Normen
ABGB §879
AngG §7
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §1
ZPO §406
ABGB §879
AngG §7
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §1
ZPO §406
Spruch:
Ein unbeschränktes vertragliches Konkurrenzverbot kann sittenwidrig sein. Entspricht aber die Wettbewerbsklausel in einem gewissen Umfang einem berechtigten Interesse, so muß das Verbot vom Richter auf das billige Maß eingeschränkt werden.
Wer sich verpflichtet hat, bestimmte Erzeugnisse eines Geschäftspartners nicht zu produzieren, begeht durch einen Verstoß gegen diese Vereinbarung eine unlautere Wettbewerbshandlung.
Entscheidung vom 30. Mai 1951, 1 Ob 9/51.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:
Oberlandesgericht Graz.
Text
Zwischen den Streitteilen wurde am 19. November 1948 eine Vereinbarung geschlossen, wonach sich der Beklagte verpflichtete, im ausschließlichen Auftrage und nur für Rechnung der klägerischen Firma Heugebläse nach einem ihm vom Kläger zur Verfügung gestellten Muster für den Kläger zu erzeugen; der Beklagte sollte nicht berechtigt sein, einen selbständigen Verkauf derartiger Maschinen durchzuführen. Mit Schreiben vom 26. September 1949 teilte der Beklagte dem Kläger mit, er sehe sich gezwungen, um seine auf das Heugebläse eingeschulten 35 Facharbeiter in den Wintermonaten nicht entlassen zu müssen, die Erzeugung eines Heugebläses eigener Konstruktion schon in den nächsten Tagen zu beginnen und dieses Gerät direkt dem Verkauf zuzuführen. Der Kläger protestierte und verbot dem Beklagten die Erzeugung von Heugebläsen auf dessen Rechnung, worauf der Beklagte den Vertrag mit dem Kläger per 1. Oktober 1949 kundigte. Der Vertrag enthält über seine Auflösung keine Bestimmung.
Über diesen unbestrittenen Sachverhalt hinaus behauptete die Klage, daß der Beklagte bereits seit Herbst 1949 Heugebläse auf eigene Rechnung herstelle und selbst vertreibe; der Beklagte mißbrauche ein ihm anvertrautes Geschäftsgeheimnis zu Wettbewerbszwecken gegen die klagende Partei, denn der Kläger habe dem Beklagten die technischen Pläne und die Produktionsunterlagen zur Verfügung gestellt. Hiemit sei eine jeder kaufmännischen Moral widersprechende, gegen die guten Sitten verstoßende und den Tatbestand des § 1 UWG. erfüllende Handlung des Beklagten gesetzt worden.
Das Erstgericht stellte fest, daß der Vertrag der Streitteile - entgegen der Meinung des Beklagten - nicht nur dem Beklagten verbiete, daß dieser Heugebläse nach dem ihm vom Kläger gegebenen Muster erzeuge, sondern dem Beklagten auch die Erzeugung von Heugebläsen eigener Konstruktion auf längere Zeit hinaus untersage. Denn das System eines Gebläses sei bei allen Heu- und Körnerbeförderungsmaschinen dasselbe und es könne die Absicht der Parteien beim Vertragsabschluß nur so verstanden werden, daß der Beklagte nicht nur kein Heugebläse nach dem Muster des Klägers, sondern überhaupt kein Heugebläse selbständig erzeugen und für eigene Rechnung verkaufen dürfe. Es sei widersinnig, anzunehmen, daß sich die klagende Partei durch ihre Geschäftsverbindung mit dem Beklagten einen Konkurrenten für ihr Absatzgebiet schaffen wollte. Das Erstgericht kam jedoch zur Abweisung der Unterlassungsklage, die zwei Begehren enthält: a) es werde dem Beklagten verboten "für eigene Rechnung und für Rechnung Dritter Heugebläse und Maschinen dieser Art, insbesondere auch Körnergebläse, zu erzeugen und zu vertreiben, insolange die klagende Partei selbst solche Maschinen vertreibe", und b) "unmittelbar an die beklagte Partei gerichtete, Maschinen der unter a) angeführten Art betreffende Anfragen, für sich oder dritte Personen zu verwerten oder auszunutzen", dies mit der Begründung, daß ein "Konkurrenzverbot" vorliege, bei dem über eine zeitliche Begrenzung überhaupt nicht gesprochen wurde. Hieraus folge, daß der Vertrag der Streitteile und das darin enthaltene Konkurrenzverbot vernünftigerweise nur so lange dauern sollte, als eben die Streitteile zusammen arbeiten und die klagende Partei im Zuge dieser Zusammenarbeit Heugebläse zur laufenden Produktion in Auftrag gebe. Es sei jedoch, nach der Aussage des Firmeninhabers der klagenden Partei, wonach die Geschäftsbeziehungen zwischen den Streitteilen als erloschen zu betrachten seien, das Verhältnis der Streitteile aus der