OGH 3Ob715/54

OGH3Ob715/5429.12.1954

SZ 27/334

Normen

ABGB §918
ABGB §1323
ABGB §1333
HGB §378
Vierte Einführungsverordnung zum Handelsgesetzbuch Art8 Nr. 2
ABGB §918
ABGB §1323
ABGB §1333
HGB §378
Vierte Einführungsverordnung zum Handelsgesetzbuch Art8 Nr. 2

 

Spruch:

§ 378 Halbsatz 2 HGB. nur anwendbar, wenn Beanstandung der Falschlieferung unterbleibt; im Falle der Beanstandung Rücktritt nach § 918 ABGB. zulässig.

Nach Handelsrecht kann über die gesetzlichen Verzugszinsen hinausgehender Schadenersatz verlangt werden, wenn Beklagter nicht Schuldlosigkeit nachweist.

Entscheidung vom 29. Dezember 1954, 3 Ob 715/54.

I. Instanz: Landesgericht als Handelsgericht Linz; II. Instanz:

Oberlandesgericht Linz.

Text

Die klagende Partei hat am 14. Juni 1951 bei A., dem Innsbrucker Generalvertreter der Beklagten, fünf Faß Sonnenblumenöl a 180 kg zum Preis von 29.50 S pro Kilogramm bestellt und die bestellte Ware im voraus bezahlt. Am 22. Juni 1951 beanstandete die Klägerin gegenüber A., daß die an diesem Tag eingelangte Faktura auf Tafelöl, anstatt der Bestellung entsprechend auf Sonnenblumenöl, laute, worauf A. versicherte, daß selbstverständlich Sonnenblumenöl geliefert werden würde. Als kurz darauf die Ware einlangte und festgestellt wurde, daß deren Geschmack nicht einwandfrei ist, wurde neuerdings gegenüber A. Beanstandung erhoben und alle fünf Fässer Öl zur Verfügung gestellt.

Der Kläger hat, da Beklagter nichts von sich hören ließ und da das Öl dringend benötigt wurde und A. ihr in diesem Sinne zusprach, drei Fässer Öl verkauft, die zwei restlichen Fässer aber, da sie einen Dieselölgeschmack aufwiesen, von der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung untersuchen lassen, die das Öl gemäß § 11 Lebensmittelgesetz als für den menschlichen Genuß ungeeignet beschlagnahmte. Hievon wurde A. neuerdings verständigt und um die Veranlassung der Rückvergütung des Gegenwertes der zwei Fässer Öl ersucht. Die Beklagte bot mit Schreiben vom 16. Dezember 1952 den Umtausch des Öls in I a Tafelöl gegen Ersatz der Raffinierungskosten an, was aber von der Klägerin abgelehnt wurde. Am 27. April 1953 hat die Beklagte die beiden streitgegenständlichen Fässer abgeholt, am 26. Oktober 1953 noch neuerlich den Umtausch gegen einwandfreies Öl, diesmal ohne Erwähnung der Raffinierungskosten, angeboten und schließlich auch noch vor der Klagseinbringung Sojaöl geliefert, dessen Annahme mangels Bestellung von der Klägerin abgelehnt wurde. Das Erstgericht verurteilte die Beklagte zur Zahlung des eingeschränkten Betrages von 10.434.- S samt 11% Zinsen. Das gelieferte Öl sei bereits im Zeitpunkt der Lieferung nicht einwandfrei gewesen und habe, wie eine Untersuchung am 3. Juni 1953 ergab, eine Leinölbeimischung enthalten. Die Beklagte habe also statt des bestellten, qualitativ hochwertigen Sonnenblumenöls etwas anderes, ein aliud, geliefert. Mit einer Genehmigung hätte die Klägerin nicht rechnen können und sei deshalb eine Bemängelung gemäß § 378 HGB. gar nicht notwendig gewesen. Die Klägerin habe aber dessenungeachtet zeitgerecht die Mängelrüge zu Handen des Generalvertreters A. (§ 4 Abs. 4 Handelsagentengesetz) erhoben. Richtig sei, daß Klägerin keine Nachfrist gesetzt habe, doch sei eine solche Nachfristsetzung entbehrlich gewesen, weil die beklagte Partei durch ihr Verhalten zu erkennen gegeben habe, daß sie gar nicht daran denke, der Bestellung entsprechendes Öl zu liefern (EvBl. Nr. 194/1950, Nr. 314/1946). Demgegenüber habe die Klägerin sofort beim Öffnen des ersten Fasses dem Vertreter A.s alle Fässer zur Verfügung gestellt und dadurch ihren Rücktritt vom Vertrag erklärt. Auf Zureden A.s sei sie bezüglich dreier Fässer von diesem Rücktritt abgestanden, rücksichtlich der beiden klagsgegenständlichen aber habe sie nach deren Öffnung ihren Rücktritt neuerlich erklärt und im Schreiben vom 31. Oktober 1951 wiederholt. Der Anspruch auf Rückersatz des für diese beiden Fässer im voraus bezahlten Kaufpreises bestehe daher im Gründe des § 921 ABGB. zu Recht.

