Spruch:
In der Mahnung nach § 39 Abs. 1 VersVG. müssen alle in Abs. 2 und 3 angeführten Verzugsfolgen angeführt werden.
Keine Verpflichtung des Versicherers, den Erwerber der versicherten Sache auf das eingetretene Ruhen der Versicherung aufmerksam zu machen. Der Erwerber tritt in das Versicherungsverhältnis so ein, wie es im Zeitpunkt des Erwerbes bestanden hat.
Der Eintritt der Leistungspflicht berührt weder die Vertragsdauer noch die weitere Prämienzahlungspflicht.
Entscheidung vom 17. November 1954, 3 Ob 722/54.
I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
K. & Z. schlossen mit der Beklagten am 20. Dezember 1950 auf die Dauer von 10 Jahren für ihren Lastkraftwagen die gesetzliche Haftpflichtversicherung und eine Vollkaskoversicherung ab. Die Jahresprämie war in zwei gleichen Raten halbjährlich im vorhinein zahlbar. Die Firma geriet mit der Zahlung der am 20. Juni 1952 fälligen Folgeprämie teilweise in Verzug und wurde von der Beklagten am 21. August 1952 unter Setzung einer zweiwöchigen Nachfrist auf Zahlung des unberichtigten Restbetrages von 769.02 S schriftlich vergeblich gemahnt. Am 30. September 1952 verkauften und übergaben sie das Kraftfahrzeug den Klägern, am 10. Oktober 1952 zeigten sie die Veräußerung des Wagens der Beklagten an und am 11. Oktober 1952 wurde der Versicherungsschein den Klägern übergeben. Das Kraftfahrzeug wurde am 15. November 1952 bei einem Zusammenstoß schwer beschädigt. Am 20. November 1952 zeigten die Kläger mit nicht unterfertigtem Schreiben den Schadensfall an. Am 21. November 1952 kundigten die Kläger das Versicherungsverhältnis. Die Beklagte wies am 25. November 1952 die Kündigung wegen der Versäumung der einmonatigen Frist als verspätet zurück, ohne sich in diesem Schreiben mit der Schadensanzeige zu befassen. Am 9. Jänner 1953 lehnte die Beklagte die Entschädigungspflicht ab.
Die Kläger begehren 23.933.20 S, welchen Betrag sie für die Reparatur des Wagens aufgewendet hätten. Die Beklagte bestritt Grund und Höhe des Anspruches und wendete Haftungsfreiheit wegen teilweisen Verzuges in der Entrichtung der Prämienzahlung ein.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren Folge. Im Zeitpunkt des Erwerbes des Wagens durch die Kläger habe die Leistungspflicht der Beklagten geruht. Da die Kläger als Rechtsnachfolger in alle Rechte und Pflichten aus dem Vertrage eingetreten sind, habe auch ihnen gegenüber eine Leistungspflicht nicht bestanden. Die Beklagte habe aber nachträglich mit ihrem Schreiben vom 25. November 1952 die Forderung der Kläger anerkannt. Da ihr bei Absendung dieses Schreibens der Schadensfall bereits bekannt gewesen sei, könne ihre Erklärung, daß der Versicherungsvertrag gegenüber den Klägern volle Geltung besitze, ihrem objektiven Inhalt nach nur als Anerkenntnis der Klagsforderung gewertet werden. Habe sich die Beklagte einer mißverständlichen Formulierung bedient, um ihren Willen auszudrücken, gehe dies ausschließlich zu ihren Lasten. Die Höhe der tatsächlichen Auslagen sei als zugestanden anzusehen.
Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil dahin ab, daß das Klagebegehren abgewiesen wird. Die Verzugsfolgen bei Nichtzahlung einer Folgeprämie seien Leistungsfreiheit, Kündigungsrecht und Prämienklage. Der Versicherer könne auf die versicherungsrechtlichen Verzugsfolgen ausdrücklich oder konkludent verzichten. Ein solcher konkludenter Verzicht könne aber in dem Schreiben vom 25. November 1952 nicht erblickt werden, denn dieses Schreiben befasse sich nur mit der von den Klägern versuchten Kündigung des Vertragsverhältnisses, beziehe sich somit nur auf den prämienbelasteten Zeitraum und die Vertragsdauer, nicht aber auf den Haftungszeitraum. Es könne daher unter Berücksichtigung der Gepflogenheiten im geschäftlichen Verkehr mit Kaufleuten und mit Versicherungsgesellschaften im besonderen nur dahin verstanden werden, daß die Beklagte damit die Kündigung des Versicherungsverhältnisses abweisend behandeln wollte, damit aber nicht auf den sehr gewichtigen Einwand der Leistungsfreiheit habe stillschweigend verzichten wollen. Da die Leistungsfreiheit eintrete, wenn auch nur ein geringer Teil der Prämie nicht bezahlt worden ist, war die Beklagte bei der gegebenen Sachlage beim Schadenseintritt von der Verpflichtung zur Leistung frei. Daran ändere nichts, daß die Kläger vom Prämienrückstand nicht verständigt worden sind. Sie seien mit dem Eigentumserwerb an dem versicherten Gegenstand in das Versicherungsverhältnis eingetreten und haben dieses in der Lage annehmen müssen, in der es sich befunden hat. Es wäre Sache der Kläger gewesen, sich über die Lage, in der sich das Versicherungsverhältnis befand, von den Verkäufen unterrichten zu lassen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers Folge und hob auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Der Revision kommt, wenn auch aus anderen Gründen, Berechtigung zu.