Vereinbarung vom 19. November 1948 als beendet zu betrachten, weshalb das "Konkurrenzverbot" über die Beendigung des Vertragsverhältnisses hinaus nicht mehr wirke, weil hiefür die Grundlage fehle. Der Beklagte sei vertraglich nicht mehr an den Kläger gebunden und könne daher Heugebläse und ähnliche landwirtschaftliche Maschinen, soweit sie - wie im vorliegenden Falle - patentrechtlich nicht geschützt seien, frei produzieren und verkaufen. Deshalb seien die Wettbewerbshandlungen des Beklagten erlaubt und nicht sittenwidrig. Auf das Vorbringen in der Richtung des unlauteren Wettbewerbes wäre nur einzugehen, wenn das Verhalten des Beklagten ein sittenwidriges wäre.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und hob das angefochtene Urteil mit dem Auftrage auf, über die Sache neu zu verhandeln und ein Urteil zu fällen. Es ordnete jedoch an, daß das Verfahren erst nach eingetretener Rechtskraft fortzusetzen sei.
Im Gegensatz zum Erstgericht ging das Berufungsgericht davon aus, daß das Erstgericht zu beachten hatte, daß die klagende Partei ihr Klagebegehren keineswegs bloß darauf gestützt habe, daß der Beklagte die mit der klagenden Firma getroffene Vereinbarung hinsichtlich des "Konkurrenzverbotes" gebrochen habe, sondern auch, daß der Beklagte ihm anvertraute Geschäftsgeheimnisse, Erfahrungen und Unterlagen zu Wettbewerbszwecken gegen die klagende Partei ausnütze und seit 1949, als er offenbar genügend ins Geschäft eingeführt war, den Entschluß gefaßt habe, die klagende Partei durch Unterbieten der Preise und durch Eindringen in ihre Kundschaft unter Bruch der getroffenen Abmachungen auszuschalten und die Verkäufe auf eigene Rechnung durchzuführen. Hiefür habe die klagende Partei folgende tatsächliche Behauptungen aufgestellt und unter Beweis gestellt: der Beklagte habe sich nie mit der Erzeugung von Heugebläsen befaßt, er habe, als die Parteien ihre Arbeit begannen, nur Eisenrechen und Kartoffeldämpfer erzeugt und sei über die Arbeitsweise der Gebläse nicht orientiert gewesen. Um den Beklagten die Erzeugung der Heugebläse auch finanziell zu erleichtern, habe der Kläger dem Beklagten das für die Erzeugung der Heugebläse notwendige Blech zu Werkspreisen verschafft. Durch die Erzeugung von 100 Stück Heugebläsen am laufenden Bande für den Kläger habe der Beklagte Erfahrungen erworben. Schon im Frühjahr 1949 habe der Beklagte systematisch die Abnehmerschaft der klagenden Partei kennenlernen wollen, wiederholt den Versandvorschriften des Klägers nicht Folge geleistet und die Ware mit Umgehung der klägerischen Spediteure direkt an die Abnehmer übersendet und seine Firma als Absender genannt. Er habe die Versendung der Fertigfabrikate instruktionswidrig vorgenommen, seinen eigenen Namen auf der Maschine angebracht, woraus sich ergebe, daß er schon frühzeitig den Entschluß gefaßt habe, das Übereinkommen mit dem Kläger zu brechen. Im Frühsommer 1949 sei er zur Ausführung dieses Planes geschritten, er habe vom Kläger mit wahrheitswidriger Begründung die Gewährung eines Darlehens von 23.000 S verlangt, habe der klagenden Partei Heugebläse als fertig gemeldet, obwohl sie nicht fertig waren. Er habe bereits vor dem 1. Oktober 1949 ein Heugebläse für sich hergestellt und dieses am 14. Oktober auf der Herbstmesse ausgestellt. Dadurch sei er mit der Erzeugung der klägerischen Heugebläse in Rückstand gekommen und habe die Auslieferung seit 26. September 1949 verzögert, wozu noch kommt, daß er aus dem Blech, das ihm die klagende Partei zuletzt noch zur Verfügung gestellt habe, nicht Heugebläse für den Kläger, sondern eigene Maschinen hergestellt und erklärt habe, er könne nicht so viel Heugebläse für den Kläger erzeugen. Dann habe sich der Beklagte anderwärtig Geld verschafft und sich durch Anzeige der beabsichtigten Kündigung deklariert. Der Beklagte erzeuge nunmehr Heugebläse für sich. Die letzten Heugebläse für den Kläger habe er aus vielfach angebohrtem und verrostetem Winkeleisen hergestellt, so daß dies zu Reklamationen Anlaß gab. Er habe dann sein Heugebläse in der Märznummer 1950 der Zeitschrift X. angekundigt und habe es in der Kollektivausstellung der landwirtschaftlichen Genossenschaften für N. unter Verzicht auf den Händlernutzen angeboten, um so in die Kundschaft des Klägers einzudringen.