Das Berufungsgericht bestätigt.

Die Revision des Beklagten blieb ohne Erfolg.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Das früher geltende Handelsrecht kannte eine dem § 378 HGB. entsprechende Vorschrift nicht. Es beschränkte die Mängelrüge bei beiderseitigen Handelskäufen auf die Fälle, in denen Qualitätsmängel der Kaufsache in Frage standen. Nun ist manchmal, insbesondere bei Gattungswaren, die Grenze zwischen Qualitätsmängeln und solchen Abweichungen in der Beschaffenheit, welche die gelieferte Ware als eine von der bestellten gänzlich verschiedene erscheinen lassen, schwer zu ziehen. Es ergab sich damals der mißliche Zustand, daß man nie genau wissen konnte, ob in den geschilderten Fällen der schwierigen Abgrenzung eine Mängelrüge erforderlich war oder nicht. Diesem Zustand sollte mit der Einführung des § 378 HGB. ein Ende bereitet werden.

Nicht nur bei Qualitätsmängeln, sondern auch bei quantitativen Abweichungen von der Bestellung und bei Lieferung einer anderen als der bedungenen Ware sollen, sofern ein beiderseitiges Handelsgeschäft in Frage steht, die Vorschriften des § 377 HGB. gelten. Es muß also auch in diesen Fällen der Kläger die Ware in den vorgeschriebenen Fristen untersuchen und die festgestellten Abweichungen unverzüglich rügen, soll nicht die erbrachte Lieferung als genehmigt gelten. Das ist der Sinn der Bestimmung des § 378 1. Halbsatz HGB. Die Entscheidung der Frage, ob ein aliud oder nur ein Mangel vorliegt, ist also in allen jenen Fällen von Bedeutung, in denen nicht die Ausnahmsvorschrift des 2. Halbsatzes des § 378 HGB. zur Anwendung kommt. Trifft der im 2. Halbsatz des § 378 HGB. behandelte Ausnahmsfall zu, das heißt ergibt sich bei objektivem Vergleich zwischen der gelieferten und der bestellten Ware, daß dem Käufer das Behalten der Ware unter keinen Umständen zugemutet werden kann, dann und nur dann kommt § 377 HGB. nicht zur Anwendung.

Ein solcher Ausnahmsfall scheidet im vorliegenden Fall entgegen der Meinung der Vorinstanzen aus. Der Klägerin wurde Tafelöl an Stelle von Sonnenblumenöl geliefert. Die Abweichungen zwischen diesen beiden Ölarten sind nicht so erheblich, als daß die Beklagte die Genehmigung seitens der Klägerin als ausgeschlossen betrachten mußte, zumal wenn bedacht wird, daß Öl damals noch Mangelware war. Aus dem Umstande, daß die Klägerin drei Fässer des gelieferten Öls, obgleich es nicht ganz einwandfrei war, an ihre Kunden weiterverkaufte, ist zu schließen, daß die Klägerin auch die beiden restlichen Fässer abgenommen hätte, wenn das darin enthaltene Öl zum menschlichen Genuß geeignet gewesen wäre.

