OGH 1Ob17/54

OGH1Ob17/5419.5.1954

SZ 27/134

Normen

ABGB §91
EheG §§66 ff
EheG §74
ZPO §236
ABGB §91
EheG §§66 ff
EheG §74
ZPO §236

 

Spruch:

Spruchrepertorium Nr. 38 Durch das Eingehen einer Lebensgemeinschaft der geschiedenen Gattin mit einem anderen Mann tritt das Ruhen ihres Unterhaltsanspruches gegenüber dem geschiedenen Gatten ein, gleichgültig ob die Frau aus dieser Lebensgemeinschaft ihren Unterhalt ganz oder teilweise bezieht.

(weiterer Rechtssatz aus dieser Entscheidung:)

Zulässigkeit des Zwischenantrages auf Feststellung, daß ein Unterhaltsanspruch, und zwar auch für eine vergangene Zeitperiode, ruhe.

Entscheidung vom 19. Mai 1954, 1 Ob 17/54.

I. Instanz: Bezirksgericht Klagenfurt; II. Instanz: Landesgericht Klagenfurt.

Text

Die Klägerin, deren Ehe mit dem Beklagten durch Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 23. September 1946, 12 Cg 20/46, aus dem überwiegenden Verschulden des Beklagten geschieden wurde, begehrt die Zahlung eines Unterhaltes. Dieser Anspruch wurde mit Zwischenurteil des Erstgerichtes vom 7. Jänner 1949, welches in zweiter und dritter Instanz bestätigt wurde, als zu Recht bestehend erkannt. Mit Endurteil vom 26. Juni 1951 wurde der Beklagte zur Unterhaltsleistung in verschiedenen, nach Zeitperioden gestaffelten monatlichen Beträgen verurteilt. Die letzte Unterhaltsperiode wurde mit 15. November 1948 in einer Höhe von monatlich 350 S angenommen. Dieses Urteil wurde in zweiter Instanz teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben, u. a. auch insoweit, als für die Zeit ab 1. Jänner 1950 ein Unterhaltsbetrag von mehr als 280 S zugesprochen wurde. Der gegen den bestätigenden Teil erhobenen Revision des Beklagten wurde keine Folge gegeben. Im fortgesetzten Verfahren schränkte die Klägerin in der Verhandlung vom 13. März 1953 das Klagebegehren auf eine Unterhaltsleistung von 70 S monatlich, beginnend ab 1. August 1951, zusätzlich der bereits zuerkannten Beträge ein.

In der Verhandlung vom 27. April 1952 stellte der Beklagte die Zwischenanträge auf Feststellung 1. daß zwischen Wilhelm K. und Elise D. eine Lebensgemeinschaft seit dem Jahre 1948 bestehe, wodurch Elisabeth D. zur Gänze versorgt sei, wodurch auch der Klägerin gegenüber dem Beklagten seit dem Jahr 1948 kein Unterhaltsanspruch zustehe, auch nicht in Zukunft;

2. daß der Unterhaltsanspruch der Klägerin gemäß § 74 EheG. verwirkt sei, weil die Klägerin seit dem Jahr 1948 mit einem verheirateten Mann, nämlich Wilhelm K., in Lebensgemeinschaft lebe.

In der Verhandlung vom 21. September 1953 ergänzte der Beklagte den Antrag P. 1. dahin, es werde zusätzlich festgestellt, daß der Unterhaltsanspruch der Klägerin ruhe.

Das Erstgericht wies mit Urteil vom 28. September 1953 sowohl die Zwischenanträge als auch das eingeschränkte Klagebegehren ab. Dem ersten Zwischenantrag stehe die Rechtskraft des Zwischenurteiles vom 7. Jänner 1949 und des Endurteiles vom 26. Juni 1951 entgegen. Die durch diese Entscheidung festgestellte Zahlungsverpflichtung des Beklagten könne durch den gegenständlichen Zwischenantrag nicht beseitigt werden. Lediglich hinsichtlich des noch strittigen Mehrbegehrens von 70 S monatlich wäre an sich ein Zwischenantrag möglich, jedoch auch in diesem Fall nicht mit 1. August 1951, sondern erst ab 27. April 1952, weil das Zwischenfeststellungsbegehren erst mit diesem Zeitpunkt gestellt worden sei. Das Begehren hätte daher eine engere Fassung haben müssen. Aber auch in der eingeschränkten Form wäre das Zwischenfeststellungsbegehren überflüssig, weil der Feststellung keine über den Rechtsstreit hinausreichende rechtliche Bedeutung zukäme. Werde nämlich das Bestehen der Lebensgemeinschaft bejaht, so werde das Klagebegehren eben abgewiesen. Auf die bereits zuerkannten Rückstände und laufenden Unterhaltsbeträge habe der Antrag keinen Einfluß.

