OGH 2Ob817/51

OGH2Ob817/514.1.1952

SZ 25/4

Normen

JN §1
Wasserrechtsgesetz §35
Wasserrechtsgesetz §121
JN §1
Wasserrechtsgesetz §35
Wasserrechtsgesetz §121

 

Spruch:

§ 35 Wasserrechtsgesetz will den natürlichen Abfluß des Wassers schützen und verbietet darum die Vornahme von Vorrichtungen, die geeignet sind, den natürlichen Abfluß zu ändern oder zu verhindern. Die Anlegung eines künstlichen, der Ableitung des Niederschlagswassers dienenden Gerinnes kann dieser Gesetzesstelle nicht unterstellt werden. Für das Begehren, eine solche Anlage zu beseitigen, ist der Rechtsweg zulässig.

Entscheidung vom 4. Jänner 1952, 2 Ob 817/51.

I. Instanz: Bezirksgericht Klagenfurt; II. Instanz: Landesgericht Klagenfurt.

Text

Der Kläger begehrt die Verurteilung des Beklagten, die Ableitung des Regenwassers, das sich auf dessen Liegenschaft ansammelt, auf die Liegenschaft des Klägers zu unterlassen und die Wasserzuleitung auf die Liegenschaft des Beklagten (gemeint ist offenbar "des Klägers") zu beseitigen.

Das Erstgericht sprach seine Unzuständigkeit (gemeint ist die Unzulässigkeit des Rechtsweges) und die Nichtigkeit des vorangegangenen Verfahrens aus. Die vom Beklagten errichtete Drainage sei eine Entwässerungsanlage, wodurch das sich im Keller (eines von ihm errichteten Neugebäudes) ansammelnde Wasser nach seinem (des Beklagten) Willen abgeleitet und der natürliche Abfluß des Sickerwassers entgegen § 35 Wasserrechtsgesetz (WRG.) willkürlich geändert werde. Nach § 121 WRG. habe aber die Wasserrechtsbehörde denjenigen, der die Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes übertreten hat, zu verhalten, auf seine Kosten die eigenmächtig vorgenommene Neuerung zu beseitigen, wenn der dadurch Verletzte es verlangt.

Infolge Rekurses des Klägers änderte das Rekursgericht den erstrichterlichen Beschluß dahin ab, daß es die vom Beklagten erhobene Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges verwarf. Das Rekursgericht vertrat die Auffassung, daß § 35 WRG. nur bei fließenden oder sich sammelnden Gewässern aus unverbauten Grundstücken anzuwenden sei. Zudem habe der Beklagte keineswegs den natürlichen Abfluß eines Gewässers verändert, sondern habe einen gar nicht bestehenden Wasserablauf künstlich geschaffen und hiedurch - nach der Behauptung des Klägers - in dessen Eigentum eingegriffen. Es handle sich darum um keine vor die Verwaltungsbehörde gehörige Wasserrechtsstreitigkeit nach § 35 WRG., wonach nur die zu befürchtende nachteilige Beeinflussung der Grundwasserverhältnisse der Bewilligung der Wasserrechtsbehörde bedürfe.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Rekurs wendet sich vor allem gegen die Auslegung des Begriffes "Grundstück" durch das Rekursgericht. Hausrealitäten seien nach Meinung des Rekurses nur dann aus dem Begriff der "Grundstücke" im Sinne des § 35 WRG. auszunehmen, wenn das Grundstück nicht landwirtschaftlichen Zielen, wenigstens vorwiegend, diene. Im gegenständlichen Falle handle es sich aber um das Hofgrundstück des landwirtschaftlichen Anwesens des Beklagten, auf dem sich nicht nur das Wohn- und Wirtschaftsgebäude, sondern auch ein Obstgarten mit Wiese, ein Hausgarten und dergleichen befinden. Durch den Bau eines Hauses habe die gegenständliche Grundparzelle den Charakter eines landwirtschaftlichen Grundstückes in keiner Weise verloren. Daran ändere auch die Tatsache nichts, daß der Beklagte zum Zwecke der Unterkellerung seines Hauses sein Grundstück entsprechend vertieft habe. Das sich in dieser Vertiefung sammelnde Niederschlagswasser sei daher ein solches im Sinne des § 35 WRG. Wenn dessen Versickern durch eine Maßnahme des oberen Eigentümers dadurch verhindert wird, daß die Anlage einer Abflußveränderung herbeigeführt werde, dann bestehe an der Anwendbarkeit des § 35 WRG. kein Zweifel.

Der Oberste Gerichtshof vermag den Rekursausführungen nicht beizustimmen. Es kann dahingestellt bleiben, ob § 35 WRG. nur das unverbaute landwirtschaftliche Grundstück im Auge hat oder ob an dem Grundstückbegriff im Sinne des § 35 WRG. auch dann nichts geändert wird, wenn auf dem Grundstück ein den Zwecken der Landwirtschaft dienendes Gebäude aufgeführt wird. Das Rekursgericht hat im allgemeinen richtig erkannt, daß die Übertretung einer wasserrechtlichen Bestimmung nicht vorliegt und somit die Kompetenz der Wasserrechtsbehörde nicht gegeben ist. § 35 WRG. will den natürlichen Abfluß des Wassers schützen und verbietet darum die Vornahme von Vorrichtungen, die geeignet sind, den natürlichen Abfluß zu ändern oder zu verhindern. Es handelt sich hier um die Regelung des natürlichen Abflusses oder des natürlichen Ablaufes des Niederschlagswassers, somit um die durch Bodenneigung, Bodengestaltung und Bodenverhältnisse überhaupt naturgegebenen Momente und nicht um den durch einfache oder technische Vorrichtungen bewirkten künstlichen Ablauf der Gewässer. Es kann daher die Anlegung eines künstlichen, nur der Ableitung des Niederschlagswassers dienenden Gerinnes nicht dem § 35 WRG. unterstellt werden (vgl. Haager - Vanderhaag, Kommentar zum Wasserrechtsgesetz, S. 281 ff.). Leitet, wie im vorliegenden Fall vom Kläger behauptet wird, der Beklagte durch einen Graben und Drainagerohre das sich auf seinem Grundstück ansammelnde Niederschlagswasser auf den Grund des Klägers ab, dann bewirkt er hiedurch künstlich den Ablauf desselben, ohne natürliche Abflußverhältnisse zu ändern. Ohne sein Eingreifen würde das Wasser, soweit es nicht verdunstet oder versickert, auf seinem Grund bleiben. Zur Abwehr eines solchen willkürlichen Eingriffes steht aber dem Kläger, zumal er hiedurch nach seiner Behauptung an dem ordentlichen Gebrauch seines Grundstückes beeinträchtigt wird, der Rechtsweg offen. Der Fall liegt hier anders als in der vom Erstrichter und vom Rekurswerber herangezogenen Entscheidung SZ. XXI/61, wo der Eigentümer des unteren Grundstückes gegen die Bestimmung des § 35 WRG. handelte, indem er durch Errichtung einer Wasserfalle den natürlichen Ablauf des Regenwassers verhinderte. Daß der Anwendungsfall des § 36 WRG. mangels Vorliegens einer "Entwässerungsanlage" nicht gegeben ist, wird vom Rekurswerber selbst anerkannt.

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