Nun kommt aber dem Umstande, ob die Klägerin im Sinne des § 378 2. Halbsatz HGB. von ihrer Rügepflicht gänzlich befreit war, keine für den Sachausgang entscheidende Bedeutung zu. Es ist festgestellt worden, daß die Klägerin Sonnenblumenöl bestellt hat und daß ihr statt des bestellten Sonnenblumenöls eine Ware, die nicht der erkauften Gattung angehört, nämlich eine andere, unter der generellen Bezeichnung "Tafelöl" gehandelte Sorte Öls, geliefert worden ist. Es kann nun kein Zweifel bestehen, daß es keinen Mangel der gelieferten Sache darstellt, wenn an Stelle des Kaufgegenstandes etwas anderes geliefert wird. In einem solchen Fall liegt vielmehr Nichterfüllung des Vertrages vor, deren rechtliche Würdigung, weil eine Gewährleistung wegen Fehlens der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen (§§ 922 ff. ABGB.) nicht in Betracht kommt, nach den allgemeinen Vorschriften (§ 918 f. ABGB.) vorzunehmen ist. Für eine Anwendung der Bestimmungen über die Mängelrüge nach § 477 HGB. bzw. §§ 922 ff. ABGB. wäre nur dann Platz, wenn die Beklagte wirklich Sonnenblumenöl geliefert hätte und sich hieran ein Mangel gezeigt hätte.

Da auch bei Lieferung eines aliud zufolge des ersten Halbsatzes des § 378 HGB. die Vorschriften des § 377 HGB. gelten, kommt es also wesentlich darauf an, ob die Klägerin die Falschlieferung als solche gerügt hat. Das ist nach den Feststellungen der Vorinstanz geschehen. Die Klägerin hat schon bei Einlangen der Faktura gegenüber dem Generalvertreter der Beklagten ausdrücklich beanstandet, daß diese auf Tafelöl anstatt der Bestellung entsprechend auf Sonnenblumenöl laute. Sie hat auch gleich nach Einlangen der Ware diese neuerdings beanstandet - wobei bei der Beanstandung allerdings der nicht einwandfreie Geschmack des Öls im Vordergrund stand - und hat alle fünf Fässer zur Verfügung gestellt. Die Klägerin hat demnach sowohl die Nämlichkeit der Ware wie auch deren Qualität gegenüber der Beklagten rechtzeitig gerügt. Auf der gleichen Linie der Beanstandung liegen übrigens auch die Schreiben der Klägerin, die sie in der Folge an die Beklagte gerichtet hat. In ihrem Schreiben vom 31. Oktober 1950, in welchem sie ihren Rücktritt vom Vertrag erklärt, weist sie ausdrücklich darauf hin, daß sie fünf Fässer Sonnenblumenöl bestellt habe und daß sie gleich nach Erhalt der Ware feststellen mußte, daß die Ware geschmacklich nicht einwandfrei sei, also kein reines Sonnenblumenöl sein könne. In dem Schreiben vom 19. Dezember 1952 teilt die Klägerin der Beklagten mit, daß sie am 14. Juni 1951 Sonnenblumenöl bestellt und am 20. Juni 1951 Tafelöl geliefert, bzw. fakturiert erhalten habe. Die Beklagte konnte sich also über den Grund der Beanstandung seitens der Klägerin, der nach dem Gesagten sowohl die Gattung wie die Beschaffenheit der zu liefernden Ware betraf, nicht den geringsten Zweifel haben.

