OGH 7Ob58/55

OGH7Ob58/559.2.1955

SZ 28/40

Normen

KO §1
KO §2 Abs1
KO §5
KO §1
KO §2 Abs1
KO §5

 

Spruch:

Als unentbehrliche Wohnräume des Gemeinschuldners kommen nur solche in Betracht, die im Zeitpunkte der Eröffnung des Konkurses vom Gemeinschuldner bewohnt wurden. Räume, die erst im Zuge des Konkursverfahren von einem Pächter oder Untermieter geräumt werden und daher erst nach Konkurseröffnung für den Gemeinschuldner bewohnbar werden, können von dem Gemeinschuldner nicht als unentbehrlich in Anspruch genommen werden.

Entscheidung vom 9. Februar 1955, 7 Ob 58/55.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Am 28. November 1937 vermietete die Eigentümerin des Hauses Wien I., S.-Gasse 15, dem Gastwirt Johann R. Parterre- und Souterrainräume zum Betriebe eines Gast- und Kaffeehauses. Im Punkt 8 des Vertrages wird ausdrücklich festgelegt, daß der Mieter berechtigt ist, seinen Geschäftsbetrieb - also das Unternehmen - zu verkaufen oder zu verpachten und dem Käufer oder Pächter das Bestandobjekt zu überlassen, wozu allerdings die Zustimmung der Hausverwaltung als erforderlich vereinbart wurde. Mit einem am gleichen Tag abgeschlossenen Vertrag vermietete die Hauseigentümerin die in demselben Hause im Mezzanin gelegene Wohnung, Nr. 8 a an R. Das Mietverhältnis über die Wohnung sollte gleichzeitig mit dem über das Geschäftslokal zustandegekommenen sein Ende finden. Die Rechte aus dem Mietvertrage sollten auf die beiderseitigen Rechtsnachfolger übergehen. Die Vermieterin verpflichtete sich, auf Verlangen des Mieters dem Übernehmer des Geschäftslokales auch die Wohnung zu den gleichen Bedingungen, zu denen sie der Mieter innehatte, zu überlassen. Für jedes der Bestandobjekte - Wohnung, Geschäftslokal - wurde abgesondert ein Bestandzins vereinbart. Am 29. September 1941 verkaufte R. das Gastwirtschaftsgeschäft an den Gemeinschuldner. In dem hierüber errichteten Kaufvertrag erklärten die Vertragsteile, daß die Wohnung zum Geschäft gehöre. Gleichzeitig erklärte die Hausverwaltung - gemäß dem Wortlaute des Vertrages, -, den Eintritt des Gemeinschuldners in die Mietrechte zur Kenntnis genommen und den Gemeinschuldner unter den gleichen Bedingungen als Mieter angenommen zu haben. Am 15. August 1950 verpachtete der Gemeinschuldner die Gastwirtschaft an Josef K., wobei in dem schriftlichen Vertrag der Eintritt des Gemeinschuldners in das Mietverhältnis ausdrücklich festgehalten wurde. Die Wohnung wurde als "Dienstwohnung" bezeichnet. In einer weiteren Vereinbarung gab der Gemeinschuldner die Wohnung Nr. 8 a mit Ausnahme eines Zimmers, das er sich zur Benützung vorbehielt, dem Pächter K. in Untermiete.

Der Gemeinschuldner hatte am 4. September 1952 ein Gastwirtschaftsgeschäft in Wien III., M.-Gasse 44, als Pächter übernommen, zu dem zwei Kabinette und ein Vorzimmer gehörten, die er mit seiner aus Gattin, einer erwachsenen Tochter und drei Kindern bestehenden Familie bis zur Räumung der Lokalitäten im Zuge des Konkursverfahrens bewohnte. Der Konkurs über das Vermögen des Gemeinschuldners wurde mit Beschluß des Erstgerichtes vom 22. März 1953, S 35/53-3, eröffnet. Das Konkursedikt wurde am 22. April 1953 an die Gerichtstafel angeschlagen.

Ein von der Gattin des Gemeinschuldners auf Ausscheidung der Wohnung Nr. 8 a gerichteter Antrag blieb erfolglos. Auch ein zweites inhaltlich gleiches Begehren des Gemeinschuldners wurde vom Erstgericht abgewiesen. Die Wohnung sei für die Ausübung des Gastgewerbes notwendig und sei daher schon vom Rechtsvorgänger des Gemeinschuldners im Einverständnis mit der Hauseigentümerin mit dem Gasthausbetrieb in dauernde Verbindung gebracht worden. Die Zinsverrechnung sei zwar getrennt für Geschäft und Wohnung vorgenommen worden, doch sei die Ursache hiefür nur in den getrennten Türnummern zu suchen. Die Hausverwaltung habe Geschäfts- und Wohnräume nur als ein Mietobjekt betrachtet. Da der Gasthausbetrieb die Hauptsache sei, teile die Wohnung als Zubehör deren Schicksal. Sie falle also ebenso wie das Unternehmen selbst in die Konkursmasse. Die Exekutionsbeschränkungen des Mietengesetzes seien daher auf die Wohnung nicht anzuwenden.