Ebenso unbegrundet sei der zweite Zwischenfeststellungsantrag, weil in der Aufnahme einer Lebensgemeinschaft kein unsittlicher Lebenswandel im Sinne des § 74 EheGes. zu erblicken sei.

Das Unterhaltsmehrbegehren der Klägerin sei unbegrundet, weil sie in der fraglichen Zeit mit Wilhelm K. in Lebensgemeinschaft stehe.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil hinsichtlich der Abweisung des Unterhaltsmehrbegehrens der Klägerin und änderte das Ersturteil hinsichtlich der Abweisung des ersten Zwischenfeststellungsantrages dahin ab, daß der Unterhaltsanspruch gegenüber dem Beklagten seit dem 22. Juni 1951 ruhe. Es gelangte nach teilweiser Beweiswiederholung zur gleichen Feststellung einer Lebensgemeinschaft wie das Erstgericht und billigte auch dessen rechtliche Beurteilung über die rechtliche Auswirkung dieses Umstandes auf den Unterhaltsanspruch der Klägerin. Hinsichtlich des Zwischenantrages ist das Berufungsgericht der Ansicht, daß die Rechtskraft des Endurteils vom 26. Juni 1951 dem Ruhen der Unterhaltspflicht insoweit entgegenstehe, als es sich um die Unterhaltspflicht vor Erlassung des genannten Urteils handle. Maßgebend sei der Tag nach Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz, das ist der 22. Juni 1951. Es bestehe kein Hindernis, den Zwischenfeststellungsantrag teilweise abzuweisen, insbesondere in der Richtung, daß das Ruhen der Unterhaltspflicht mit einem späteren Zeitpunkt beginne und mit einem früheren Zeitpunkt aufhöre, als es nach dem Antrag sein soll. Verfehlt sei der Antrag, soweit er auf Feststellung des Bestehens der Lebensgemeinschaft lautet, weil es sich hiebei um eine Tatsache handle. Hingegen sei die Feststellung des Ruhens des Unterhaltsanspruches zulässig, da dies ein Rechtsverhältnis sei.

Die Klägerin ficht das Urteil des Berufungsgerichtes in seinen Aussprüchen über die Bestätigung des Ersturteiles hinsichtlich der Abweisung des Unterhaltsmehrbegehrens und in der teilweisen Stattgebung des Zwischenfeststellungsantrages an.

Die Revision blieb ohne Erfolg.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Zunächst war die Frage zu prüfen, ob die Revision gegen die Bestätigung der Abweisung des Unterhaltsbegehrens zulässig ist. Sie ist zu bejahen. Die Bestimmung des § 502 Abs. 2 ZPO. steht der Revision nicht entgegen, weil die Untergerichte den Unterhaltsanspruch der Klägerin dem Gründe nach verneint haben. Die Einschränkung der Revision in Unterhaltssachen gilt aber nur dann, wenn die Höhe des Unterhaltes strittig ist. Die Bestimmung des Abs. 3, wonach gegen ein bestätigendes Urteil des Berufungsgerichtes die Revision unzulässig ist, wenn der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat, 10.000 S nicht übersteigt, kommt im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung. Wohl übersteigt der Streitwert des bestätigenden Teiles des Berufungsurteiles nicht 10.000 S. Nach dem Jud. Nr. 56 finden jedoch die Vorschriften der §§ 500 Abs. 2 und 502 Abs. 3 ZPO. auf bloß teilweise bestätigende Urteile keine Anwendung. Die gleichen Erwägungen gelten dann, wenn, wie im vorliegenden Fall, die Entscheidung des Erstgerichtes in der Hauptsache vom Berufungsgericht bestätigt, seine Entscheidung über einen gemäß §§ 236, 259 ZPO. gestellten Zwischenantrag auf Feststellung jedoch abgeändert wurde. Auch hier könnte es sich bei bloßer Anfechtbarkeit des abändernden Teiles der zweitinstanzlichen Entscheidung ergeben, daß der vom Obersten Gerichtshof überprüfte Teil der Berufungsentscheidung über den Zwischenantrag auf Feststellung mit dem anderen Teil der Berufungsentscheidung in der Hauptsache, der unberührt zu bleiben hätte, in Widerspruch stunde (2 Ob 111/53).

Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Zwischenantrages auf Feststellung des Ruhens des Unterhaltsanspruches sind entgegen den Ausführungen in der Revision gegeben. Das Berufungsgericht hat zutreffend ausgeführt, daß der Umstand des Ruhens des Unterhaltsanspruches ein Rechtsverhältnis ist, dessen Feststellung daher zulässig ist. Er ist für den Rechtsstreit präjudiziell, weil davon die Berechtigung des Klagebegehrens auf Leistung des Unterhaltes abhängt. Die Bedeutung des Zwischenfeststellungsantrages geht ferner über den Rahmen des Prozeßgegenstandes hinaus. Durch den Ausspruch des Ruhens des Unterhaltsanspruches wird dieser solange dem Gründe nach beseitigt, als die Lebensgemeinschaft aufrecht besteht. Einer neuerlichen Klage stunde daher die Einrede der Rechtskraft entschiedener Streitsache entgegen, solange nicht eine Änderung hinsichtlich der festgestellten Lebensgemeinschaft behauptet wird. Dazu kommt im gegenständlichen Fall noch ein weiterer Umstand, aus welchem sich die über das Klagebegehren hinausreichende Wirkung des Feststellungsausspruches ergibt. Im Streit verfangen ist nur noch ein Unterhaltsbetrag von zusätzlich 70 S im Monat, während ein Unterhaltsbetrag von monatlich 280 S ab 1. Jänner 1950 rechtskräftig zuerkannt wurde. Die Feststellung des Ruhens des Unterhaltsanspruches würde auch den bereits zuerkannten Betrag berühren. Die Meinung der Revisionswerberin, dies sei nicht der Fall, und es könnte eine Änderung der zugesprochenen Beträge nur im Wege der Oppositionsklage herbeigeführt werden, ist nicht richtig. Vielmehr ist bereits vor Exekutionsführung die negative Feststellungsklage des Erlöschens oder Ruhens des Anspruches zulässig, weil der Verpflichtete ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung des Nichtbestehens des Anspruches hat und es ihm nicht zugemutet werden kann, zu warten, bis der Gläubiger Exekution führt. (3 Ob 210/48, SZ. XIX/316.) In der Revision wird behauptet, das Berufungsgericht sei durch den Ausspruch, der Unterhaltsanspruch ruhe seit dem 22. Juni 1951, über das Begehren des Beklagten hinausgegangen, weil dieser einen Zeitpunkt, seit wann das Ruhen einzutreten habe, nicht genannt habe. Der Antrag sei erst in der Verhandlung vom 27. September 1953 gestellt worden und das Ruhen könne daher erst von diesem Zeitpunkt an ausgesprochen werden, zumal der Ausspruch eines rückwirkenden Eintretens des Ruhens unzulässig sei.

Diesen Ausführungen kann nicht beigepflichtet werden. Der Beklagte hat seinen Antrag zunächst dahin formuliert, es werde festgestellt, daß der Klägerin gegenüber dem Beklagten seit dem Jahre 1948 kein Unterhaltsanspruch zustehe. Dieses Begehren deckt sich inhaltlich mit jenem auf Feststellung des Ruhens des Unterhaltsanspruches und ist somit zeitlich fixiert. Es ist aber auch die Feststellung des Ruhens für eine dem Antrag vorausgehende Zeit zulässig. Die Rechtsprechung hat dies in wiederholten Entscheidungen über Oppositionsklagen anerkannt und ausgesprochen, daß der Unterhaltsverpflichtete geltend machen könne, daß für jene vergangene Zeit, für die Unterhaltsbeträge durch Zwangsvollstreckung eingetrieben werden, seine Unterhaltsverpflichtung infolge Änderung der maßgeblichen wirtschaftlichen Verhältnisse ganz oder teilweise aufgehoben sei (2 Ob 276/48, SZ. XXII/62, 1 Ob 1203/36, 3 Ob 94/54, SZ. XVIII/234, SZ. XIX/316, SZ. XXIV/75). Dieser Grundsatz muß aber auch für die negative Feststellungsklage und den Zwischenantrag auf Feststellung gelten, weil diesen die gleiche Funktion zukommt wie der Oppositionsklage.