Das Berufungsgericht gelangte zur Ansicht, daß durch dieses Verhalten verbotene Wettbewerbshandlungen gesetzt wurden, die auch, gleichgültig ob ein Konkurrenzverbot vereinbart sei oder nicht, gegen die guten Sitten verstoßen. Diese Tathandlungen seien geeignet, das gegenständliche Unterlassungsbegehren zu rechtfertigen.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurse des Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Zunächst ist die Ansicht des Beklagten verfehlt, daß nicht zu untersuchen war, ob sein Vorgehen als unlautere Wettbewerbshandlung anzusehen sei, sondern nur, ob ein Konkurrenzverbot vorliege; sei dieses jedoch nicht übertreten, dann könne von einer wettbewerbsfremden Handlung nicht die Rede sein.
Verfehlt ist auch die Ansicht des Rekurses, daß die konkreten Behauptungen des Klägers nach § 1 UWG., weil sie in der Klage unter dem Kapitel "rechtliche Ausführungen" dargestellt sind, unbeachtlich seien. Es ist im vorliegenden Falle gleichgültig, wie der Kläger seine Behauptungen verwertet wissen will, maßgebend allein ist, daß er tatsächliche Behauptungen vorgebracht hat. In diesem Zusammenhang ist auch die Meinung des Beklagten abzulehnen, daß er sich nur verpflichtet habe, solche Maschinen nicht zu bauen, die unter dem Namen des Klägers abgesetzt werden. Diesbezüglich ist die Rechtsansicht der Untergerichte zu billigen.
Es ist unverständlich, wieso der Kläger eine wettbewerbsfremde Handlung in Abrede stellt, wenn er im Rekurse selbst zugibt, er habe das ihm vom Kläger gelieferte Blech nicht zur Gänze für das Heugebläse als lieferbereit dem Kläger gemeldet. Der Beklagte vermag seine Handlungsweise nicht dadurch zu entschuldigen, daß er das Übereinkommen mit dem Kläger für aufgelöst erklärt hat, mag auch die Auflösung jederzeit gestattet gewesen sein. Ob der Kläger in seiner Parteienvernehmung das Verhalten des Beklagten als "Übertretung des Konkurrenzverbotes" bezeichnet hat oder als unlautere Wettbewerbshandlung, ist rechtlich bedeutungslos. Die rechtliche Beurteilung obliegt dem Gerichte. Im Hinblick auf die vom Obersten Gerichtshof gebilligte Rechtsansicht des Berufungsgerichtes ist auch die Ansicht des Rekurses ohne Belang, daß sich das vom Beklagten erzeugte Gebläse "linienmäßig" vom Erzeugnis des Klägers unterscheide und daß der Beklagte deshalb berechtigt sei, selbst Heugebläse zu erzeugen, zumal das Erzeugnis des Klägers in Österreich patentrechtlich nicht geschützt sei. Auch die weiteren Ausführungen des Beklagten darüber, ob es sich um einen "sklavischen Nachbau" handle, treffen im vorliegenden Falle nicht das Entscheidende dieses Rechtsstreites.
Soweit der Beklagte im Rekurse geltend macht, daß die Beweise bei richtiger Würdigung zu anderen Ergebnissen geführt hätten, liegt eine unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung der Untergerichte vor.
