OGH 1Ob258/50

OGH1Ob258/5021.6.1950

SZ 23/204

Normen

ABGB §108
ABGB §117
EO §382 Z8
ABGB §108
ABGB §117
EO §382 Z8

 

Spruch:

Im Ehescheidungsprozeß der Eltern kann auch für das eheliche Kind Unterhalt in Geld begehrt werden, solange die Sorgepflicht für das Kind für die Dauer des Ehescheidungsverfahrens nicht strittig und kein abgesonderter Wohnort für das Kind beantragt ist.

Entscheidung vom 21. Juni 1950, 1 Ob 258/50.

I. Instanz: Landesgericht Linz; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.

Text

Die in Bayern wohnhafte, vom Kläger wegen Ehescheidung belangte Beklagte beantragte, den Kläger für die Dauer des Rechtsstreites zu einer vorläufigen Unterhaltsleistung für sie und das bei ihr lebende eheliche Kind zu verhalten. Der Kläger wendete ein, daß sich die Beklagte beharrlich weigere, ihm in seinen Wohnsitz zu folgen, und daß über seine Unterhaltsleistungen an das Kind nur das Pflegschaftsgericht entscheiden dürfe, weil dieses bisher noch nicht über das Verbleiben des Kindes entschieden habe.

Das Prozeßgericht setzte sowohl für die Beklagte als auch für das Kind einen einstweiligen Unterhalt fest.

Das Rekursgericht bestätigte den erstgerichtlichen Beschluß in Ansehung des Unterhaltes der Beklagten, wies jedoch den Antrag, dem Kläger einen Unterhaltsbetrag für das Kind aufzuerlegen, zurück, da der Kläger in seiner Äußerung zum Antrag unter Bezugnahme auf seine Auffassung, daß die Frau mit dem Kinde zu ihm nach Linz zu kommen habe, zum Ausdruck gebracht habe, daß er mit dem Verbleiben des Kindes in Bayern nicht einverstanden sei; bei dieser Sachlage wäre nach Ansicht des Rekursgerichtes das Prozeßgericht zur Entscheidung über den Unterhalt für das Kind nicht zuständig, weil das Pflegschaftsgericht zunächst über den Verbleib des Kindes (und sodann erst über den Unterhalt) zu entscheiden habe.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Beklagten Folge, hob den den vorläufigen Unterhalt des Kindes betreffenden Teil des Beschlusses des Rekursgerichtes auf und trug diesem eine neuerliche Entscheidung hierüber auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Es handelt sich hier nur mehr um den Unterhalt des Kindes und in diesem Zusammenhang nur darum, ob das Prozeßgericht den Unterhalt für das eheliche Kind ausmessen oder ob dieser Unterhalt nur vom Pflegschaftsgericht bestimmt werden darf.

Im Hinblick auf die bereits in der Äußerung des Klägers und in beiden Rekursen erwähnte Entscheidung SZ. XV/141, deren Rechtsansicht offenbar, wenn auch ohne ausdrücklichen Hinweis, vom Rekursgericht vertreten wird, sei zunächst zu dieser Entscheidung Stellung genommen; ihr Rechtssatz lautet, daß "das Ehescheidungsgericht nicht auch dem Kinde der Ehegattin einen abgesonderten Wohnort und Unterhalt bewilligen kann, wenn die Frage, ob das Kind bei der Mutter oder beim Vater zu bleiben hat, nicht schon durch das Pflegschaftsgericht entschieden ist".

Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes ist aber die Heranziehung dieser Entscheidung im vorliegenden Fall verfehlt. Denn sie ist auf den besonderen Fall zugeschnitten, daß nicht nur für die Ehefrau, sondern auch für das eheliche Kind der abgesonderte Wohnort beantragt und bewilligt wurde. Sie trifft daher für den vorliegenden Fall schon deshalb nicht zu, weil hier weder für die Beklagte, noch für die Minderjährige ein abgesonderter Wohnort verlangt oder bewilligt wurde. Außerdem verweist der Oberste Gerichtshof gerade in der zitierten Entscheidung vor allem darauf, "daß nach § 382 Z. 8 EO. das Prozeßgericht über den der Frau und den Kindern zu leistenden vorläufigen Unterhalt zu entscheiden hat". Es ist also nicht so, wie der Kläger meint, daß das Ehescheidungsgericht überhaupt nicht über den Unterhalt der ehelichen Kinder entscheiden dürfe, sondern nur das Pflegschaftsgericht. In der mehrfach genannten Entscheidung geht der Oberste Gerichtshof davon aus, daß die Kinder tatsächlich den abgesonderten Wohnort der Mutter teilen und somit auf eine Unterhaltsleistung in Geld angewiesen sind. Es sei aber, so führt diese Entscheidung aus, dem Prozeßgerichte verwehrt, durch eine rechtsgestaltende Verfügung über die Unterbringung der Kinder erst jene Lage zu schaffen, welche die Voraussetzungen für eine Entscheidung über den Unterhalt verwirklichen soll, mit anderen Worten, das Ehescheidungsgericht dürfe dort, wo es sich um die Bewilligung des abgesonderten Wohnortes der Kinder handle, d. h. wo es um die Frage geht, wem die Sorgepflicht über das Kind zustehe, und wo die Unterbringung der Kinder in Frage stehe, nicht entscheiden, weil nur das Pflegschaftsgericht in der Lage sei, das Wohl der Pflegebefohlenen zu beurteilen. Es bieten daher weder der § 382 Z. 8 EO. noch die §§ 117 und 108 ABGB. eine Grundlage für eine Entscheidung des Prozeßgerichtes über die zwischen den Ehegatten streitige Unterbringung der Kinder. Denn in all den genannten Gesetzesstellen sei nur vom Unterhalte die Rede. Nur in diesem Sinne können die Entscheidung SZ. XV/141 und auch die Entscheidungen ZBl. 1920 Nr. 87, und GlUNF. 2757 verstanden werden.

