Normen
Patentgesetz 1950 §8
Patentgesetz 1950 §9
Patentgesetz 1950 §8
Patentgesetz 1950 §9
Spruch:
Zur Begründung eines Vorbenützungsrechtes im Sinne des § 9 Abs. 1 PatG. ist erforderlich, daß im Zeitpunkte der Anmeldung von Seiten des Vorbenützers solche Vorkehrungen getroffen werden, die die Ernstlichkeit des Willens erkennen lassen, die Erfindung alsbald zu benützen.
Entscheidung vom 25. Mai 1955, 3 Ob 103/55.
I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
Das Erstgericht hat das Klagebegehren, die Beklagten seien schuldig, dem Kläger gegenüber 1.) das klägerische Patent Nr. 168.914 (Doppelklappbett mit Priorität vom 5. April 1950) anzuerkennen, 2.) Eingriffe in dieses Patent durch gewerbsmäßige Herstellung und Inverkehrsetzung von Doppelklappbetten der den klägerischen Patentansprüchen entsprechenden Art zu unterlassen, 3.) über die in Verkehr gesetzten derartigen Doppelklappbetten Abrechnung zu legen, abgewiesen. Es nahm folgenden Sachverhalt als erwiesen an:
Das klägerische Patent wurde am 5. April 1950 zur Anmeldung gebracht und ist somit von diesem Zeitpunkte an wirksam. Für die von den Beklagten erzeugten Klappbetten bestanden zwei Modelle. Nach dem Modell 1 wurden die Klappbetten in den Jahren 1949 und 1950 erzeugt, nach dem Modell 2, in dem unbestrittenermaßen das klägerische Patent verkörpert ist, erzeugten die beklagten Parteien Klappbetten seit dem 29. Jänner 1951 und sind mit diesen Betten am 9. März 1951 zur Serienerzeugung übergegangen. Die Konstruktionszeichnung für das Modell 2 wurde von dem Firmengesellschafter der erstbeklagten Partei, dem Viertbeklagten, in den ersten Tagen der Frühjahrsmesse 1950 (12. März bis 19. März 1950) entworfen, diese Zeichnung am 14. März 1950 fertiggestellt und vom Viertbeklagten an diesem Tage unterfertigt. Über Auftrag des Viertbeklagten und mit dessen Mitwirkung wurde am ersten Samstag nach Schluß der Frühjahrsmesse 1950 vom Werkmeister Josef P. das Muster eines Klappbettes nach der Konstruktionszeichnung für das Modell 2 hergestellt. Das Modell 2 wurde noch an diesem Samstag nach der Frühjahrsmesse im geheimen von Werkmeister P. und dem Viertbeklagten hergestellt und ausprobiert. Nachdem diese Probe zur Zufriedenheit des Erfinders, also des Viertbeklagten, ausgefallen war, wurde das Muster aus Geheimhaltungsgrunden wieder zerlegt. Mit der Erzeugung der Klappbetten nach Modell 2 wurde von den Beklagten nicht sofort begonnen, weil einerseits das Modell 1 noch sehr guten Absatz fand, andererseits mit der Erzeugung eines neuen Fabrikates Kosten verbunden gewesen wären, für deren Aufwendung nach Ansicht der Beklagten wirtschaftlich noch keine Notwendigkeit bestand. An weiteren Gründen für die nicht sofortige Aufnahme der Erzeugung von Klappbetten nach dem Muster 2 erscheint nach den Angaben der Streitteile glaubhaft, daß der Konstrukteur des gegenständlichen Modells 2, der Viertbeklagte, durch Neubauten in der Fabrik sehr überbelastet war und daß es schließlich notwendig gewesen sei, für eine allfällige Konkurrenzierung sozusagen einen "Schlager" auf Lager zu haben. Die Erzeugung der Klappbetten nach Modell 2 wurde am 29. Jänner 1951 aufgenommen, damals ein Ausfallsmuster hergestellt, dieses Muster auf der Frühjahrsmesse 1951 ausgestellt und sodann am 9. März 1951 mit der Serienerzeugung begonnen. Irgend ein Anhaltspunkt dafür, daß die Erzeugung der Klappbetten nach Modell 2 nach der Herstellung der Konstruktionszeichnung und des Modells im März 1950 aufgegeben worden sei, konnte im Beweisverfahren nicht festgestellt werden.