Ist auf Grund einer zugekommenen qualifizierten Mahnung gemäß § 39 Abs. 2 VersVG. Leistungsfreiheit eingetreten, ändert sich hiedurch am Bestand des Versicherungsverhältnisses selbst, also an der Vertragsdauer und der Prämienzahlungspflicht, nichts. Der Erwerber des versicherten Gegenstandes tritt in dieses Vertragsverhältnis ein, so wie es im Zeitpunkt des Erwerbes besteht (Versicherungsrundschau 1951/140). Der Eigentumsübergang legt dem Versicherer keine neuen Pflichten auf. Der Versicherer ist deshalb auch nicht verpflichtet, den Erwerber auf ein Ruhen der Leistungspflicht aufmerksam zu machen. Es ist vielmehr Sache des Erwerbers, sich über den Stand der Versicherung beim Käufer entsprechend zu informieren. Ruht die Leistungspflicht dem Verkäufer gegenüber, ruht sie auch dem Erwerber gegenüber, ohne daß es einer weiteren Verständigung bedarf. Von einer schuldhaften Irrtumsveranlassung und einer Schadenersatzpflicht - die übrigens in erster Instanz gar nicht behauptet wurde - könnte somit im vorliegenden Falle nicht gesprochen werden. Wären die Kläger tatsächlich in einem Irrtum befangen gewesen, hätten sie diesen Irrtum selbst verschuldet.
Mit Recht hat aber das Berufungsgericht auch einen Verzicht der Beklagten auf die versicherungsrechtlichen Verzugsfolgen nicht angenommen. Zutreffend führt das Berufungsgericht aus, daß sich das Schreiben deutlich nur auf die Vertragsdauer und den prämienbelasteten Zeitraum bezogen hat, nicht aber auf die Haftungsdauer. Die Revisionswerber verfallen neuerlich in den Fehler, Vertragsdauer und Haftungsdauer zu verwechseln. Wie bereits dargelegt wurde, müssen sich diese beiden Zeiträume nicht immer decken, vielmehr kann trotz auf rechtem Bestand des Versicherungsbetrages (des Versicherungsverhältnisses) die Haftungspflicht ruhen, wie eben im vorliegenden Fall des § 39 Abs. 2 VersVG. Mit dem Schreiben vom 25. November 1953 wollte die Beklagte lediglich die Kündigung des Vertragsverhältnisses ablehnen, hat damit aber keineswegs eine Erklärung über ihre Haftungspflicht abgegeben. Insbesondere aus der diesem Schreiben beigegebenen Abschrift eines Briefes der Beklagten an die Zweitklägerin erhellt zweifelsfrei, daß die Beklagte ausschließlich Erklärungen über die Kündigung der Versicherung abgeben wollte, daß sich daher der Ausdruck "im vollen Umfang" nur auf die Vertragsdauer und die Prämienzahlungspflicht beziehen konnte. Es kann deshalb tatsächlich nicht gesagt werden, daß sich etwa die Beklagte undeutlicher Ausdrücke bedient hätte. Die aus dieser Behauptung gezogenen Schlußfolgerungen der Revisionswerber sind verfehlt. Beschäftigte sich dieses Schreiben aber mit der Haftung überhaupt nicht, kann darin auch kein Anerkenntnis der klägerischen Forderung oder ein Verzicht auf die Verzugsfolgen gelegen sein.