Auch der Rechtsrüge kommt keine Berechtigung zu.

Bei der Lösung der Frage, welche Bedeutung für den Unterhaltsanspruch der geschiedenen Gattin dem Umstande zukommt, wenn sie eine Lebensgemeinschaft mit einem anderen Mann eingeht, bestehen drei Möglichkeiten und zwar 1. der Unterhaltsanspruch kommt zum zeitweisen Erlöschen, mit anderen Worten ausgedrückt, er ruht,

2. das Eingehen der Lebensgemeinschaft ist für den Unterhaltsanspruch überhaupt belanglos und 3. das Ruhen des Anspruches tritt nur dann und in dem Umfang ein, als die geschiedene Frau durch ihren Lebensgefährten erhalten wird. Alle drei Möglichkeiten wurden zum Teil in der Rechtsprechung und zum Teil in der Lehre auch vertreten.

Für die erste Lösung entschied sich die überwiegende Rechtsprechung bis zur Einführung des Ehegesetzes in Österreich (so z. B. 1 Ob 23/24; 4 Ob 382/34; NotZtg. 1929, S. 216, ZBl. 1931, S. 103, SZ. VIII/117, XIX/32I, XX/83). Nach dem Inkrafttreten des Ehegesetzes folgten dieser Ansicht die Entscheidungen SZ. XXII/119 und 1 Ob 717/52. ferner Schwind in seinem Kommentar zum Ehegesetz zu § 74. Die Begründungen gehen dahin, daß das Eingehen einer Lebensgemeinschaft an sich unsittlich sei. Soweit die Entscheidungen vor dem Ehegesetz erfolgten, basierten sie auf dem Grundsatz der Untrennbarkeit der Ehe. Durch die Scheidung werden die negativen Verpflichtungen aus der Ehe nicht zur Gänze aufgehoben. Durch das Eingehen einer Lebensgemeinschaft mit einem anderen Mann werden diese negativen Verpflichtungen dauernd verletzt und dies muß als sittenwidrig bezeichnet werden. In der Entscheidung SZ. VIII/117 wurde auch der Gedanke ausgesprochen, das unabänderliche Fortbestehen der Unterhaltsverpflichtung des Mannes während der Dauer des tatsächlichen Zustandes der Lebensgemeinschaft der Frau mit einem Dritten müsse den Ehegatten in eine schiefe, sogar lächerliche Lage bringen. In der Entscheidung 1 Ob 717/52 wurde lediglich auf die Entscheidung SZ. XX/23 verwiesen. Ebenso enthielt die Entscheidung SZ. XXII/119 keine nähere Begründung. Schwind billigt die Rechtsprechung auch vom Standpunkt des neuen Eherechtes und meint, dieser Grundsatz müsse umso mehr gelten, wenn beide Teile nicht mehr durch das Eheband verbunden seien.

Die zweite Ansicht wurde in der Lehre (Lenhoff in Klangs Kommentar,

1. Aufl., §§ 105, 1264, Piekarski: Gesetzlicher Unterhaltsanspruch der Ehegattin, Seite 36 f.) aus dem Gründe des § 1264 ABGB. vertreten. Ehrenzweig (System § 436) vertritt zwar gleichfalls die Ansicht, daß die geschiedene Frau ihren Unterhaltsanspruch nicht durch unsittliches Verhalten verwirke, findet aber die Rechtsprechung, wonach ihr Anspruch für die Dauer der Lebensgemeinschaft ruhe, nicht unbillig. Hingegen hat sich die Rechtsprechung der Meinung, daß das Eingehen der Lebensgemeinschaft den Unterhaltsanspruch der geschiedenen Frau überhaupt nicht berühre, nicht angeschlossen.

