Spruch:
Zuständigkeit des ordentlichen Gerichtes, nicht der Wasserbehörde, für Streitigkeiten über eine vertraglich geregelte Änderung der natürlichen Wasserabflußverhältnisse.
Entscheidung vom 26. November 1953, 1 Ob 897/53.
I. Instanz: Bezirksgericht Mödling; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
In der Klage behaupten die Kläger als Eigentümer des Grundstückes Nr. 655/1 (EZ. 1457 Grundbuch B.), daß der Gatte der beklagten Partei im eigenen Namen und namens der Beklagten als Eigentümer des Grundstückes Nr. 653/2 (EZ. 579 Grundbuch B.) sich anläßlich einer Besichtigung dieser Grundstücke durch die Wasserbehörde am 25. November 1941 verpflichtet habe, auf dem Grundstück Nr. 653/2 längst dem Einfriedungsgitter den Ablaufgraben wieder herzustellen und mit Zustimmung der Kläger auf das Grundstück Nr. 655/1 zu führen; diese Umleitung des Ablaufgrabens über das Grundstück 655/1 sollte nach Durchführung der Ausgestaltung der Senkgrube durch die beklagte Partei wieder rückgängig gemacht werden. Trotzdem die Senkgrube wiederhergestellt worden sei, sei aber die Umleitung des Ablaufgrabens nicht wieder behoben worden.
Es wurde daher das Urteilsbegehren gestellt, die Beklagte schuldig zu erkennen, den derzeit über das Grundstück Nr. 655/1 führenden Ablaufgraben auf ihre Kosten auf das ihr gehörige Grundstück Nr. 653/2 umzuleiten.
Das Erstgericht hat das Prozeßverfahren durchgeführt und dem Klagebegehren stattgegeben.
Aus Anlaß der von der beklagten Partei gegen diese Entscheidung erhobenen Berufung hat das Berufungsgericht das Verfahren einschließlich der Klagszustellung für nichtig erklärt und die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückgewiesen.
Das Berufungsgericht stellte sich auf den Standpunkt, daß Angelegenheiten, die sich auf die Umleitung und Ableitung von Gewässern beziehen, zur Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden gehören. Auch Streitigkeiten, welche die Regelung der natürlichen Abflußverhältnisse hinsichtlich der auf dem Grundstück sich ansammelnden und darüberfließenden Gewässer betreffen, seien nicht von den Gerichten, sondern von den Wasserrechtsbehörden zu entscheiden.
Der Oberste Gerichtshof gab den Rekursen der klagenden Partei Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und trug dem Berufungsgerichte auf, über die Berufung sachlich zu entscheiden.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Durch § 35 WRG. werden die Eigentümer des oberen und unteren Grundstückes verpflichtet, die naturgegebenen Abflußverhältnisse nicht willkürlich zu verändern. Nach § 121 WRG. ist derjenige, der die Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes übertreten hat, von der Wasserrechtsbehörde zu verhalten, die vorgenommenen Neuerungen zu beseitigen, wenn der dadurch Gefährdete und Verletzte es verlangt. Die Beschwerden wegen Übertretungen des § 35 WRG. gehören daher zur Zuständigkeit der Wasserrechtsbehörde und es können in diesem Falle Begehren auf Unterlassung von Änderungen nicht im Wege der Zivilklage geltend gemacht werden (SZ. XXI/61, 2 Ob 319/50, 2 Ob 817/51, 3 Ob 435/52).
Im vorliegenden Falle behaupten aber die Kläger keine willkürliche Veränderung des natürlichen Wasserlaufes, sondern stützen ihre Klage darauf, daß auf Grund einer Zustimmungserklärung der Kläger die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgänger ermächtigt worden sind, während der Ausgestaltung ihrer Senkgrube den Ablaufgraben wiederherzustellen und das Wasser auf das Grundstück der Kläger Nr. 655/1 zu leiten, jedoch nur bis zu dem Zeitpunkt, in welchem die Senkgrube wieder hergestellt ist. Es wird also eine künstliche Veränderung des Wasserlaufes auf Grund einer Vereinbarung zwischen den Streitteilen behauptet und die Beseitigung derselben gemäß dieser Vereinbarung begehrt.
Die Anlegung eines künstlichen, der Ableitung des Wassers dienenden Gerinnes, die nicht willkürlich, sondern auf Grund eines privatrechtlichen Übereinkommens vorgenommen wurde, kann aber nicht der Bestimmung des § 35 WRG. unterstellt werden. Aus derartigen Vereinbarungen sich ergebende Streitigkeiten gehören daher zur Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte (vgl. Hartig, Das österr. Wasserrecht 1950, S. 104, Anm. 1 und 5).
Daher war dem Rekurse stattzugeben, der angefochtene Beschluß aufzuheben und dem Berufungsgericht die sachliche Entscheidung über die Berufung der beklagten Partei aufzutragen.
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