Das Erstgericht hat in diesem festgestellten Sachverhalt ein Vorbenützungsrecht im Sinne des § 9 Abs. 1 PatG. erblickt, weil der Erfindungsgedanke des klägerischen Patentes in der Konstruktionszeichnung und in dem Modell der Beklagten schon vor der Patentanmeldung durch den Kläger unbestrittenermaßen seine volle Verwirklichung gefunden hat. Der Umstand, daß die Beklagten mit der Erzeugung der Klappbetten nicht sofort begonnen haben. Ist nach der Ansicht des Erstgerichtes rechtlich ohne Bedeutung, weil sich die Aufnahme der Erzeugung nur aus wirtschaftlichen Gründen verzögert hat. Auf Grund der Feststellung, daß die Klappbetten nach dem Mitte März 1950 erstmals hergestellten Modell 2. das den gegenständlichen Patentanspruch bereits verkörpert, nur deshalb nicht in Fabrikation genommen wurden, weil die Beklagten noch nach dem Modell 1 Betten erzeugten, durch Neubauten in der Fabrik stark beschäftigt waren und daher erst im Jänner 1951 die Erzeugung des Modells 2 aufnahmen, sei unter den gegebenen Umständen an dem ernstlichen Willen der Beklagten, die Erzeugung und den Verkauf betriebsmäßig vorzunehmen, nicht zu zweifeln, zumal die Beklagten tatsächlich 108 Betten nach dem Modell 2 hergestellt und verkauft haben. Es könne daher von einer Unterbrechung der Vorbenützung, die als Verzicht auf die Erfindung anzusehen wäre, nicht gesprochen werden. Im Hinblick auf dieses festgestellte Vorbenützungsrecht der beklagten Parteien im Zeitpunkte der Anmeldung des Patentes könne im Sinne des § 9 PatG. die Wirkung des klägerischen Patentes gegen die Beklagten nicht eintreten und sei demnach die Klagsabweisung die notwendige Folge.
Der dagegen seitens des Klägers erhobenen Berufung wurde Folge gegeben und das Urteil des Erstgerichtes vom Berufungsgericht im Sinne der Klagsstattgebung abgeändert. Selbst bei Unterstellung der Richtigkeit der nur vom Kläger bekämpften vorerwähnten Feststellungen des Erstgerichtes sowie des eigenen Vorbringens der beklagten Parteien sei ein Vorbenützungsrecht der Beklagten nicht anzunehmen und der Klage demnach schon aus rechtlichen Gründen stattzugeben. Nach § 9 Abs. 1 PatG. trete die Wirkung des Patentes gegen denjenigen nicht ein, der bereits zur Zeit der Anmeldung im guten Glauben die Erfindung im Inland in Benützung genommen oder die zu solcher Benützung erforderlichen Veranstaltungen getroffen hat. Von diesen zwei Tatbeständen könne nach dem Vorbringen der beklagten Parteien nur der zweite in Frage kommen, um den Beklagten ein die Wirkung des klägerischen Patentes aufhebendes Vorbenützungsrecht zu sichern. Nach dem Vorbringen der Beklagten hätten diese vor dem 5. April 1950 lediglich ein Konstruktionsmuster entworfen und das Modell eines Doppelklappbettes hergestellt, das in der Folge wieder zerlegt wurde. In der Herstellung einer Konstruktionszeichnung und in der Herstellung eines Musters könne jedenfalls noch nicht die Benützung der klägerischen Erfindung erblickt werden. In dem von den Beklagten behaupteten und vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt sei aber auch nicht der zweite Tatbestand gelegen, aus dem im Sinne des § 9 Abs. 1 PatG. ein Vorbenützungsrecht abgeleitet werden könnte. Dieser zweite Tatbestand erfordere, daß die Beklagten die zur Benützung der Erfindung erforderlichen Veranstaltungen schon am 5. April 1950 getroffen hätten. Nach dem Vorbringen der Beklagten hätten diese bis zu dem angegebenen Zeitpunkt jedoch bloß eine Konstruktionszeichnung entworfen und ein Modell hergestellt, dasselbe aber in der Folge wieder zerlegt, weil das Modell 1 noch guten Absatz fand und sie die Kosten, die mit dem neuen Fabrikat verbunden gewesen wären, vorläufig noch nicht aufbringen wollten. Ihre Absicht hätte nur darin bestanden, das Modell 2 für eine allfällige Konkurrenzierung als "Schlager" auf Lager zu halten. Die Beklagten hätten daher vom Erfindungsgedanken zunächst bewußt keinen Gebrauch gemacht. Sie hätten