Hat nun aber die Klägerin rechtzeitig der Beklagten auch die Falschlieferung zur Kenntnis gebracht, sie also auf jenen Umstand aufmerksam gemacht, der zur Anwendung des § 378 1. Halbsatz HGB. führt, dann hat sie sich das ihr zustehende Recht auf richtige Erfüllung des Vertrages gewahrt. Es sind daher in rechtlicher Beziehung die in den §§ 917 ff. ABGB. normierten allgemeinen Bestimmungen über die Folgen der Nichterfüllung anzuwenden. Die Klägerin konnte also entweder Erfüllung und Schadenersatz wegen der Verspätung begehren oder vom Vertrag zurücktreten. Die Klägerin hat sich für das letztere entschieden. Damit der Rücktritt der Klägerin vom Vertrag wirksam ist mußte sie nach § 918 ABGB. der beklagten Partei allerdings eine angemessene Frist zur Nachholung der richtigen Lieferung erteilen. Nach nunmehr ständiger Praxis des Obersten Gerichtshofes ist die Setzung einer Nachfrist unter Anordnung des Vertragsrücktrittes nach § 918 ABGB. nicht erforderlich. Es genügt, wenn die Nachfrist tatsächlich gewährt wurde (1 Ob 74/50, 1 Ob 403-404/50, 3 Ob 18/53, 3 Ob 333/54 u. a.). Für die Wirksamkeit der Wahlanzeige ist es also ausreichend, wenn auch keine Nachfrist gesetzt wurde, wenn der Gegenkontrahent, nachdem ihm der Rücktritt erklärt worden ist, eine angemessene Frist verstreichen läßt, ohne die Erfüllung anzubieten. Das war nun hier der Fall. Die beklagte Partei hat vor Einbringung der Klage keinen Erfüllungsversuch gemacht und auch nicht gegen den Rücktritt ohne Nachfristsetzung Stellung genommen. Sie hat der Klägerin im November 1953 an Stelle von Sonnenblumenöl zwei Fässer Sojaöl, also wiederum ein aliud, geliefert und sich erst im Zuge des Prozesses erbötig gemacht, der Klägerin, so wie vereinbart, Sonnenblumenöl zu liefern. Da die Klägerin ihren Rücktritt erstmalig bereits im Jahre 1951 erklärt hat, ist es der Beklagten verwehrt, durch ihr drei Jahre später erfolgtes Anbot der Vertragserfüllung den Rücktritt wirkungslos zu machen.

War aber der Rücktritt der Klägerin vom Vertrag berechtigt, dann muß die Beklagte ihr den im voraus bezahlten Kaufpreis zurückerstatten (§ 921 ABGB.). Die Rechtssache wurde also im Ergebnis von den Vorinstanzen richtig beurteilt. Die Rechtsrüge der Revision und die aus ihr abgeleitete Mängelrüge sind unbegrundet.

Von der Revision wird auch weiter noch der Zinsenzuspruch bekämpft und ausgeführt, daß mit Rücksicht auf die Bestimmung des § 1333 ABGB. das über 5% hinausgehende Zinsenbegehren abzuweisen gewesen wäre. Auch in diesem Punkt ist die Revision nicht begrundet. Von den Parteien ist außer Streit gestellt worden, daß die Klägerin selbst für ihr fremdes Geld 11% Zinsen bezahlt und genötigt ist, mit fremdem Geld zu arbeiten (S. 47 des Aktes). Der Anspruch der Klägerin wird also darauf gestützt, daß sie infolge Nichtzahlung der Schuld der Beklagten genötigt sei, mit einem Kredit zu arbeiten und diesen mit 11% zu verzinsen. Der Rechtsgrund des Zinsenbegehrens ist daher der des Schadenersatzes. Entgegen der Meinung der Revision war die Behauptung eines Verschuldens der Beklagten am Zahlungsverzug nicht erforderlich, um ein die gesetzlichen Verzugszinsen übersteigendes Zinsenbegehren zu stellen, da der Gläubiger einer fälligen, nicht bezahlten Geldschuld nach Handelsrecht Anspruch auf Ersatz jenes die gesetzlichen Verzugszinsen übersteigenden wirklichen Schadens und entgangenen Gewinnes hat, der aus dem Verschulden des säumigen Schuldners entstanden ist (Art. 8 Nr. 2 der 4. Einführungsverordnung zum HGB.). Die Beweispflicht, daß die Beklagte an der Erfüllung der vertragsmäßigen Verbindlichkeit ohne Verschulden verhindert worden sei, obliegt gemäß § 1298 ABGB. der Beklagten (SZ. V/53, 3 Ob 333/54, 1 Ob 548/54 u. a.). Die Beklagte hat eine derartige Behauptung nicht aufgestellt, geschweige denn einen Beweis in dieser Richtung angetreten. Daraus ergibt sich, daß sie auch über die gesetzlichen Zinsen hinaus haftet.

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