Wesentlich im vorliegenden Rechtsstreite ist nur das konkrete Verhalten des Beklagten, das allerdings im Beweisverfahren fast unerörtert blieb und das das Erstgericht im Urteil überhaupt nicht behandelt hat. Geht man von dem oben vom Berufungsgericht näher behandelten Sachverhalt unter Zugrundelegung der zutreffend vertretenen Rechtsansicht aus, so würden die tatsächlichen Klagsbehauptungen im Falle ihrer Erweislichkeit ein nach § 1 UWG. zu beurteilendes Verhalten des Beklagten darstellen.
Zur Frage der Sittenwidrigkeit: Die subsidiäre Anwendung der Generalklausel des § 1 UWG. setzt voraus, daß die besonderen Umstände des einzelnen Falles einen zusätzlichen Tatbestand sittenwidriger Art ergeben (SZ. XX/267), wobei zu beachten ist, daß der Verstoß gegen den Wettbewerbszweck nicht unter allen Umständen unsittlich sein muß, sondern auch bloß ein Verstoß gegen § 1 UWG. sein kann (JBl. 1932, S. 110). Grundsätzlich aber kann gesagt werden, daß ein Geschäftsgebaren, welches durch Mißachtung freiwillig übernommener Rechtspflichten versucht, dem Gegner gegenüber die Vorhand zu gewinnen, sittenwidrig ist, falls hiedurch die Grundlage jedes Geschäftsverkehres, das ist das Vertrauen, erschüttert wird. Mag auch ein Vertragsbruch für sich allein noch nicht sittenwidrig sein, so verstößt doch ein Kontrahent, der sich verpflichtet hat, bestimmte Erzeugnisse seines Geschäftspartners nicht zu produzieren und daher seinem (auch früheren) Partner keine Konkurrenz zu machen, gegen die guten Sitten, wenn er gerade diese Vertragspflicht verletzt. Daraus folgt für den vorliegenden Fall, daß der Kläger, der seinen Anspruch auf Unterlassung von Konkurrenzhandlungen aus einem Vertrag geltend machen kann, nicht gehindert ist, einen Anspruch nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb zu erheben. Mag auch das Unterbieten der Preise, wenn es nicht ein ausgesprochenes Preisschleudern ist, nicht sittenwidrig sein, so kann dennoch durch Hinzutritt sittenwidriger Nebenumstände, wie dies im vorliegenden Falle behauptet wird, ein Verstoß nach § 1 UWG., und zwar durch Vertragsbruch, gegeben sein. Denn auch die Verletzung von Vertragspflichten kann sittenwidrig sein (Calmann, Der unlautere Wettbewerb, 1932, Anm. 17 zu § 1). Die Benützung fremder Betriebsgeheimnisse, wie z. B. der Kundenadressen durch denjenigen, der sie anläßlich andere Zwecke verfolgender geschäftlicher Handlungen erfuhr, ist gegebenenfalls eine Verletzung des von einem Geschäftspartner dem anderen bewiesenen Vertrauens (Langer - Saxl, UWG., S. 102, und Kiwe, UWG., S. 55 f. und 66 ff.).
Auch darin kann dem Beklagten nicht beigepflichtet werden, daß das behauptete "Konkurrenzverbot" - ob es ein solches im technischen Sinne (wie z. B. § 7 AngG.) ist, bleibt dahingestellt - mangels zeitlicher und örtlicher Begrenzung als gegen die guten Sitten verstoßend zur Gänze als nichtig zu behandeln sei. Wohl wird ein Konkurrenzverbot, das vertragsmäßig begrundet ist, jedoch vom übergroßen Umfange ist, ohne zeitliche und örtliche Beschränkung auferlegt wurde und in einem auffallenden Mißverhältnis zwischen dem durch das Verbot zu schützenden Interesse des einen und der dem anderen Vertragsgenossen auferlegten Beschränkung besteht, allenfalls unter die Bestimmung des § 879, Abs. 1 ABGB. fallen. Ergibt sich aber, daß die Wettbewerbsklausel in einem gewissen Umfang einem berechtigten Interesse entspricht, so kann diese Abmachung nicht unbeachtlich bleiben, sondern es muß ein derartiges Verbot nach freier Beweiswürdigung und nach billigem Ermessen des Richters auf das billige Maß eingeschränkt werden (SZ. XIV/173).
Es erwies sich daher der Rekurs als unbegrundet, weshalb ihm der Erfolg zu versagen war.
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