OGH 3Ob711/53

OGH3Ob711/5326.5.1954

SZ 27/154

Normen

ABGB §366
ABGB §369
AHG §1
EO §368
ZPO §234
ABGB §366
ABGB §369
AHG §1
EO §368
ZPO §234

 

Spruch:

Der Grundsatz, daß die Herausgabe einer Sache nur verlangt werden kann, wenn der Beklagte sich im Zeitpunkt der Klagszustellung im Besitz der Sache befunden hat, gilt auch für die an Stelle der Klage auf Herausgabe tretende Wertersatz- oder Interessenklage.

Die Interessenklage unterliegt nicht den Beschränkungen des Amtshaftungsgesetzes.

Entscheidung vom 26. Mai 1954, 3 Ob 711/53.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Gegen den Kläger wurde im Jahre 1945 ein Verfahren nach dem Kriegsverbrechergesetz eingeleitet, das am 22. Dezember 1950 mit seinem Freispruch von der Anklage endete. Im Zuge des Strafverfahrens wurde, wie die Klage ausführt, auch das Vermögen des Klägers sichergestellt. Bei Durchführung der Sicherstellung wurden am 9. Juli 1945 auch sechs dem Kläger gehörige, von ihm dem Auktionshaus N. übergebene Bilder sichergestellt und in das Staatsamt für Inneres gebracht. Zwei Bilder wurden im Dorotheum aufgefunden, der Verbleib der anderen vier Bilder ist nicht bekannt. Der Kläger begehrt, gestützt auf sein (vom Prozeßgericht festgestelltes) Eigentum, die Herausgabe der Bilder und in eventu bezüglich der vier nicht auffindbaren Bilder die Bezahlung eines Betrages von 30.000 S samt 4% Zinsen seit dem 30. Oktober 1952.

Das Erstgericht verurteilte die beklagte Republik Österreich zur Herausgabe der in der Klage unter Nr. 1 und 2 näher bezeichneten, im Dorotheum aufgefundenen Gemälde. Dieser Ausspruch ist rechtskräftig. Ferner verurteilte das Erstgericht die beklagte Partei zur Zahlung des Betrages von 30.000 S samt 4% Zinsen seit 30. Oktober 1952 für die in der Klage unter Nr. 3 bis Nr. 6 näher bezeichneten Gemälde, ohne über das Hauptbegehren des Klägers auf Herausgabe dieser vier Gemälde zu erkennen. Doch wurde die Unterlassung vom Kläger nicht weiter angefochten. Lediglich die Beklagte bekämpfte das Urteil des Erstgerichtes im Ausspruch auf Zahlung des Betrages von 30.000 S samt Anhang.

Ihre Berufung hatte insofern Erfolg, als das Berufungsgericht das auf Zahlung von 30.000 S gerichtete Eventualbegehren des Klägers kostenpflichtig abwies Das Berufungsgericht ging hiebei vom Vorbringen des Klägers in der Klage, in seinen Schriftsätzen und in der mündlichen Verhandlung aus, wonach die Beklagte bei der Beschlagnahme der Gemälde nicht als Privatrechtssubjekt, sondern durch ihre Organe im Staatsamt für Inneres in Ausübung des ihr verfassungsrechtlich zustehenden Hoheitsrechtes auf dem Gebiet der Strafrechtspflege aufgetreten sei. Die Beklagte könne daher vom Kläger nicht auf Grund der Vorschriften des allgemeinen bürgerlichen Rechts verantwortlich gemacht werden. Was ihre allfällige Haftung nach dem Amtshaftungsgesetz anbelange, so seien nach der erstinstanzlichen, unangefochtenen und daher für das Berufungsgericht bindenden tatsächlichen Feststellung die vier Gemälde in dem vom Staatsamt für Inneres am 17. August 1945 angefertigten Verzeichnis Beilage E nicht enthalten, sie müssen daher in der Zeit zwischen der Beschlagnahme am 9. Juli 1945 und der Errichtung des Verzeichnisses im Staatsamt für Inneres verlorengegangen sein. Der Schaden des Klägers sei somit in der Zeit vor Wirksamkeitsbeginn des Amtshaftungsgesetzes, dem 1. Jänner 1949 (richtig 1. Feber 1949) entstanden und die Streitsache auch nach dem Gesetz nicht zu beurteilen. Für den vom Kläger erhobenen Anspruch fehle daher eine gesetzliche Grundlage. Der Kläger habe auch nicht versucht, sein Begehren auf die Vorschriften des Amtshaftungsgesetzes zu stützen und habe insbesondere nicht behauptet, daß er gemäß § 8 des Gesetzes und § 1 der Verordnung, BGBl. Nr. 45/1949, eine Aufforderung zur Anerkennung des Anspruches an die Finanzprokuratur gerichtet habe.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Das Schwergewicht der Revision ruht auf der Rechtsrüge. Die Revision meint, ein formell gültiger Hoheitsakt liege nicht vor, die Wegbringung der Bilder sei eine Gewaltmaßnahme gewesen. Der Anspruch des Klägers grunde sich auf sein Eigentum. Dieser Rechtstitel bilde auch die Grundlage für den Interessenanspruch. Einen Schadenersatzanspruch habe der Kläger nicht geltend gemacht, darum sei auch die Frage der Amtshaftung unerheblich.

