Normen
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §879
PatG §22a
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §1
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §9
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §879
PatG §22a
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §1
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §9
Spruch:
Zur Frage der Sittenwidrigkeit einer vertraglichen Konkurrenzklausel.
In der Vertragsbestimmung, durch die verboten wird, das einem anderen überlassene Gerät zu konkurrenzieren und ein gleichartiges Gerät zu erzeugen und auf den Markt zu bringen, ist auch die Verpflichtung miteingeschlossen, ein solches Meßgerät auch nicht unter einem anderen verwechslungsfähigen Namen herauszubringen.
Entscheidung vom 10. Juni 1953, 3 Ob 241/53.
I. Instanz: Landesgericht Feldkirch; II. Instanz: Oberlandesgericht Innsbruck.
Text
Der Beklagte ist der Erfinder des Meßgerätes "Sola", einer Wasserwaage mit Meßstab für Neigungsmessungen. Zur Ausnützung dieser Erfindung verband er sich mit dem Kläger zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Das Gesellschaftsverhältnis wurde am 1. September 1948 einverständlich aufgelöst. Der Kläger übernahm alle Aktiven und Passiven der in Schulden geratenen Gesellschaft und bezahlte überdies an den Beklagten eine Abfindungssumme, wogegen dieser auf die Erzeugungs- und Vertriebsrechte an dem Meßgerät "Sola" verzichtete.
Vereinbarungswidrig habe nun der Beklagte - so behauptet der Kläger - unter geringfügiger Veränderung des "Sola"-Meßinstrumentes ein gleichartiges Meßgerät herausgebracht, das er unter der Wortmarke "Sona" in einer auch gegen die guten Sitten und gegen die Vorschriften der §§ 1 bzw. 9 UWG. verstoßenden Weise vertreibe.
Der Kläger begehrt, den Beklagten schuldig zu erkennen, 1. das Alleinerzeugungs- und Alleinvertriebsrecht des Klägers an dem "Sola"-Meßgerät für Neigungswinkel laut Patentanmeldung vom 29. März 1947 und allen verbesserten, weitergebildeten oder geänderten derartigen Meßgeräten laut Vertrag vom 1. September 1948 anzuerkennen, die Erzeugung und den Vertrieb des vom Beklagten in Änderung bzw. Verbesserung oder Weiterführung dieses "Sola"- Meßgerätes für Neigungsmessungen entworfenen Meßgerätes für Neigungswinkel laut Patentanmeldung vom 21. Jänner 1949 zu unterlassen, 2. die Führung des Namens "Sona" für sein Meßgerät zu unterlassen. Das Erstgericht gab beiden Klagebegehren statt. Es nahm ein vertraglich vereinbartes Konkurrenzverbot der Streitteile mit dem Inhalt als erwiesen an, daß derBeklagte die Verpflichtung übernommen habe, die Erzeugung und den Vertrieb von Wasserwaagen für Neigungsmessungen zu unterlassen. Weiter stellte es fest, daß die Meßgeräte "Sola" und "Sona" Neigungsmesser seien, denen das gleiche Prinzip zugrunde liege. Der Unterschied zwischen beiden Geräten sei nur konstruktiver Natur. Beklagter habe mit dem "Sona"-Gerät ein dem "Sola"-Gerät gleichartiges Instrument in den Handel gebracht, das nur auf einer anderen Art der Messung des Neigungswinkels beruhe (drehbare Libelle). Da Beklagter dem Kläger die Erzeugung und den Vertrieb des "Sola"- Gerätes überlassen habe, sei er nicht mehr berechtigt, ein für den gleichen Zweck bestimmtes Gerät herzustellen und zu vertreiben, das nur in einer anderen Art der Messung des Neigungswinkels bestehe. Beklagter habe daher die Erzeugung und den Vertrieb des "Sona"-Gerätes auf Grund der Vereinbarung vom 1. September 1948 zu unterlassen wie auch aus dem Gründe, weil sein Vorgehen den guten Sitten widersprechen würde und eine Handlung des unlauteren Wettbewerbes darstelle. Beklagter habe gewußt, daß er dem Kläger das "Sola"-Gerät überlassen habe und dürfe ihm daher nicht mehr in der Weise Konkurrenz machen, daß er ein etwas abgeändertes, dem gleichen Zweck dienendes Gerät in den Handel bringe.
Wenn es dem Beklagten verwehrt sei, das "Sona"-Gerät zu erzeugen und zu vertreiben, dann könne er auch nicht den Namen "Sona" verwenden, weil die Handlung gegen die guten Sitten auch diese Verwendung umfasse. Zudem sei der Unterlassungsanspruch des Klägers auch nach § 9 UWG. mit Rücksicht auf die leichte Verwechslungsmöglichkeit der Bezeichnung "Sola" und "Sona" für dem gleichen Zweck dienende und sich nur in der Art der Messung des Neigungswinkels unterscheidende Meßgeräte begrundet.
