OGH 2Ob385/51

OGH2Ob385/5129.6.1951

SZ 24/175

Normen

Reichsversicherungsordnung §898
Reichsversicherungsordnung §899
Reichsversicherungsordnung §1542
Strafgesetz §335
Reichsversicherungsordnung §898
Reichsversicherungsordnung §899
Reichsversicherungsordnung §1542
Strafgesetz §335

 

Spruch:

Sind Beschädiger und Verletzter in verschiedenen, der gleichen Person gehörigen Unternehmungen tätig, so ist § 898 RVO. anwendbar.

Die Tätigkeit eines Straßenkehrers stellt keine Teilnahme am allgemeinen Verkehr dar.

Entscheidung vom 29. Juni 1951, 2 Ob 385/51.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Der bei der erstbeklagten Partei als Straßenkehrer bedienstet gewesene Karl W., der Gatte der Klägerin, war am 7. Mai 1949 während der Ausübung seines Berufes von einem vom Zweitbeklagten gelenkten und im Eigentum der Erstbeklagten stehenden Lastkraftwagen (Koloniawagen) niedergestoßen und tödlich verletzt worden. Der Zweitbeklagte war wegen dieses Unfalles mit Urteile vom 30. März 1950 des Vergehens nach § 335 StG. rechtskräftig schuldig erkannt worden. Die Klägerin begehrte die solidarische Verurteilung beider Beklagten zum Ersatz der ihr durch den Tod ihres Mannes erwachsenen Barauslagen in der Höhe von 2154 S sowie zur Bezahlung einer monatlichen Rente.

Das Prozeßgericht wies das gegen die erstbeklagte Partei gerichtete Klagebegehren ab und verpflichtete den Zweitbeklagten zur Zahlung des Betrages von 2154 S und einer monatlichen, bis 30. November 1958 befristeten Rente in der Höhe von 261 S.

Das Berufungsgericht bestätigte das sowohl von der Klägerin als auch vom Zweitbeklagten angefochtene erstrichterliche Urteil.

Der Oberste Gerichtshof gab den Revisionen der Klägerin und des Zweitbeklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

a) Zur Revision der Klägerin:

Die Klägerin erblickt eine unrichtige rechtliche Beurteilung, die das Berufungsgericht der Sache zuteil werden ließ, darin, daß es eine Haftung der erstbeklagten Partei im Hinblick auf die Bestimmung des § 898 RVO. ausgeschlossen und eine solche auch nicht nach § 1 DienstArbUnfG. angenommen hat. Da jedoch die erstbeklagte Partei Dienstgeberin sowohl des Verunglückten als auch des Zweitbeklagten war, kann sie auch nach der Ansicht des Revisionsgerichtes nicht wegen des Verschuldens des Zweitbeklagten von der Klägerin in Anspruch genommen werden. Der Sinn des zivilrechtlichen Haftungsausschlusses des Unternehmers nach § 898 RVO. liegt darin, daß die Person, die Aufwendungen für die Unfallversicherung zu tragen hat, über diese Leistungen hinaus nicht zu weiteren Leistungen verhalten werden soll, sofern nicht strafgerichtlich festgestellt ist, daß sie den Unfall vorsätzlich herbeigeführt hat. Der Unfallversicherte erhält im Rahmen der Versicherung Ersatz für alle Unfälle; nicht nur für Unfälle, die sich ohne Verschulden eines Dritten ereignet haben, sondern auch für Unfälle, die er selbst verschuldet hat. Wenn ein Unternehmer mehrere Betriebe führt, leistet er die Unfallsprämie für die unfallversicherten Beschäftigten aller Betriebe, u. zw. nicht nur gegen Arbeitsunfälle im betreffenden Betrieb selbst, sondern auch für solche, die sich in der Person der in dem einen Betrieb Versicherten, aber örtlich außerhalb, etwa in einem der anderen Betriebe, ereignen. Es kommt ausschließlich auf die Versicherungsprämien an, die für den Verunglückten von der erstbeklagten Partei als einer einheitlichen Unternehmerin beider beteiligten Betriebe bezahlt worden sind. Diese Leistung rechtfertigt den Ausschluß der Haftung des einheitlichen Unternehmers nach § 898 RVO. (s. E. v. 20. Dezember 1950, 2 Ob 357/50, in der einem auf § 1542 RVO. gestützten Anspruch der Unfallversicherungsanstalt gegen die Republik Österreich als Unternehmerin der Bundesbahnen auf Ersatz von Versicherungsleistungen, die an Hinterbliebene von anläßlich eines Zusammenstoßes einer Lokomotive mit einem Postpaketauto getöteten Postbediensteten die Berechtigung versagt wurde). Das Berufungsgericht hat übrigens auch mit Recht darauf hingewiesen, daß es sich bei der erstbeklagten Partei nicht um eine zufällige Personenidentität handle, da die Straßenreinigung ebenso wie die Kehrichtabfuhr sachlich in das gleiche Arbeitsgebiet gehört. Das Berufungsgericht hat aber auch zutreffend ausgeführt, daß der verunglückte Gatte der Klägerin bei der Ausübung seines Berufes als Straßenkehrer nicht am allgemeinen Verkehr teilgenommen hat und daß daher die Voraussetzungen für die Anwendung des § 1 Abs. 2 DienstArbUnfG., der eine Ausnahme von der in § 898 RVO. begrundeten Haftbefreiung normiert hat, nicht vorliegen; ein Straßenkehrer nimmt am allgemeinen Verkehr nur auf dem Weg zum und vom Arbeitsort teil, er kann aber während der Verrichtung seiner Arbeit nicht Verkehrsteilnehmer sein.

b) Zur Revision des Zweitbeklagten:

Die Rechtsrüge des Zweitbeklagten ist nur in der Richtung ausgeführt, daß ihm das Berufungsgericht nicht die Haftbefreiung nach § 899 RVO. zugebilligt hat. Das Revisionsgericht teilt jedoch die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß der Lenker eines Lastkraftwagens nicht als Betriebs- oder Arbeitsaufseher angesehen werden kann. Der Oberste Gerichtshof hat bereits in seiner Entscheidung vom 8. November 1950, 2 Ob 197/50, die Ansicht vertreten, daß zwischen einem Autobuslenker, dem jedenfalls auch eine Betriebsaufsicht zukommt, und einem gewöhnlichen Lastkraftwagenlenker zu unterscheiden ist, da dieser nur für die Bedienung, Pflege des Wagens, nicht aber auch für das Zusammenspiel persönlicher und technischer Kräfte verantwortlich ist; zu einem Abgehen von dieser Rechtsansicht besteht im vorliegenden Fall kein Anlaß.

Stichworte