Das Berufungsgericht hat das Klagebegehren mit der Begründung abgewiesen, daß die Beschlagnahme der Gemälde in die Zeit vor Erlassung des Amtshaftungsgesetzes falle und daß somit die Beklagte für die Folgen des Verlustes der Gemälde nicht verantwortlich gemacht werden könne. Das Berufungsgericht hat den gegenständlichen Anspruch als Schadenersatzanspruch qualifiziert und ihn, da die angeblich rechtswidrige Amtshandlung noch vor der Erlassung des Amtshaftungsgesetzes erfolgt ist, im Sinne der ständigen Praxis abgewiesen (3 Ob 201/50; 3 Ob 363/51; 2 Ob 159/51; 1 Ob 660/52; 1 Ob 24/52; 1 Ob 377/52; 1 Ob 588/52 u. a. m.).

Mit Recht macht demgegenüber der Kläger in der Revision geltend, daß er in der Klage nicht Schadenersatz wegen der rechtswidrigen Beschlagnahme verlangt habe, sondern Herausgabe der Gemälde, eventuell Bezahlung ihres Wertes. Daß über den primär geltend gemachten Herausgabeanspruch in erster Instanz nicht entschieden worden ist, kann freilich in der Revision nicht mehr geltend gemacht werden, weil sich der Kläger darüber in der zweiten Instanz nicht beschwert hat. Wohl aber ist die Revision insofern berechtigt, als sie sich dagegen wehrt, daß der in eventu begehrte Wertersatzanspruch, über den das Berufungsgericht allein entschieden hat, als Schadenersatzanspruch qualifiziert worden ist.

Nach § 368 EO. kann der betreibende Gläubiger, wenn der Verpflichtete eine ihm urteilsmäßig auferlegte Leistungspflicht nicht erfüllt, unter Umgangnahme von der Exekution das Interesse, das ist den Wertersatz, verlangen. Die Interessenklage nach § 368 EO. setzt nicht wie die Schadenersatzklage ein Verschulden an der Nichterfüllung voraus, es genügt, daß der Beklagte seiner Leistungspflicht nicht nachgekommen ist. Die Gerichtspraxis läßt die Interessenklage auch dann zu, wenn eine Klage auf die primär geschuldete Leistung nicht vorausgegangen ist; auch kann das Interesse wahlweise neben der Sachleistung verlangt werden (1 Ob 891/51; 2 Ob 912/52, 2 Ob 921/52; 3 Ob 103/53 u. a. m.).

Da die Interessenklage auf Wertersatz geht und nicht eine schuldhafte Handlung voraussetzt, so kann sie auch geltend gemacht werden, wenn eine Amtshaftung ausgeschlossen ist; auch unterliegt sie nicht den Zuständigkeitsbeschränkungen des Amtshaftungsgesetzes. Die Interessenklage kann aber immer nur dann zum Erfolg führen, wenn ein Anspruch auf die primäre Leistung, deren Wert verlangt wird, begehrt werden kann.

Von diesem Gesichtspunkt aus ist das Klagebegehren nicht begrundet. Herausgabe einer Sache kann nur verlangt werden, wenn der Beklagte sich im Zeitpunkt der Urteilsfällung oder wenigstens im Zeitpunkt der Klagszustellung im Besitz der Sache befunden hat. Das gilt auch für die an Stelle der Klage auf Herausgabe tretende Wertersatzklage (1 Ob 912/52). Nun ist aber dem Kläger der Beweis, daß die Beklagte im Zeitpunkt der Klagserhebung die beschlagnahmten Gemälde noch innegehabt hat, nicht gelungen. Die Klage kann daher keinen Erfolg haben. Sie ist daher mit Recht vom Berufungsgericht abgewiesen worden.

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