Die dritte Ansicht wurde in den Entscheidungen ÖRZ. 1937, S. 377, SZ. XX/193, ZBl. 1936/413 und 3 Ob 615/53 ausgesprochen. Sie stellt eine Mittellösung zwischen den beiden vorgenannten Extremen dar. Die Begründung lautete in der erstgenannten Entscheidung dahin, der gesetzliche Unterhaltsanspruch der Gattin nach § 91 ABGB. werde durch unsittliches Verhalten nicht verwirkt. Das Gesetz kenne bei gesetzlichen Unterhaltsansprüchen keine Verwirkung als Strafe. Nur dann, wenn die geschiedene Frau von einem anderen Mann erhalten werde und somit versorgt sei, habe sie auf Unterhalt seitens ihres geschiedenen Gatten keinen Anspruch. In der in der jüngsten Zeit ergangenen Entscheidung 3 Ob 615/53 wurde von der durch das Ehegesetz neu geschaffenen Rechtslage ausgegangen, weshalb die Rechtsätze von früher nicht auf die neue Rechtslage übertragen werden könnten. Nach geltendem Recht sei die Frau hinsichtlich der Unterhaltsleistung ungünstiger gegenüber früher gestellt, weiters sei das Verpflichtungsverhältnis infolge der Auflösung der Ehe weggefallen. Die Voraussetzungen für die Verwirkung des Unterhaltsanspruches seien im § 74 EheG., die für das Erlöschen des Unterhaltsanspruches in § 75 EheG. geregelt. Das Eingehen einer Lebensgemeinschaft könne nicht als ehrloser oder unsittlicher Lebenswandel gewertet werden, weshalb die erstgenannte Gesetzesbestimmung nicht in Betracht komme. Die Bestimmung des § 75 EheG., wonach bei Eingehen einer Ehe die Unterhaltspflicht des geschiedenen Mannes erlösche, könne nicht analog auf die Lebensgemeinschaft angewendet werden, weil bei dieser ein Unterhaltsanspruch überhaupt nicht entstehe und daher auch nicht erlöschen könne. Allerdings müßten alle wirtschaftlichen Vorteile, welche die unterhaltsberechtigte Frau durch eine Gemeinschaft mit einem anderen Mann beziehe, berücksichtigt werden und es werde der Mann im Sinne der §§ 66, 67 EheG. lediglich das Fehlende zu leisten haben.

Eine nähere Prüfung dieser verschiedenen Meinungen führt zu dem Ergebnis, daß nur die erste Lösung auch nach dem gegenwärtigen Rechtszustand sowohl dem Gesetz als auch der allgemeinen sittlichen Auffassung entspricht. Wohl kann seit der Einführung des Ehegesetzes die frühere Begründung nicht mehr aufrechterhalten bleiben, die geschiedene Frau verstoße durch das Eingehen einer Lebensgemeinschaft mit einem anderen Manne gegen die weiterhin bestehenden Pflichten der Ehe, weil nunmehr durch die Scheidung die Ehe dem Bande nach gelöst wird. Es kann auch nach der wohl überwiegenden Auffassung in dem Eingehen der Lebensgemeinschaft an sich nichts Sittenwidriges mehr erblickt werden. Umso weniger kann daran die Folge der Verwirkung des Unterhaltsanspruches nach § 74 EheG. geknüpft werden. Aber auch nach geltendem Recht widerspricht es dem allgemeinen sittlichen Empfinden, daß der geschiedene Ehegatte zur Lebensgemeinschaft seiner geschiedenen Frau mit einem anderen Mann direkt oder indirekt finanzieile Beiträge leisten soll. Die Sittenwidrigkeit im Sinne des § 879 ABGB. liegt daher nicht in dem Eingehen der Lebensgemeinschaft, wohl aber in dem Unterhaltsbegehren während der Dauer dieser Lebensgemeinschaft. Mit der Auffassung der Sittenwidrigkeit eines derartigen Verlangens ist es aber nicht vereinbar, sie gewissermaßen zu teilen und darauf einzuschränken, daß sie nur soweit bestehe, als die Frau durch ihren Lebensgefährten versorgt werde.

