen erforderlich scheinenden Verfügungen zu treffen.
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