Das Berufungsgericht schloß sich der Beurteilung des Erstgerichtes in tatsächlicher und rechtlicher Beziehung an und bestätigte dessen Entscheidung mit dem Ausspruch, daß der Streitwert den Betrag von 10.000 S übersteige.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Bei der Beurteilung der Sache in rechtlicher Beziehung ist von der Feststellung der Untergerichte auszugehen, daß der Beklagte sich dem Kläger gegenüber verpflichtet hat, das "Sola"-Gerät weder weiter zu erzeugen noch zu vertreiben noch sonst in irgendeiner Form zu konkurrenzieren, insbesondere nicht durch Entwicklung und Erzeugung eines gleichartigen Neigungsmessers. An dieser Feststellung scheitern im wesentlichen alle Ausführungen, die die Revision unter dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung bringt. Soweit sie darin, teils versteckt, teils offen, die Feststellung selbst angreift, kann sie nicht gehört werden.
Die Revision macht vor allem geltend, daß ein totales Konkurrenzverbot, wie es die Untergerichte angenommen haben, unsittlich und nach § 879 ABGB. nichtig sei. Es verstoße insbesondere deshalb gegen die guten Sitten, weil es weder zeitlich noch örtlich beschränkt sei. Die Nichtbeachtung von Vertragsklauseln, die nach bürgerlichem Recht selbst sittenwidrig seien, könne niemals als eine unsittliche Handlung nach dem UWG. ausgewertet werden.
Diese Ausführungen gehen fehl. Es ist wohl richtig, daß ein vertragsmäßig begrundetes Konkurrenzverbot, wenn es von übergroßem Umfang ist, ohne zeitliche und örtliche Beschränkung auferlegt wurde und in einem auffallenden Mißverhältnis zwischen dem durch das Verbot zu schützende Interesse des einen und der dem anderen Vertragspartner auferlegten Beschränkung besteht, unter die Bestimmung des § 879 Abs. 1 ABGB. fallen kann (SZ. XIV/173, 1 Ob 9/51). Im vorliegenden Fall hat der Beklagte - und das sei vorweg bemerkt - Umstände, aus denen die Sittenwidrigkeit des in Rede stehenden Konkurrenzverbotes erschlossen werden könnte, im Verfahren I. Instanz nicht behauptet. Ein "totales" Konkurrenzverbot, wie die Revision vermeint, liegt nicht vor. Inhaltlichbezieht sich dieses Konkurrenzverbot lediglich auf das Meßgerät "Sola" und auf die Erzeugung und Entwicklung eines gleichartigen Neigungsmessers. Es ist also von vornherein in seinem Umfang eng begrenzt, setzt dem freien Wettbewerb des Beklagten nur in diesem Punkt Schranken, ohne im übrigen seinen Erwerb zu beeinträchtigen. Im Vertrag vom 1. September 1948 wurde dem Beklagten die Vornahme von Reparaturarbeiten auf eigene Rechnung an Wasserwaagen, sowie die Erzeugung von Schlauchwasserwaagen, Einbauwasserwaagen und Maschinenwasserwaagen ausdrücklich vorbehalten. Von einer Sittenwidrigkeit der vertraglichen Konkurrenzklausel kann daher nach Ansicht des Revisionsgerichtes nicht im entferntesten gesprochen werden, auch dann nicht, wenn es an einer örtlichen und zeitlichen Begrenzung fehlt. Es ist auch zu berücksichtigen, daß der Beklagte als Gegenleistung eine Abfindungssumme vom Kläger erhalten hat.
Ob durch das gegenständliche Wettbewerbsverbot Interessen der Gesamtwirtschaft oder andere Interessen des Gemeinwohls beeinträchtigt wurden und ob der Beklagte allenfalls aus diesem Grund berechtigt wäre, die Vertragsbestimmung ganz oder zum Teil nach § 22a Pat.Ges. für unwirksam erklären zu lassen, ist für die Beurteilung der Frage der Sittenwidrigkeit ohne Bedeutung.
Da nach dem Gesagten sich der Unterlassunganspruch des Klägers allein schon auf Grund des bewiesenen Vertragsbruches des Beklagten als gerechtfertigt erweist, kann die Frage auf sich beruhen, ob die Verletzung der Vertragspflichten seitens des Beklagten zugleich einen Sittenverstoß beinhaltet und ob dem Kläger daher außerdem der Schutz des § 1 UWG. zukommt.
Wenn es dem Beklagten vertraglich verwehrt ist, das dem Kläger überlassene Meßgerät "Sola" zu konkurrenzieren und ein gleichartiges Meßgerät zu erzeugen und auf den Markt zu bringen, dann ist in dieser Vertragsbestimmung auch die Verpflichtung des Beklagten miteingeschlossen, ein solches Meßgerät auch nicht unter dem verwechslungsfähigen Namen "Sona" herauszubringen. Dieser Schluß folgt zwingend aus den Denkgesetzen. Ohne Rechtsirrtum haben daher die Untergerichte auch dem unter Cg 147/49 gestellten weiteren Begehren des Klägers stattgegeben und dem Beklagten die Führung des Namens "Sona" für sein Meßgerät untersagt. Der Kläger hat seinen Untersagungsanspruch in Cg 147/49 nicht allein auf §§ 1 und 9 Abs. 3 UWG., sondern auch auf den von ihm in Cg 112/49 vorgetragenen Tatbestand gestützt, weshalb auch dieser den Klagegrund für die zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Rechtssachen bildet. Die Frage, ob der Untersagungsanspruch auch in den §§ 1 bzw. 9 UWG. begrundet ist, kann daher unerörtert bleiben.
Der Revision war aus den angeführten Gründen der Erfolg zu versagen.
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