Bedeutet die Auflösung des Ehebandes zweifellos eine Verminderung der Pflichten der geschiedenen Gattin, weil das Treueverhältnis durch die Auflösung des Ehebandes weggefallen ist, so wurde gerade dadurch ein Bedenken beseitigt, welches gegen die damalige Rechtsprechung erhoben werden konnte. Dieses Bedenken konnte nach früherem Recht darin gefunden werden, daß der geschiedenen Frau nicht die Möglichkeit einer Wiederverehelichung gegeben war und somit das Konkubinat eine Notlösung darstellte. Nach nunmehrigem Recht steht dem geschiedenen Gatten die Möglichkeit der neuerlichen Eheschließung offen, wodurch er das Konkubinat vermeiden kann. Hiebei muß allerdings vorausgesetzt werden, daß der geschiedene Gatte sich nicht in ein ehebrecherisches und daher verbotenes Verhältnis einläßt. Unterlassen es die Lebensgefährten, den tatsächlichen Zustand der Lebensgemeinschaft in den rechtlichen Zustand der Ehe umzuwandeln, so entspricht es dem Gebot der Billigkeit, daß sie für die Dauer dieses Zustandes die rechtlichen Folgen der unterlassenen Ausnützung der ihnen gegebenen Möglichkeit einer Eheschließung in Kauf nehmen. Andernfalls bestunde geradezu der Anreiz, die Form des Konkubinats jener der Ehe vorzuziehen, um auf diese Weise den Unterhaltsanspruch zu wahren. Da beim Eingehen einer neuen Ehe der geschiedenen Gattin ihr Unterhaltsanspruch endgültig und ohne Rücksicht darauf erlischt, ob sie in der neuen Ehe auch ihren vollen Unterhalt findet, so erscheint es durchaus billig, daß diese Folge beim Eingehen einer Lebensgemeinschaft wenigstens für ihre Dauer eintritt. Dem Unterschied zwischen einer Ehe und einer Lebensgemeinschaft wird dadurch vollkommen Rechnung getragen, als eben im ersten Fall der Unterhaltsanspruch der geschiedenen Frau endgültig erlischt, während er im zweiten Fall nur ruht.

Die weitere Ansicht, die geschiedene Frau müsse sich alle Vorteile aus der Lebensgemeinschaft anrechnen lassen und habe also einen Differenzanspruch, steht mit dem Gesetz nicht im Einklang. § 66 EheG. bestimmt, daß lediglich die Einkünfte aus dem Vermögen der Frau und die Erträgnisse ihrer Erwerbstätigkeit Umstände sind, die ihren Unterhaltsanspruch vermindern. Finanzielle Vorteile, die ihr aus der Lebensgemeinschaft zufließen, gehören in keine dieser beiden Gruppen. Es besteht also keine gesetzliche Grundlage dafür, den Unterhaltsanspruch der geschiedenen Frau auf diesem Weg einzuschränken. Der Sachverhalt liegt nicht anders, als wenn die geschiedene Frau von dritter Seite freiwillige und unentgeltliche Leistungen bezieht. Die neue Regelung des Unterhaltsanspruches der geschiedenen Gattin durch das Ehegesetz stützt also die hier vertretene Ansicht. Daraus geht die Absicht des Gesetzes hervor, den Unterhaltsanspruch der geschiedenen Gattin nach Möglichkeit einzuschränken. Mit dieser Ansicht stunde es nicht im Einklang, der Frau den Unterhalt auch dann zu gewähren, wenn sie eine Lebensgemeinschaft eingeht und somit in einem eheähnlichen Zustand lebt. Die oben wiedergegebene Schlußfolgerung Schwinds ist daher richtig, wenn sie dahin verstanden wird: wenn das Eingehen einer Lebensgemeinschaft schon bei bestehendem Eheband das Ruhen des Unterhaltsanspruches bewirkte, dann muß es diese Wirkung umso mehr haben, wenn das Eheband nicht mehr besteht.

Dazu kommt, daß die Unterscheidung, wie weit die in einer Lebensgemeinschaft mit einem anderen Manne stehende Frau ihren Unterhalt aus dieser Lebensgemeinschaft und wie weit sie ihn aus der Unterhaltsleistung des geschiedenen Mannes bestreitet, an sich nur schwer und meistens gar nicht zu treffen ist. Die Feststellung des der geschiedenen Frau gebührenden "Differenzanspruches" würde überdies in den allermeisten Fällen an unübersteiglichen Beweisschwierigkeiten scheitern. Die dritte Ansicht würde daher praktisch zu dem unbefriedigenden Ergebnis führen, daß trotz Bestehens der Lebensgemeinschaft und Versorgung der Frau die Unterhaltspflicht des geschiedenen Mannes weiterhin bestehen bliebe.

Aus diesen Erwägungen war der Revision der Erfolg zu versagen.

Unter einem hat der erste Senat die Eintragung des nachstehenden Rechtssatzes unter Nummer 38 in das Spruchrepertorium beschlossen:

Durch das Eingehen einer Lebensgemeinschaft der geschiedenen Gattin mit einem anderen Manne tritt das Ruhen ihres Unterhaltsanspruches gegenüber dem geschiedenen Gatten ein, gleichgültig, ob die Frau aus dieser Lebensgemeinschaft ihren Unterhalt ganz oder teilweise bezieht.

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