Trotzdem kann das berufungsgerichtliche Urteil nicht bestätigt werden. Gemäß § 39 Abs. 1 VersVG. kann der Versicherer, wenn eine Folgeprämie nicht rechtzeitig bezahlt wird, dem Versicherungsnehmer schriftlich eine Zahlungsfrist von mindesten zwei Wochen bestimmen. Dabei sind die Rechtsfolgen anzugeben, die nach den Abs. 2 und 3 mit dem Ablauf der Frist verbunden sind. Eine Fristbestimmung, die ohne Beachtung dieser Vorschrift erfolgt, ist unwirksam. Demnach müssen also bei sonstiger Unwirksamkeit des ganzen Vorganges die Rechtsfolgen des Fristenablaufes, die im § 39 Abs. 2 und 3 VersVG. bezeichnet sind, in weitmöglichster Anlehnung an die Gesetzesfassung mitgeteilt werden. Damit eine solche formell richtige Mahnung Wirkung haben kann, ist weiters erforderlich, daß diese Mahnung beim Adressaten auch tatsächlich eingelangt ist (3 Ob 392/54 und die dort zit. Entscheidungen). Die Umstände, die die Leistungsfreiheit begrunden, müssen als anspruchsaufhebende Tatsachen von der Beklagten konkret behauptet und bewiesen werden. Die Beklagte hat nun in der Klagebeantwortung wohl ausgeführt, daß sie gemäß § 39 Abs. 1 VersVG. eine Nachfrist von 14 Tagen gesetzt habe. Diese Behauptung besagt aber nur, daß eine Nachfrist in der vom Gesetz vorgesehenen Mindestdauer von 14 Tagen gesetzt wurde. Sie besagt aber nichts darüber, daß diese Mahnung auch den vom Gesetz vorgeschriebenen Inhalt hatte und daß diese Mahnung dem Prämienschuldner zugegangen ist. Wenn aber das Erstgericht feststellt, der Betrag von 769.02 S sei am 21. August 1952 unter Setzung einer Nachfrist von 14 Tagen gemäß § 39 VersVG. eingemahnt worden, so besagt auch diese Feststellung nichts anderes, als daß eine 14tägige Nachfrist im Sinne des § 39 VersVG. gesetzt wurde, denn das Erstgericht beruft sich bei dieser Feststellung auf die glaubwürdige Aussage des Zeugen O. und auf die durch ihn vorgelegten Urkunden. Dieser Zeuge hat aber nur Angaben über die Höhe der rückständigen Prämie und über die Tatsache einer Mahnung unter Nachfristsetzung gemacht. Etwas anderes ist auch nach dem Inhalt des Verhandlungsprotokolles aus der vorgelegten Standkarte nicht zu entnehmen gewesen. Der Zeuge hat also über den Inhalt der Mahnung und darüber, ob sie tatsächlich zugekommen ist, keinerlei Angaben machen können. Es kann deshalb nicht gesagt werden, daß der Erstrichter durch den Hinweis auf § 39 VersVG. den gesetzlich vorgeschriebenen Inhalt der Mahnung und die Tatsache, daß sie dem Prämienschuldner zugekommen ist, festgestellt hätte.
Eine bezügliche konkrete Behauptung wäre im vorliegenden Falle umso mehr erforderlich gewesen, als nach dem Akteninhalt erhebliche Bedenken bestehen, daß die Mahnung die vorgeschriebene Form hatte und dem Prämienschuldner zugekommen ist. Die Jahresprämie von 2.116.40 S umfaßt sowohl die Haftpflichtversicherung als auch die Kaskoversicherung. Es wurde auch ein Gesamtprämienrest eingemahnt. Mit Schreiben vom 9. Jänner 1954 (Beil. E) lehnte die Beklagte unbeschadet ihrer Verpflichtung gemäß § 158c Abs. 1 VersVG., den Dritten schadlos zu halten, eine Haftung sowohl aus der Kaskoversicherung als auch der Haftpflichtversicherung wegen Nichtzahlung der Prämie ab. Nun ist die Versicherungsanstalt gemäß § 57 Abs. 6 KFV. verpflichtet, jener Behörde, bei der das Kraftfahrzeug laut behördlichem Kennzeichen in Vormerkung steht, jede Unterbrechung in der Haftung unverzüglich eingeschrieben anzuzeigen. Eine solche Anzeige ist nach dem Akteninhalt offenbar nicht erfolgt, weil die Zulassung des Wagens nicht zurückgenommen wurde. Die Beklagte kann daher nach Ablauf der Nachfrist keineswegs auf dem Standpunkt der Haftungsfreiheit gestanden sein, weil sie sonst die Anzeige kaum unterlassen hätte. Dies legt aber den Schluß nahe, daß eine Leistungsfreiheit nicht eingetreten ist, weil eben entweder die Mahnung nicht den gesetzlich vorgeschriebenen Inhalt hatte, oder kein Nachweis dafür vorlag, daß die Mahnung dem Prämienschuldner tatsächlich zugekommen ist. Es kann auch nicht übersehen werden, daß Versicherungsgesellschaften vielfach bereit sind, trotz Verzuges des Versicherungsnehmers in der Prämienzahlung die Haftung weiter zu tragen und nur formlos mahnen. Eine solche Mahnung - auch wenn darin eine Nachfrist gesetzt worden wäre - kann aber, wie bereits ausgeführt, eine Leistungsfreiheit nicht zur Folge haben (so auch SZ. XIII/276).
Der für die Entscheidung wesentliche Umstand, ob die Mahnung den gesetzlichen Vorschriften entsprochen hat und ob sie dem Prämienschuldner auch zugekommen ist, wurde in erster Instanz nicht erörtert. Es fehlen dafür alle Behauptungen der Beklagten und damit auch alle Feststellungen der Untergerichte. Es liegt somit ein Feststellungsmangel vor, der vom Revisionsgericht unter dem geltend gemachten Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung wahrzunehmen war.
Da zur Behebung dieses Mangels eine Verhandlung in erster Instanz nicht zu umgehen ist, waren beide untergerichtlichen Urteile aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.
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