Im vorliegenden Fall ist jedoch die Unterbringung der Minderjährigen gar nicht strittig, es ist auch ein Verfahren nach § 142 ABGB. gar nicht anhängig. Vielmehr hat der Kläger lediglich seine Alimentationsverpflichtung mit der Begründung abgelehnt, daß er deshalb nichts zu leisten schuldig sei, weil die Frau ihm in seinen Wohnsitz bisher nicht gefolgt sei. Das Rekursgericht hat jedoch ausdrücklich festgestellt, daß aus dem im Akte erliegenden Briefwechsel der Streitteile sich ergebe, daß der Kläger in den letzten Jahren seine freundschaftliche Einstellung gegenüber der Beklagten geändert habe, indem er zum Ausdruck brachte, daß er nicht wünsche, daß seine Frau zu ihm ziehe, da er nunmehr Beziehungen zu einer anderen Frau habe. Aus diesem Briefwechsel ergibt sich aber mit keinem Worte, daß der Kläger hinsichtlich seines ehelichen Kindes einen anderen Standpunkt einnehme, und es ist daher verfehlt, wenn das Rekursgericht annimmt, daß der Kläger zwar damit einverstanden sei, daß seine Frau abgesondert von ihm wohne, anderseits aber sage, daß er dennoch nicht wolle, daß das Kind bei der Mutter bleibe, indem er die Behauptung aufstelle, er sei nicht zahlungspflichtig, "da seine Frau mit dem Kinde ihm nicht in seinen Wohnort folge". In seinen Briefen aber nimmt der Kläger hinsichtlich des Aufenthaltes des Kindes überhaupt keine Stellung und es hat das Rekursgericht mit Recht die Feststellung getroffen, daß ihm die Rückkehr der Kindesmutter unerwünscht sei. An dieser Feststellung aber ist der Oberste Gerichtshof gebunden. Daraus folgt aber, daß der Kläger damit rechnet, daß nicht nur die Ehefrau in Bayern verbleibe, sondern auch das Kind der Streitteile, das sich seit Jahren ausschließlich in der Pflege der Kindesmutter befindet, zumal der Kläger für das Kind überhaupt keine andere Vorsorge getroffen hat und auch - nach der Aktenlage - gar nicht zu treffen beabsichtigte. Daraus folgt, daß der Kläger mit dem abgesonderten Wohnort der Kindesmutter ebenso einverstanden ist, wie er sich auch damit zufrieden gegeben hat, daß das Kind bei der Mutter verbleibe.

Hält man daher (vgl. Schwind, "Abgesonderter Wohnort und einstweiliger Unterhalt ", ÖJZ. 1949, S. 141 ff., insbesondere S. 146, Spalte 2, 2. Absatz von oben und 3. Absatz und S. 147, Spalte 1, 3. und 5. Absatz) die Gewährung des einstweiligen Unterhaltes in Geld ohne Bewilligung des abgesonderten Wohnortes für zulässig, dann war der Zuspruch eines einstweiligen Unterhaltes für die Ehefrau und auch für das Kind durch das Prozeßgericht zutreffend.

Es war daher dem Rekurse der Beklagten Folge zu geben, der Zurückweisungsbeschluß des Rekursgerichtes aufzuheben und diesem die neuerliche Sachentscheidung unter Umgangnahme vom Zurückweisungsgrunde hinsichtlich des Unterhaltsbetrages für die Minderjährige aufzutragen, dies deshalb, weil der Rekurswerber in der Bekämpfung des erstrichterlichen Beschlusses den für das mj. Kind ausgemessenen Unterhaltsbetrag der Höhe nach angefochten hat.

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