Das Rekursgericht hob diese Entscheidung mit Rechtskraftvorbehalt auf. Die Wohnung Nr. 8 a sei zeitweise an betriebsfremde Personen untervermietet gewesen. Schon daraus ergebe sich, daß das für die Entstehung der Zubehöreigenschaft der Mietrechte erforderliche Merkmal der dauernden Widmung für die Bewirtschaftung der Hauptsache fehle. Die dem Gemeinschuldner überlassene Wohnung Nr. 18, die nur aus einem Zimmer und einer Küche bestehe, reiche für eine fünfköpfige Familie nicht aus, so daß der Gemeinschuldner Anspruch auf die Wohnung Nr. 8 a habe, deren Hauptmieter er noch immer sei. Da aus dem Akt nicht hervorgehe, ob der Gemeinschuldner nur auf ein Zimmer der zuletzt angeführten Wohnung oder auf die ganze Wohnung verzichtet habe, müsse die erstgerichtliche Entscheidung, die, von einer unrichtigen Rechtsansicht ausgehend, sich mit dieser Frage überhaupt nicht befaßt habe, aufgehoben und dem Erstgericht eine Ergänzung des Verfahrens sowie eine neuerliche Entscheidung aufgetragen werden.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Masseverwalters Folge und trug dem Rekursgericht eine neue Entscheidung auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Auszugehen ist davon, daß auch mietengeschützte Bestandrechte zu dem der Exekution unterworfenen Vermögen des Gemeinschuldners gehören und daher in die Konkursmasse fallen (Bartsch - Pollak, Kommentar zur Konkursordnung, 3. Aufl. bei § 1 KO. Anm. 18; Swoboda, Mietengesetz, 2. Aufl. S. 320; Bericht des Wohnungsausschusses über die Vorlage der Bundesregierung betreffend eine Abänderung des Mietengesetzes, Nr. 325 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, III. Gesetzgebungsperiode, S. 18/19). Nur insoweit sind die Mietrechte kein Bestandteil der Masse, als es sich um für den Gemeinschuldner als Mieter und für die mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Familienangehörigen unentbehrliche Wohnräume handelt (§ 42 Abs. 4 MietG.). Als unentbehrliche Wohnräume kommen aber nur solche in Betracht, die im Zeitpunkte der Eröffnung des Konkurses (§ 2 Abs. 1 KO.) vom Gemeinschuldner bewohnt wurden. Räume, die erst im Zuge des Konkursverfahrens von einem Pächter oder Untermieter geräumt werden und daher erst nach Konkurseröffnung für den Gemeinschuldner bewohnbar werden, können von dem Gemeinschuldner nicht als unentbehrlich in Anspruch genommen werden. Die Frage ob Wohnräume der Exekution entzogen sind und daher nicht in die Konkursmasse fallen, ist nach dem Zeitpunkte der Konkurseröffnung zu beurteilen (Bartsch - Pollak, 3. Aufl. 1. Band S. 19). Daß die Wohnräume im Zeitpunkt der Konkurseröffnung mit Ausnahme eines Zimmers vom Pächter K. benützt wurden, gibt der Gemeinschuldner selbst zu.

Ein Verzicht des Gemeinschuldners auf die unentbehrlichen Wohnräume wäre allerdings nicht rechtswirksam. Denn die Betimmung dem § 42 Abs. 4 MietG. trägt ebenso wie die Vorschriften der §§ 250, 251 EO. öffentlich-rechtlichen Charakter und ist daher einer Beeinflussung durch den Parteiwillen entzogen (s. Neumann - Lichtblau, Kommentar zu EO., 3. Aufl. S. 780). Das eine Zimmer, das sich der Gemeinschuldner zur Benützung vorbehalten hat, hat er, wie er selbst zugibt, gegen die Wohnung Nr. 18 getauscht. Es liegt daher ein Verzicht auf einen unentbehrlichen Wohnraum nicht vor. Wurden doch an Stelle des einen Zimmers zwei andere Wohnräume zur Verfügung gestellt. Damit erübrigt sich, darauf einzugehen, ob der Gemeinschuldner oder einer seiner Familienangehörigen dieses Zimmer der Wohnung Nr. 8 a überhaupt im Zeitpunkte der Konkurseröffnung benützt haben. Hat der Gemeinschuldner die übrigen Teile der Wohnung zur Zeit der Konkurseröffnung nicht selbst mit seiner Familie benützt, so wäre der Antrag des Verpflichteten auf Ausscheidung der Wohnung Nr. 8 a als konkursfreien Vermögens aus der Konkursmasse unbegrundet.

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