OGH 3Ob825/52

OGH3Ob825/5214.1.1953

SZ 26/12

Normen

Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §141
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §142
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1380
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §141
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §142
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1380

 

Spruch:

Wird durch einen kuratelsbehördlich genehmigten Vergleich zwischen den Kindeseltern vereinbart, daß die eheliche Mutter die Verpflichtung zur Bestreitung des Unterhaltes der Minderjährigen zur Gänze auf sich nimmt, so wird hiedurch zum Ausdruck gebracht, daß nunmehr die Mutter in der Lage ist, für den Unterhalt der Kinder selbst aufzukommen.

Entscheidung vom 14. Jänner 1953, 3 Ob 825/52.

I. Instanz: Bezirksgericht Salzburg; II. Instanz: Landesgericht Salzburg.

Text

Die Eltern der beiden Minderjährigen schlossen anläßlich der Scheidung ihrer Ehe einen gerichtlichen Vergleich, nach welchem die beiden Minderjährigen in Verpflegung und Erziehung der ehelichen Mutter verbleiben, die eheliche Mutter sich verpflichtet, solange sie nach ihrem Vermögen und Einkommen hiezu in der Lage ist, allein für den Unterhalt beider Kinder aufzukommen, und für diese Zeit auf einen Rückerstattungsanspruch gegen den ehemaligen Vater verzichtet. Der Vergleich, der kuratelsbehördlich genehmigt wurde, enthält schließlich die Bestimmung, daß die den Kindern gegen ihren Erzeuger nach dem Gesetzzustehenden Rechte unberührt bleiben.

Die eheliche Mutter begehrt nun namens der Minderjährigen die Auferlegung eines Unterhaltsbeitrages von je 300 S monatlich für die Minderjährigen an den ehelichen Vater mit der Begründung, sie habe ihr Geschäftslokal durch Delogierung verloren und sei nunmehr außerstande, den Unterhalt für die Minderjährigen allein zu bestreiten.

Das Kuratelsgericht trug, ohne die Behauptung des Antrages, die eheliche Mutter sei nicht mehr in der Lage, für den Unterhalt der Minderjährigen allein aufzukommen, zu überprüfen, dem ehelichen Vater die Leistung eines Unterhaltsbeitrages von je 300 S monatlich an die Minderjährigen zu Handen der ehelichen Mutter auf.

Das Rekursgericht hob den Beschluß des Pflegschaftsgerichtes auf und trug diesem die Ergänzung des Verfahrens und die neuerliche Beschlußfassung auf. Es vertrat die Ansicht, daß durch den kuratelsbehördlich genehmigten Vergleich die eheliche Mutter den Unterhalt der Kinder auf sich genommen habe. Wenn auch durch einen derartigen Vergleich der notwendige Unterhalt der Kinder nicht beeinträchtigt werden könne, so habe er doch jedenfalls die Wirkung, daß die Unterhaltspflicht des Vaters in Abweichung von der gesetzlichen Reihenfolge zur subsidiären und jene der Mutter zur primären gemacht werde und daher die Unterhaltspflicht des Vaters an die Voraussetzung gebunden sei, daß die nach dem Vergleich in erster Linie zur Unterhaltsleistung verpflichtete Mutter zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten nicht mehr imstande sei. Es sei daher zu untersuchen, ob die letztere Voraussetzung eingetreten sei.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Minderjährigen nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Ansicht des Revisionsrekurses, daß die unterhaltsberechtigten Kinder nicht Vergleichsbeteiligte mit Parteiencharakter gewesen seien, ist verfehlt, denn durch die pflegschaftsbehördliche Genehmigung hat das Pflegschaftsgericht, das zur Vertretung der Interessen der Minderjährigen berufen ist, den Vergleich namens der Minderjährigen genehmigt; hiedurch sind die Minderjährigen Beteiligte an dem gerichtlichen Vergleich geworden und haben diesem durch das Pflegschaftsgericht ihre Zustimmung erteilt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, so nebst den vom Rekursgericht zitierten Entscheidungen auch DREvBl. 1938, Nr. 81; JBl. 1930, S. 190 und 1931, S. 240, ist zwar der Anspruch auf den notwendigen Unterhalt minderjähriger Kinder grundsätzlich unverzichtbar. Wird aber durch einen pflegschaftsbehördlich genehmigten Vergleich zwischen den Kindeseltern vereinbart, daß abweichend von der in § 141 ABGB. angeordneten Regelung die eheliche Mutter die Verpflichtung zur Bestreitung des Unterhaltes der Minderjährigen zur Gänze auf sich nimmt, so wird hiedurch zum Ausdruck gebracht, daß nunmehr die Mutter in erster Linie zur Unterhaltsleistung verpflichtet ist, falls und solange sie nach ihrem Einkommen und Vermögen in der Lage ist, für den Unterhalt der Kinder selbst aufzukommen. Erst dann, wenn sie hiezu nicht oder nicht zur Gänze imstande ist, tritt die in einem solchen Falle bloß subsidiäre Unterhaltspflicht des Vaters ein. Imübrigen ergingen entgegen der Meinung des Revisionsrekurses die Entscheidungen DREvBl. 1938, Nr. 81, JBl. 1930, S. 190 und 1931, S. 240, nicht im Streitverfahren, sondern beziehen sich auf das Verfahren außer Streitsachen. Daß § 142 ABGB. nur von der Pflege und Erziehung der Kinder spricht, ist ohne Belang da die Rechtsprechung einen Vergleich über die Unterhaltspflicht für minderjährige Kinder, der zwischen den Eltern getroffen wurde, und die in einem solchen Vergleich vereinbarte Abweichung von der Bestimmung des § 141 ABGB. als verbindlich anerkennt, sofern durch einen solchen Vergleich nicht die Ansprüche der Kinder auf den notwendigen Unterhalt beeinträchtigt werden. Die pflegschaftsbehördliche Genehmigung erstreckt sich im vorliegenden Falle entgegen der Behauptung des Revisionsrekurses nicht nur auf den 1. Satz des Punktes 3 des Vergleiches, sondern auf den ganzen Punkt 3 und den Punkt 4, da die pflegschaftsbehördliche Genehmigung keine Einschränkung enthält. Hinsichtlich der Bedeutung des Punktes 4 des Vergleiches genügt es, auf die zutreffende Begründung des Rekursgerichtes zu verweisen, die durch die Ausführungen des Revisionsrekurses nicht widerlegt wird.

Das Rekursgericht war daher im Recht, wenn es das Verfahren insofern fürergänzungsbedürftig befunden hat, als das Pflegschaftsgericht keine Feststellungen darüber getroffen hat ob die eheliche Mutter nach ihren Erwerbs-, Vermögens- und Einkommensverhältnissen nicht mehr in der Lage ist, den Unterhalt für die Minderjährigen zur Gänze allein zu bestreiten, weshalb dem unbegrundeten Revisionsrekurs der Erfolg versagt bleiben mußte.

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