OGH 2Ob491/55

OGH2Ob491/5531.8.1955

SZ 28/189

Normen

ABGB §92
ABGB §93
ABGB §92
ABGB §93

 

Spruch:

Keine Folgepflicht der Ehegattin bei berechtigter Weigerung. (Entgegengesetzt SZ. XXI 126.)

Entscheidung vom 31. August 1955, 2 Ob 491/55.

I. Instanz: Bezirksgericht Gloggnitz; II. Instanz: Kreisgericht Wiener Neustadt.

Text

Die Parteien haben am 1. Oktober 1938 miteinander die Ehe geschlossen. Diese Ehe besteht fort, nachdem die vom Ehemann am 24. Februar 1949 erhobene, auf § 49 EheG., hilfsweise auf § 55 EheG. gegrundete Scheidungsklage in erster und zweiter Instanz (Entscheidung des Berufungsgerichtes vom 16. November 1951), rechtskräftig abgewiesen worden war. Der Ehemann wohnt in Kärnten, die Gattin hält sich in G. auf.

Auf den am 4. Mai 1955 gestellten Antrag des Mannes hat das Erstgericht der Gattin aufgetragen, die eheliche Gemeinschaft mit dem Antragsteller binnen 14 Tagen wieder aufzunehmen. Es bedürfe keiner Prüfung der Gründe, aus denen sich die Antragsgegnerin weigere, zu ihrem Gatten zu ziehen. Schon auf Grund der Tatsache, daß die Ehe aufrecht bestehe und die Ehegatten getrennt leben, sei dem Antrage stattzugeben; solange nämlich ein abgesonderter Wohnort einem Ehegatten nicht bewilligt worden sei, seien die Ehegatten an die Vorschrift des § 93 ABGB. gebunden. Die Antragsgegnerin habe ja auch ohne gerichtliche Scheidung die Möglichkeit, die eheliche Gemeinschaft nach § 382 Z. 8 EO. aufzulösen.

Dem Rekurse der Ehefrau hat das Rekursgericht Folge gegeben und in Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses das Begehren des Mannes, seiner Gattin aufzutragen, ihm in seinen Wohnsitz in W. zu folgen und die eheliche Gemeinschaft mit ihm dort wieder aufzunehmen, abgewiesen. Das Rekursgericht hat ausgeführt, daß gegenüber dem vorliegenden Antrage die Weigerungsgrunde der Antragsgegnerin zu prüfen seien. Schon nach dem Vorbringen des Ehemannes in Verbindung mit dem Ergebnis des eingangs bezogenen Scheidungsprozesses ergebe sich aber die Rechtfertigung der Weigerungsgrunde der Ehefrau (Lebensgemeinschaft des Mannes mit Johanna T., woraus die uneheliche Tochter der Genannten, die am 19. Februar 1948 geborene Josefine T., entsprossen ist; Vaterschaft zu diesem Kinde vom Antragsteller am 10. März 1948 anerkannt; der Antragsteller habe es übrigens abgelehnt, die sexuelle Ehegemeinschaft mit seiner Gattin aufzunehmen). Im übrigen hat das Rekursgericht ausgeführt, daß § 93 ABGB. durch die Einführung des Ehegesetzes vom 6. Juli 1938 aufgehoben worden sei. Der vom. Erstgerichte erlassene Auftrag sei absolut zwecklos. Somit fehle jegliches rechtliche Interesse an einer derartigen Antragstellung.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Antragstellers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Revisionsrekurs ist nicht begrundet.

Richtig ist zwar, daß die Ehegatten zur Hausgemeinschaft verpflichtet sind und den Aufenthaltsort und die Wohnung der Ehemann bestimmt (§ 92 ABGB.). Der Standpunkt des Rekursgerichtes, daß die Folgepflicht der Frau entfalle, wenn ihr das Zusammenleben aus triftigen Gründen nicht zugemutet werden könne, entspricht aber der herrschenden Lehre (vgl. Ehrenzweig 2. Aufl. II/2 S. 135; Wentzel in Klang 2. Aufl. I 388) und der überwiegenden Rechtsprechung (vgl. Ehrenzweig a. a. O. S. 135 Anm. 32; Manzsche große Ausgabe des ABGB., 25. Aufl. S. 40, Anm. 4 zu § 93 ABGB., sowie die auch in diesem Zusammenhange bedeutsamen Gründe der Entscheidungen SZ. XXIII 137 und SZ. XXIV 308). Entgegen der Ansicht des Revisionsrekurswerbers war also in diesem Verfahren auf die Weigerungsgrunde der Ehefrau Bedacht zu nehmen. Das Rekursgericht hat auch zutreffend dargelegt, daß und warum der Ehefrau das Zusammenleben mit ihrem Gatten unter den derzeitigen Verhältnissen nicht zugemutet werden könne. Die breiten Ausführungen des Revisionsrekurswerbers in dieser Beziehung lassen gerade den entscheidenden Punkt, nämlich seine fortdauernden Beziehungen zu Johanna T. und die Bedingungen, unter denen sich seine Ehefrau zur Wiederaufnahme der Wohngemeinschaft mit ihm entschließen soll, unberücksichtigt. Es kann auch keine Rede davon sein, daß ein Widerspruch zwischen dem Standpunkte der Ehefrau im Scheidungsverfahren und ihrer jetzigen Stellungnahme zum vorliegenden Antrage gegeben sei. Denn die Ehewilligkeit der Antragsgegnerin kann auch im vorliegenden Verfahren nicht deshalb mit Erfolg bestritten werden, weil sie dem Antrage ihres Mannes widersprochen hat; sie hat doch ihre Weigerung mit dem Hinweis auf die entwürdigenden Bedingungen, unter denen sie die Gemeinschaft mit dem Ehemann nach dessen Absicht aufnehmen soll, begrundet, wie dies das Rekursgericht zutreffend im einzelnen dargelegt hat.

Bereits aus diesen Erwägungen war dem Revisionsrekurse der Erfolg zu versagen, auch wenn der Ansicht des Rekursgerichtes hinsichtlich des Außerkrafttretens des § 93 ABGB. (vgl. die Anmerkung Kapfers in der von ihm besorgten großen Manzschen ausgabe des ABGB., 25. Aufl. S. 40 zu § 93 ABGB., Abs. 3) und des mangelnden rechtlichen Interesses an einer derartigen Antragstellung nicht beizupflichten wäre.

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