die vom Viertbeklagten gemachte Erfindung weder zum Patent angemeldet noch dieselbe wirtschaftlich auszuwerten versucht. Da § 9 Abs. 1 PatG. von "Veranstaltungen zur Benützung der Erfindung" spreche, müsse angenommen werden, daß das Gesetz nur demjenigen ein Benützungsrecht einräumen wolle, der unmittelbar nach dem Finden des die Erfindung beinhaltenden technischen Gedankens oder zumindest im Zeitpunkte der Patentanmeldung des Zweiterfinders (Klägers) Anstalten treffe, die tatsächliche Benützung der Erfindung ins Werk zu setzen. Der bloße Besitz der Erfindung begrunde kein Vorbenützungsrecht; vielmehr sei zu dessen Tatbestand außer dem Besitz auch noch die Benützung der Erfindung oder zumindest erforderlich, daß der Besitzer einer Erfindung solche objektiv geeignete Vorbereitungen treffe, aus denen auch in subjektiver Richtung sein ernstlicher Wille erkennbar sei, die Erfindung in naher Zukunft benützen zu wollen. Die Beklagten hätten aber im vorliegenden Fall nach ihrem eigenen Vorbringen gerade das Gegenteil getan. Sie hätten das Ausfallsmuster, das sie nach ihrer Behauptung am ersten Samstag nach der Frühjahrsmesse 1950 herstellten, wieder zerlegt, weil sie einerseits die Ausgaben scheuten, die mit der Herausbringung des Modells 2 verbunden waren, und weil sie andererseits dieses neue Modell für den Fall späterer Konkurrenzierung bereithalten wollten. Die Beklagten hätten es daher aus wirtschaftlichen Gründen abgelehnt, die vom Viertbeklagten gemachte Erfindung unverzüglich in die Tat umzusetzen, vielmehr die Benützung des der Erfindung zugrunde liegenden Gedankens auf unbestimmte Zeit hinausgeschoben, diesen somit sozusagen auf Vorrat gelegt. Der Umstand, daß der Viertbeklagte durch Neubauten in der Fabrik sehr überlastet gewesen sein möge, sei ohne rechtliche Bedeutung, weil er immerhin Zeit gefunden habe, eine Modellzeichnung und ein Muster anzufertigen, und die laufende Herstellung des Modells 2 nach dem guten Ausfall des Musters kaum mehr Beaufsichtigung erfordert hätte als die Herstellung des Musters 1. Unter diesen Umständen könne nicht gesagt werden, daß die Beklagten schon am 5. April 1950 Veranstaltungen getroffen hatten, die gegenständliche Erfindung im Sinne des § 9 PatG. zu benützen. Es komme ihnen daher ein Vorbenützungsrecht im Sinne des § 9 Abs. 1 PatG. nicht zu. Der Klage sei demnach stattzugeben, ohne daß die Notwendigkeit bestehe, auf die Berufungsgrunde der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen Beweiswürdigung einzugehen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Mit Recht erblickt das Berufungsgericht selbst bei Unterstellung der Richtigkeit der vom Kläger bekämpften Feststellungen des Erstgerichtes sowie des eigenen Vorbringens der beklagten Parteien in diesem Tatbestand nicht solche "Veranstaltungen" im Sinne des § 9 PatG., die geeignet wären, ein Vorbenützungsrecht der Beklagten zu begrunden. Der Oberste Gerichtshof schließt sich dem in den Entscheidungen des Patentgerichtshofes vom 9. März 1935, PatBl. 1935 S. 95, und vom 15. Dezember 1938, PatBl. 1939 S. 10, vertretenen Rechtsstandpunkt an, daß zur Begründung eines Vorbenützungsrechtes im Sinne des § 9 PatG. im Zeitpunkte der Anmeldung von Seiten des Vorbenützers entweder Handlungen, die als Benützung im Sinne des § 8 anzusehen sind, gefordert werden oder dieser zumindest solche Vorbereitungen getroffen haben muß, aus denen sich einerseits in objektiver Beziehung ihre Bestimmung, die Erfindung benützen zu wollen, und andererseits in subjektiver Richtung der ernstliche Wille zu solcher Benützung erkennbar entnehmen läßt, so daß zur Begründung eines Vorbenützungsrechtes nach § 9 Abs. 1 zweiter Halbsatz PatG. erforderlich sei, daß in ununterbrochenem Zusammenhang mit den Vorbereitungshandlungen unverzüglich zur tatsächlichen Benützung der Erfindung geschritten worden ist. Damit stehen die in der Revision zitierten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes vom 17. November 1913, PatBl. 1914 S. 89, und vom 8. Februar 1933, PatBl. 1933 S. 93, keineswegs im Widerspruch, da diese Entscheidungen nichts anderes besagen, als daß zur Zeit der Anmeldung als Gegenstand der Erfindung bereits ein fertiges Erzeugnis vorgelegen sein muß, damit von einer Inbenützungnahme der Erfindung im Sinne des § 9 PatG. gesprochen werden kann. Im gegenständlichen Fall stehen jedoch nicht die Voraussetzungen des ersten, sondern jene des zweiten Halbsatzes des § 9 Abs. 1 PatG. zur Erörterung, also nicht der Fall der Inbenützungnahme, sondern der "zu solcher Benützung erforderlichen Veranstaltungen". Nach Absicht des Gesetzgebers soll nämlich nicht nur der, der die Erfindung bereits in Benützung übernommen hat, sondern auch der in seinem Ausführungsbesitz geschützt werden, der die Benützung zwar noch nicht begonnen, hingegen aber bereits im Zeitpunkt der Anmeldung zur Benützung erforderliche Veranstaltungen getroffen hat. Der Schutz des Erfinders gegenüber dem Anmelder tritt also nicht erst dann ein, wenn die Herstellung des Gegenstandes der Erfindung bereits in Gang gekommen ist, sondern es wird auch der geschützt, der mitten in den Vorbereitungen steht, um die Benützung des Gegenstandes der Erfindung zu verwirklichen. Daraus ergibt sich aber, daß für die Annahme des Vorhandenseins "zu solcher Benützung erforderlicher Veranstaltungen" lediglich augenfällige Vorkehrungen hinreichen, die ein Erfinder bereits zur Zeit der Anmeldung getroffen hat, um eine Verwertung seines Erfindungsgedankens zu ermöglichen. Es können daher unter den zur Benützung der Erfindung erforderlichen Veranstaltungen nur solche verstanden werden, in denen der ernstliche Wille, die Erfindung alsbald zu benützen, durch Handlungen, die objektiv zum Zwecke der Benützung geeignet sind, betätigt worden ist. Für die Voraussetzung nach § 9 Abs. 1 zweiter Halbsatz PatG. ist daher neben der objektiven Eignung der Veranstaltungen, zur Benützung der Erfindung bestimmt zu sein, entscheidend, ob die Vorkehrungen, und zwar ebenfalls im Zeitpunkte der Anmeldung, bereits die Ernstlichkeit des Willens erkennen lassen, die Erfindung alsbald zu benützen. Es genügen daher nicht bloße Vorbereitungshandlungen für eine vielleicht erst viel später in Aussicht genommene Inbenützungnahme, bezüglich der ein fester Entschluß zur Zeit der Anmeldung überhaupt noch nicht gefaßt wurde. Anfertigungen von Mustern werden daher den ernstlichen Willen zur Benützung der Erfindung nur dann kundtun, wenn hierin die Aufwendung nicht unerheblicher geistiger Arbeit und Kosten steckt, die alsbald in die Tat umgesetzt werden, d. h. den Gegenstand der Erfindung zur Verwirklichung bringen. Wird aber davon ausgegangen, daß bei Unterstellung der Richtigkeit der von den Beklagten nicht bekämpften Feststellungen des Erstgerichtes nach Fertigstellung und Erprobung des nach der Konstruktionszeichnung des Viertbeklagten hergestellten Musterklappbettes Modell 2 im März 1950 dieses aus Geheimhaltungsgrunden wieder zerlegt wurde, weil einerseits das Modell 1 noch sehr guten Absatz fand, andererseits mit der Erzeugung eines neuen Fabrikates Kosten verbunden gewesen wären, für deren Aufwendung wirtschaftlich noch keine Notwendigkeit bestand, schließlich es erforderlich war, für eine allfällige Konkurrenzierung einen "Schlager" auf Lager zu halten, so sind in diesem Tatbestand zwar Vorbereitungshandlungen der Beklagten gelegen, ohne daß jedoch bis zum maßgebenden Zeitpunkt der Anmeldung (5. April 1950) der Wille erkennbar vorhanden gewesen wäre, die Erfindung alsbald in Benützung zu nehmen, zumal sich Anhaltspunkte für eine feste Entschlußfassung in dieser Richtung nach dem festgestellten Sachverhalt in keiner Weise ergeben. Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes ist demnach einwandfrei.
Der Revision war sohin der Erfolg zu versagen.
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